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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Heine (Heinr. Eduard) - Heine (Karl von)
brach er nur durch mancherlei Ausflüge, zuletzt 1844
durch eine Reise nach Hamburg. Seit dieser Zeit
versetzte ihn ein Nückenmarksleiden in einen trauri-
gen Körperzustand, der indes die Frische und Be-
weglichkeit seines Geistes wenig beeinträchtigte. Er
starb nach langem Leiden 17. Febr. 1856 in Paris.
H. betrat die litterar. Laufbahn zuerst mit "Ge-
dichten" (Berl. 1822) und den im folgenden Jahre
erschienenen Tragödien "Almansor" und "Radcliff",
in denen er sich zwar noch stark von den Einflüssen
der Nomantik abhängig zeigte, aber doch schon eine
eigentümliche Begabung verriet (vgl. Odinga, über
die Einflüsse der Romantik auf H., Lpz. 1872). Seinen
eigentlichen Ruf begründete er durch die beiden ersten
Bände der "Reisebilder" (Hamb. 1826 - 27), die
später noch durch zwei neue Bände vermehrt wurden
(ebd. 1830-31; zusammen 4 Bde., 7. Aufl. 1871).
Obgleich nur ein Reisetagebuch voll flüchtiger Ein-
fälle und Erfindungen, erregte dieses Werk, in dem
er die farblose Sentimentalität in der Litteratur,
das deutsche Spießbürgertum und andere krankhafte
Erscheinungen jener Zeit mit schlagendem Witz
geißelte, das ungewöhnlichste Aufsehen und übte na-
mentlich auf die jüngern Gemüter eine enthusiastische
Wirkung aus. Vorzugsweise aber gefielen seine zum
Teilsehr originellenLieder,dieerim "Buch derLieder"
(Hamb. 1827; illustriert von P. Thumann, 6. Aufl.,
Lpz. 1888.- illustriert von Grot Johann, Verl. 1888;
kritische Ausgabe von E. Elster, Heilbr. 1887; neue
Aufl. mit Berichtigungen und Nachträgen 1893) ge-
sammelt herausgab und die zumal durch zahllose
schöne Kompositionen zu Volksliedern geworden sind.
Hierauf folgten die Schrift "Kahldorf über den Adel,
in Briefen an den Grafen M. von Moltke" (Hamb.
1831; Verfasser der Briefe war R. Wesselhöft), "Zur
Geschichte der neuern schönen Litteratur in Deutsch-
land" (2Bde.,Par.1833; neue Aufl. 1840), "Franz.
Zustände" (Hamb. 1833), eigentlich nur eine Samm-
lung seiner aus Paris für die "Allgemeine Zeitung"
geschriebenen Aufsätze; "Der Salon" (4 Bde., ebd.
1835-40; 3. Aufl. 1860-61), "Die romantische
Schule" (ebd. 1836), "Shakespeares Mädchen und
Frauen mit Erläuterungen" (Par. und Lpz. 1839),
das Pamphlet "über Vorne" (Hamb. 1840), alles
geistreiche feuilletonistifche Plaudereien, die auf die
Entwicklung des modernen deutschen Feuilletons
einen großen Einfluß übten. Cynismus und glän-
zender Witz dominiert auch in den "Neuen Gedichten"
(Hamb. 1844 u. ö<), deren Anhang "Deutschland.
Ein Wintermärchen" H.s letzte Reise nach Deutsch-
land mit treffendem Witz und scharfer Satire dar-
stellt; verwandt war auch "Atta Troll" (ebd. 1847).
Später erschienen noch der "Romanzero" (ebd.
1851 u. ö.) mit einem höchst eigentümlichen "Nach-
wort", in welchem H. sein Verhältnis zur posi-
tiven Religion besprach, und das fratzenhafte Tanz-
poem "Der Doktor Faust" (ebd. 1851). Seine "Ver-
mischten Schriften" (3 Bde., ebd. 1854) enthalten
die "Geständnisse" und "Lutetia". Eine Gesamtaus-
gabe seiner Werke erschien erst nach seinem Tode
(22 Bde., Hamb. 1861-66; neue Ausg., 12 Bde.,
ebd. 1887) und im Anschluß daran aus seinem Nach-
laß noch "Letzte Gedichte und Gedanken" (4. Aufl.,
ebd. 1875-85). Neue Gesamtausgaben: Volks-
ausgabe von Karpeles (ebd. 1884-85), illustrierte
Prachtausgabe von H. Laube (Wien 1884 fg.),
Bölfche (6 Bde., Lpz. 1887), St. Vorn (12 Bde.,
Stuttg. 1887), Karpeles (9 Bde., Berl. 1887-88)
und die kritische von Elster (7 Bde., Lpz. 1887-90).
H.s Talent war unzweifelhaft sehr bedeutend. Ein
geistvoller, leider oberflächlicher und leichtfertiger
Prosaist, erscheint er noch ausgezeichneter als lyri-
scher Dichter, indem er bald die zartesten Saiten an-
schlägt, bald wieder die lyrische Harmonie durch
ironische grelle Dissonanzen aufhebt, bald durch ein
Sprühfeuer des Witzes und der Laune ergötzt. Er
kann wie Borne als Vorläufer der Bewegung ange-
sehen werden, welche durch die Iulirevolution von
1830 ihre polit. Signatur erhielt. Diejenigen seiner
Dichtungen, die in dem Jahrzehnt von 1840 bis
1850 erschienen, zeigen das Streben, zusammen-
hängendere satir. Kunstwerke zu schaffen. Der un-
nachahmliche Reiz feiner Lyrik wie die feltene Schlag-
fertigkeit seines Witzes sichern ihm eine hervorra-
gende Stelle in der deutschen Litteratur, so wenig
verkannt werden darf, daß sein frivoles Spiel mit
Gefühlen und Überzeugungen, die geflissentliche
Nachlässigkeit seiner Form, überhaupt der Mangel
an sittlichem und künstlerischem Ernst äußerst
schädlich gewirkt hat. Eine Marmorstatue des auf
seinem Krankenlager ruhenden Dichters von dem
dä'n. Bildhauer Hasselriis befindet sich seit 1891
in Korfu vor dem Lustschloß der Kaiserin Elisabeth
von Osterreich.
Vgl. die Biographien und Charakteristiken H.s
von Strodtmann (2 Bde., Berl. 1867-69; 3. Aufl.
1884), Prölß (Stuttg. 1886), Keiter (Köln 1891)
und Brandes, Die Litteratur des 19. Jahrh., Bd. 6
(Lpz. 1891). Max H., des Dichters Bruder, ver-
öffentlichte Erinnerungen an Heinrich H. und feine
Familie (Lpz. 1868); außerdem erschienen H.s
Briefe an feinen Freund Moses Moser (ebd. 1862);
andere Familienbriefe bei Baron L. von Embden,
H.s Familienleben (Hamb. 1892); Eug. Wolff
gab H.s Briefe an Laube heraus (Bresl. 1893).
Vgl. ferner Fr. Steinmann, Heinrich H. Denk-
würdigkeiten und Erlebnisse aus meinem Zusammen-
leben mit ihm (Prag 1857); Hüffer, Aus dem Leben
Heinrich H.s (Berl. 1878); Karpeles, Heinrich H.
Autobiographie (ebd. 1888; lediglich Material-
sammlung aus H.s bekannten Werken und Briefen);
derf., H. und scine Zeitgenossen (ebd. 1888). Von
H.s Memoiren existierten zwei Manuskripte, von
denen das eine, ausführlichere, wahrscheinlich ver-
nichtet worden ist, während das andere, das nur
einen Teil von tz.s Jugend behandelt, erhalten blieb
und in den Besitz des Pariser Nechtsgelehrten Henri
Julia gelangte. Das letztere erschien, hg. von
Eduard Engel, im Jahrg. 1884 der "Gartenlaube"
und dann auch als Supplementband (Hamb. 1884)
zu den "Sämtlichen Werken".
Heine, Heinr. Eduard, Mathematiker, geb.
15. März 1821 zu Berlin, habilitierte sich 1844 in
Bonn und wurde 1856 ord. Professor in Halle, wo
er 24. Okt. 1881 starb. Seine Arbeiten, welche sich
größtenteils auf die höhere Aualysis erstrecken,
sind meist in Crelles "Journal" veröffentlicht.
Außerdem schrieb er "Handbuch der Kugelfunk-
tionen" (Berl. 1861; 2. Aufl., 2 Bde., 1878-81).
Heine, Karl von, Chirurg, geb. 28. April 1838
zu Caunstatt als Sohn des Orthopäden Jakob H.,
studierte in Tübingen und Würzburg, nahm als
Arzt am Schleswig-Holsteinischen Kriege 1864 teil
und legte seine hier gewonnenen Erfahrungen in
dem Werte "Die Schußverletzungen der untern Ex-
tremitäten" (Berl. 1866) nieder. Er wurde 1865
Privatdocent und 1868 außerord. Professor der
Chirurgie in Heidelberg. Doch schon 1869 folgte er