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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Hochzeit

durfte. Zum bräutlichen Schmuck gehörte, daß sie verschleiert und mit dem Myrtenkranze geziert war. Die H. selbst wurde mit einem Gastmahl, durch Gesang, Musik und Tanz gefeiert und dauerte bei den Reichen gewöhnlich sieben Tage. Verließ die Braut ihren bisherigen Aufenthaltsort und geschah dies in der Dämmerung, so begleiteten sie unter dem Klange vieler Instrumente die Brautjungfern, von denen einige brennende Fackeln, die andern aber die Kleider und den Schmuck der Neuvermählten trugen. Auch noch gegenwärtig ist es bei den Juden Sitte, daß die Braut vor der H. ein Bad nimmt; doch geschieht dies gewöhnlich in aller Stille. Am Hochzeitstage selbst streut man dem Brautpaar im Vorhofe der Synagoge Weizenkörner und Geldmünzen auf das Haupt mit den Worten: «Seid fruchtbar und mehret euch!» - Die ältesten Hochzeitsgebräuche bei den Griechen beschreibt Homer. Diese begannen mit Heimführung der verschleierten Braut bei Fackelschein unter Flöten- und Harfenspiel und rauschenden Gesängen und endeten mit einem Festmahle, worauf die Neuvermählten nach dem Brautgemach geleitet wurden. In späterer Zeit war es bei den Griechen Sitte, daß sich die Verlobten am Tage vor ihrer Vermählung eine Locke abschnitten, die sie dem Zeus, der Hera, der Artemis und den Parzen weihten, als den Gottheiten, welche Neuvermählte besonders in Schutz nahmen. Auch schlachtete man Opfertiere, aus deren Eingeweiden die Wahrsager den Verlobten die Zukunft eröffneten, nachdem man zuvor zum Sinnbild ewiger Eintracht sorgfältig die Galle entfernt hatte. In der ersten Abendstunde holte der Bräutigam die verschleierte Braut in Begleitung eines vertrauten Freundes oder Verwandten der letztern mit Fackelträgern aus dem Hause der Eltern in das seinige ab. War der Bräutigam schon einmal verheiratet, so wurde die Braut durch einen Verwandten in seine Wohnung gebracht. Hier wurde das Brautpaar zum Zeichen der Fruchtbarkeit mit Blumen und Kornähren überschüttet. Die Achse des Wagens, in dem die Braut gefahren war, warf man ins Feuer, zum Zeichen, daß sie nimmer zurückzukehren gedenke. Hierauf folgte ein Mahl. Nachdem ein Knabe die Füße der Braut gewaschen, genoß das Brautpaar eine Quitte oder einen Granatapfel. Endlich übergab die Mutter die Braut dem mit Blumen geschmückten Lager; die Gäste stimmten Epithalamien an und zogen sich zurück. Bei den Spartanern war die Feier weit einfacher. Das Mädchen wurde nach alter Sitte, wenigstens der Form nach, geraubt, doch erfolgte nicht unmittelbar darauf die Verehelichung. Oft lebte das Brautpaar jahrelang zusammen, und die diesem Umgange entsprossenen Kinder hießen jungfräuliche.

Bei den Römern wurde die H. mit einer Menge symbolischer Gebräuche und Ceremonien gefeiert. Nachdem bei der Verlobung der Hochzeitstag festgesetzt worden war, teilte man das Haar der Braut nach Art der Matronen, und zwar mit einer Lanze, zur Erinnerung an den Sabinerraub, zog ihr die Toga praetexta (das jungfräuliche Kleid) aus, opferte der Juno als der Göttin der Ehe, und weihte die Kleider, Kleinodien und Spielsachen der Braut der Venus oder einem Hausgotte. Zum bräutlichen Schmuck gehörten noch eine Stirnbinde nebst Blumenkranz und der jungfräuliche Gürtel, den der Mann seiner jungen Gattin am Hochzeitstage löste. Derselbe bestand aus Lammwolle und war mit einer besondern Schleife zugeknüpft, die man die Herculesschleife nannte. Nach Auspizien und Tieropfern, wobei man die Galle entfernte, setzte sich das Paar auf ein Lammfell zur Erinnerung an die Bekleidung ihrer Vorfahren. Dann ging es, von Fackelträgern und Flötenspielern begleitet, nach dem mit Blumengewinden verzierten Wohnhause, wo die Braut über die der Vesta geheiligte Hausschwelle gehoben wurde. Zum Zeichen der Keuschheit hing hier die Braut, die Nocken, Spindel und Wolle bei sich führte, einige wollene Binden auf; zur Abwendung böser Genien bestrich sie die Thürpfosten mit Schweins- oder Wolfsfett, und sinnbildlich ihre innigste Verbindung andeutend, berührten Bräutigam und Braut Feuer und Wasser. Auch trug die Braut drei Asse bei sich. Das erste gab sie gleichsam als Kaufschilling dem Bräutigam; das zweite legte sie auf dem Herde der neuen Heimat nieder; das dritte warf sie auf einen Kreuzweg. Nach beendigtem Festmahl führten Matronen die Neuvermählten in das Brautgemach, wobei Jungfrauen Epithalamien sangen, Knaben dagegen leichtfertige Gesänge anstimmten. - Bei den in Polygamie lebenden Orientalen giebt es so viele Gebräuche als Stämme.

Bei den Germanen scheint in ältester Zeit der Brautraub Sitte gewesen zu sein, wie das bei allen german. Stämmen erhaltene Wort Brautlauf und die Volksgebräuche der Gegenwart bezeugen. Auch später war die Vermählung eigentlich nur ein rechtlicher Akt, doch fanden dabei auch religiöse Gebräuche statt. Nachdem der Vater oder der Vormund des Mädchens dieses zugesagt hatte, kaufte der Bräutigam seine Auserkorene durch den Mundschatz (Rindergespann, Pferde, Schild, Waffen) aus der Vormundschaft des Vaters und erhielt dadurch den rechtlichen Besitz des Mädchens. Die Braut wurde dann ausgestattet mit einer Mitgift, die in beweglicher oder liegender Habe bestand. Die Ehe wurde durch Donars Hammer geweiht, und man trank dabei die Minne des Gottes der Liebeslust und der Fruchtbarkeit; Gebete wurden für das Glück der Neuvermählten gesprochen und Opfer dargebracht, woran sich das feierliche Mahl schloß. (Vgl. Weinhold, Die deutschen Frauen im Mittelalter, 2. Aufl., Wien 1882.) Manches erinnert noch jetzt bei H. an altheidn. Gebräuche, so die fries. Sitte, der Braut ein Schwert vorzutragen, in Bayern der Johannissegen, der nach der Trauung zuerst den Neuvermählten und alsdann allen Hochzeitsgästen gereicht wird; auch die Polterabendscherze, die Beschenkung der Braut mit einem Pantoffel u. a. reichen wohl in die frühesten Zeiten zurück. Über weitverbreitete abergläubische Meinungen vgl. Wuttke, Der deutsche Volksaberglaube der Gegenwart (Berl. 1869). Rücksichtlich des Aufwandes, der bei H. gemacht werden durfte, wurden im Mittelalter und später die Hochzeitsordnungen erlassen, die indessen durch ihre ungemein häufige Wiederholung sich als fruchtlos kennzeichnen. Der Luxus, selbst im Bürger- und Bauernstände, war bei dieser Gelegenheit in der That unglaublich. Das Brautbad mit feierlichem Aufzuge, das sog. Umbitten (d. h. Einladen der Gäste) und die sog. Einholung, wenn Braut und Bräutigam nicht in demselben Orte wohnten, vollzogen sich unter eigentümlichen Gebräuchen. Am Tage nach der H. erschienen die jungen Eheleute in der Kirche, um sich einsegnen zu lassen; diese Sitte ist jetzt in Wegfall gekommen.