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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Kanonade - Kanonenboote
welche die Regel des chriftl. Glaubens und Lebens
enthalten, d. h. die Bibel. Das Ansehen dieser Bücher
gründete man daraus, daß man ihren Inhalt als
von Gott eingegeben (s. Inspiration) betrachtete,
im Gegensatze zu den Apokryphen (s. d.). Der!
ganze K. der Heiligen Schrift zerfällt in den K. des ^
Alten Testaments und des Neuen Testaments, über ^
die allmähliche Entstehung dieser beiden Samm- >
lungen und ihre kirchliche Anerkennung s. Bibel. ^
Von den kanonischen Schriften unterscheidet man,
die apokryphischen; die katb. Kirche bezeichnet die!
Apokryphen des Alten Testaments, die sie gegen ^
die Ansicht der alten Kirche in ibren K. aufgenom- ^
men hatte, als deutero kanonische Schriften im
Unterschiede von den protokanonischen, wäh-
rend die ältern prot. Dogmatiker diese Namen ans
die sog. Antilegomcna (s. d.) übertrugen. - Vgl.
(5redner, Geschichte des neutestamentlichen K. (hg.
von Volkmar, Berl. 1860): Hilgenfeld, Der K.
und die Kritik des Neuen Testaments (Halle 1363);
Overbeck, Zur Geschichte des K. (Cbemn. 1880);
Schmiedels Artikel K. in Ersch und Grubers "All-
gemeiner Encyklopädie" (Sekt. II, Bd. 32): Zahn,
Geschichte des neutestamentlichen K. (Erlangen
1888 sg.); A. Harnack, Das Neue Testament um das
Jahr 200, Theod. Zahns Geschichte des ncutesta-
mentlichen K. geprüft (Freib. i. Vr. 1889).
K. bezeichnet in der Kirchensprache außerdem den
Beschluß einer allgemeinen Kirchenversammlung, der
als Kirchengesetz gilt und dessen Nichtbeachtung mit
dem Banne bedroht wird. Ein solches Gesetz wird
für den kirchlichen Glauben wie für das kirchliche
Leben gegeben. Ferner bezeichnet K. die Gebete, die
der kath. Priester kurz vor, bei und nach Neihung
der.Hostie verrichtet; endlich auch das Verzeichnis
der Zeiligen oder Kanonisierten.
In der Rechts spräche bezeichnet K. die jähr-
liche Geldabgabe, auf welche eine bis dahin ihrem
Betrage oder ihrem Anfalle nach ungewisse Leistung
oder Beschränkung reguliert wird, z. B. Laudemial- ^
tanon. K. heißt auch der Erbzins oder die festgesetzte
Pachtsumme, welche die Erbpächter (s. Erbpacht) ^
jährlich an den Gutsherrn zu entrichten haben. !
In der Musik der Griechen war K. eine Art ^
Monochord (s. d.), das als Richtschnur für die
mathem. Intervalle diente und von den Pytba- !
goreern, die man deswegen Kanoniker im Gegen-
satz zu den Harmonikern nannte, zu diesem Zwecke ^
benutzt ward. - Seit dem 15. Jahrh, heißt K. ein !
mehrstimmiges Tonstück, dessen verschiedene ^tim- ^
men nach und nach aus einer einzigen Stimme ^
fließen. Die Stimmen setzen deshalb auch nicht zu- '
sammen, sondern erst nacheinander ein, wobei jede
nachfolgende genau (wenn auch in höhern oder
riefern Intervallen) wiederholt, was die vorauf-
gehende gefagt hat. Diefe Art der Komposition ent-
stand im Mittelalter schon vor dem 13. Jahrb., und !
der Name K. wurde ihr gegeben, weil durch eine
dercn^ge herleitung aller Stimmen der Harmonie
aus einer einzigen der Kernpunkt und die Grund- !
regel des strengen Tonsatzes gefunden war. Der i
K. lüldet den Grund und Anfang der gesamten!
fugierten Komposition; in der spätern Praris hat ^
sich dann die Fuge (s. d.) weiter und freier aus-
gebildet. Wie der K. von beiden das erstere war,
so ist er auch das populärere geblieben. Wie im K.
alles ans einer einzigen Stimme entsteht, so wurde ^
er auch früher und wird meist noch jetzt nur ein- !
stimmig aufgezeichnet, mit Zeichen für den Eintritt !
Vrockhcuis' KonversationZ-Lc'xikou. 14. Aufl. X.
der verschiedenen Stimmen. Unter den alten Fugen-
meistern war es ein beliebtes Kunststück, derartige
Zcicken, sowie Vorzeichnungen der Tonart und
sonstige Bedingungen der Ausführung zu unter-
drücken und lediglich erraten zu lassen. Ein solches
Gebilde beißt Ratselkan on. -Vgl. Klauwell, Der
K. in seiner geschichtlichen Entwicklung (Lpz. 1877).
Kanonade, gegenseitiges Bekämpfen von Ar-
tillerie oder Geschützkampf, mit der Nebenbedeutung
des hinhaltenden Gefechts.
Kanone (vom lat.cluin^, Rohr; daher srz. canon,
ital. cnnnm)(?, eigentlich großes Rohr), im all-
gemeinen jede Feuerwaffe größerer Art (Geschütz,
s. d." im Gegensatz zu den Handfeuerwaffen (s. d.).
Im besondern heißt K. die wichtigste der gegenwärtig
vorkommenden Geschützarten, die bestimmt ist, ihre
Geschosse mit großer Geschwindigkeit und in einer
flachen Bahn fortzutreiben. Man verwendet die K.
gegen aufrecht stehende Ziele, wie Truppen, Ge-
schütze, Holzwände, Erdbrustwehren, Mauern, ge-
panzerte Schiffe, Befestigungen u. s. w. Die Ladung
der K. ist im Verhältnis zum Geschohgewicht im
allgemeinen groß; die Rohre sind von bedeutender
Länge (10-50 Kaliber Seelenlänge und noch mehr).
Nach der innern Einrichtung zerfallen die K. in
glatte und gezogene. Die Geschosse der gezoge-
nen K. sind hauptsächlich Granaten und Chrapnels,
bei leichten K. kommen auch Kartätschen vor. ((^.Ge-
schütz, Bd. 7, S. 909 d, 911 n, Fig. 6 u. 7.)
Kanonen lfrz. canons), zur Zeit Ludwigs XIV.
die ^pitzencinlagen oder solche von feinen Leinen,
die den Überfall der großen bis über die Knie
reichenden Stiefel ausfüllten, eine Art Stiefelman-
schetten. Später nannte man die großen Stiefel
selbst K., wie es jetzt iioch besonders in der Studenten-
sprache üdlick ist. (^. Koller.)
Kanonenbettung, Bettung (d. i. mit Bohlen
belegter GcscbMstand) sür Kanonen; die Bettungen
für Kanonen sind länger als solche sür Mörser.
Kanonenbohrer, ein Metallbohrer von halb-
kreisförmigem Querschnitt mit rechtwinklig oder
schics zur Bodrerachse stebendcr schneide.
Kanonenbohrmaschine, eine große Bohr
Maschine zur Herstellung der cylindrischen Höhlung
(Seele) der Kanonenrohre.
Kanonenboote, kleine mit schwerem Geschütz
bewaffnete Kriegsschiffe. Früher wurden sie mit
Rudern sortbewegt und konnten in Windstillen den
feindlichen Segelschiffen bei Blockaden gefährlich
werden, da sie gewöhnlich zwei bis drei Geschütze
vom größten Kaliber führten. Die jetzigen K. sind
Schraubendampfer; eine befondere Gattung der-
selben sind die Panzerkanonenboote. K. dienen
nicht allein zur Verteidigung der eigenen, sondern
auch zum Angriff feindlicher Küsten und wurden
sowohl im Krimkriege wie im chines. Kriege von Eng-
ländern und Franzosen vielfach und mit großem
Erfolge angewandt. Die deutsche Marine besitzt
13 Panzerkanonenboote zur Verteidigung der Fluß-
mündungen in der Nord- und Ostsee. Sie sind mit
starkem Panzer versehen und führen je ein Riesen-
geschütz von 30,5 cm-Kaliber. Ferner besitzt Deutsch-
land 5 K., Habicht, Wolf, Iltis, Hyäne, Loreley,
die im Kreuierdienst auf auswärtigen Stationen in
solcken Gewässern verwendet werden, die sür größere
Schiffe nicht zugänglich sind, z. V. im Kamerunflusse,
in den chines. Flüssen und zwischen den Korallen-
inseln der Südsce. über die K. anderer Großmächte
s. unter dem Heerwesen der betreffenden Staaten.