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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Kirchenmusik
hausen, K. H. von Bogatzky, Ernst Gottl. Woltersdorf gehören schon der Zeit des Verfalls an.
Die Aufklärungsperiode war für das K. nicht sehr fruchtbar. Klopstock und Geliert hielten im wesentlichen noch am alten Dogma fest. Bei letzterm tritt schon eine stark lehrhafte Richtung hervor. Noch bestimmter prägt sich diese in den Liedern von J. A.^[Johann Andreas] Cramer, J. A.^[Johann Adolf] Schlegel und J. S.^[Johann Samuel] Diterich aus, die (ebenso wie Klopstock und Herder) namentlich die Umdichtung älterer Lieder zu ihrer Aufgabe machten. Die neue religiöse Bewegung, die seit den Freiheitskriegen durch das deutsche Volk ging, gab auch dem geistlichen Liede einen neuen Aufschwung. Die Lieder von Novalis und Ernst Moritz Arndt, von denen jene stark den Charakter der Romantik tragen, bilden den Übergang zu dem neuern K., als dessen namhafteste Vertreter C. J. Ph.^[Carl/Karl Johann Philipp] Spitta, Albert Knapp und Jul. Sturm zu bezeichnen sind. Die reformierte Kirche duldete lange Zeit in den Kirchen nur alttestamentliche Psalmen. Doch hat sich die deutsch-reform. Kirche längst das deutsche K. angeeignet; dagegen halten z. B. die franz. Calvinisten noch heute mit Zähigkeit an ihren Psalmen und deren eintönigen Melodien fest. In der katholischen Kirche sind erst in neuester Zeit vereinzelte Versuche gemacht worden, den deutschen Kirchengesang einzuführen. Doch hat es auch unter ihren Bekennern gemütvolle Dichter geistlicher Lieder gegeben, wie Johann Scheffler (Angelus Silesius), Friedr. von Spee, und unter den neuern besonders Diepenbrock, Luise Hensel, Annette von Droste-Hülshoff.
Vgl. Hoffmann (von Fallersleben), Geschichte des deutschen K. bis auf Luthers Zeit (Berl. 1832; 3. Aufl., Hannov. 1861); Wackernagel, Das deutsche K. von Luther bis auf Nik. Hermann (Stuttg. 1841); ders., Bibliographie des deutschen K. (Franks. 1854); Cunz, Geschichte des deutschen K. (Lpz. 1855); Wackernagel, Das deutsche K. von der ältesten Zeit bis zu Anfang des 17. Jahrh. (5 Bde., ebd. 1862-77); Koch, Geschichte des K. und Kirchengesangs (3. Aufl., 8 Bde., Stuttg. 1866-76); Beck, Geschichte des katholischen K. (Köln 1878); Fischer, Kirchenliederlexikon (2 Bde., Gotha 1878, 1879 und Suppl. 1886 fg.); J.^[Johannes] Zahn, Die Melodien der deutschen evangelischen K. (16 Bde., Gütersloh 1888-93); Wolfrum, Die Entstehung und erste Entwicklung des deutschen evangelischen K. (Lpz. 1890); Knapp, Evang. Liederschatz (4. Aufl., Stuttg. 1891); K. und Volkslied. Geistliche und weltliche Lyrik des 17. und 18. Jahrh. bis auf Klopstock, hg. von Ellinger (ebd. 1892). (S. auch Kirchengesang.)
Kirchenmusik (lat. musica sacra oder divina; ital. musica da chiesa), die Musik, welche im christl. Gottesdienste einen Teil der Kultushandlungen bildet. Die Christen überkamen den religiösen Gesang aus den jüd. Tempel- und Synagogenfeiern, deren Weisen den Grundstamm der Gesänge der Urkirche bildeten. In den ersten Jahrhunderten überwog das jüd. Element in den Gesängen der Christen so sehr, daß die Morgenland. Kirche für die Musik ebenso maßgebend blieb wie für die Dogmen. Die Eigentümlichkeit dieser gottesdienstlichen Musik (anfangs nur Vokalmusik) bestand in dem Wechselgesange von zwei geteilten Gruppen oder Chören. Bis auf die Zeit des heil. Ambrosius im 4. Jahrh. war das Abendland in dieser Hinsicht noch ganz unmündig, und als der große Mailänder Bischof mit der Ordnung des Kultus auch die der Musik unternahm, that er dies durch Nachahmung des Wechselgesangs der Morgenland. Kirche. Er regulierte den Gesang auf Grund eines faßlichen Tonsystems (nach griech. Tetrachorden in Oktaven), ordnete neben dem Wechselgesange den kirchlichen Lesegesang oder die liturgische Recitation und bildete den Hymnus in Gesängen weiter. Die drei Grundweisen der kirchlichen Musik waren hiermit gegeben. Bei der weitern Entwicklung trat in den nächsten Jahrhunderten der Wechselgesang, die Antiphonie, immer mehr zurück, und als Papst Gregor d. Gr. um 600 für die Entwicklung kirchlicher Musik wirkte, war vom Wechselgesang, an dem sich auch die Gemeinde beteiligen konnte, kaum noch die Rede. Gregors Bestreben richtete sich allein auf fachmäßige priesterliche Singschulen, auf die Ausbildung des Sologesangs und die zweckmäßige Aufzeichnung der kirchlichen Tonweisen. Er fand in Rom schon eine seit langer Zeit bestehende Sängerschule vor, die er dann zur Sixtinischen Kapelle umbildete, einer Musteranstalt, die später dem ganzen Abendlande zur Norm diente. Als Anhalt für die Praxis vereinigte er die kirchlichen Gesänge zu einem großen "Antiphonarium", das für die Kirche wie für die Musik maßgebend wurde durch seinen Inhalt und durch die Form der Aufzeichnung in Neumen oder Zeichen, aus denen sich dann die moderne Tonschrift entwickelt hat. Seine Musik wurde als Gregorianischer Choral für die ganze abendländ. Kirche zum Kanon erhoben, der ein Jahrtausend lang die Grundlage bildete, auf der man überall mit geringen Abweichungen beharrte und dem auch die Tonsetzer für ihre kunstvollen mehrstimmigen Gesänge die Motive entlehnten.
Mit der Reformation beginnt eine neue Zeit, in der das Verhältnis der Musik zum Gottesdienst ein loseres wurde und andere Elemente die Oberhand gewannen. Die liturgische Musik der alten Kirche konnte trotz aller Mühe der Reformatoren nur unvollkommen bewahrt werden, dagegen gewann der Hymnus die Oberhand und gestaltete sich zu freien Kirchengesängen, an denen wieder die ganze Gemeinde teilnahm (s. Kirchengesang und Kirchenlied). Hierzu trug namentlich die Orgel bei, die freilich schon Jahrhunderte vorher im Gebrauch war, aber erst seit der Reformation im Gottesdienste recht zur Verwendung kam. Sie war längere Zeit das einzige Instrument, welches den kirchlichen Gesang führte, zog aber seit 1600 schnell das ganze Orchester in die Kirche.
Mit dieser Wandlung beginnt wieder eine neue Zeit, die dritte oder letzte Periode, in der sich die K. weder an die priesterliche Liturgie (den Gregorianischen Choral), noch an den Hymnus in Form des Gemeindegesangs (den Lutherischen Choral) band, sondern kirchliche Texte in freier Erfindung zu mehrstimmigen Kompositionen verwandte, bei denen der Gesang fast immer von Instrumenten begleitet wird. Die Grundlage dieser Kunst ist die Harmonie oder musikalische Mehrstimmigkeit, deren Entstehung gleich der Ausbildung der Orgel in das früheste Mittelalter zurückzuführen ist und die schon zu Luthers Zeit hochbedeutend war, unmittelbar nach ihm aber in unbegleiteten mehrstimmigen Gesängen eine Vollendung erhielt, welche in dieser Hinsicht nicht wieder erreicht ist. Jene Zeit des 16. Jahrh. betrachtet man auch als die klassische Periode der kirchlichen Kunstmusik und bezeichnet die damalige Kompositionsweise nach ihrem größten Vertreter als den Pale-^[folgende Seite]
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