Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

669

Kraft

P = m·φ, in Worten: «K. ist gleich Masse mal Beschleunigung.» Die Lehre von den K. als bewegenden Ursachen heißt Dynamik (s. d.). Die Naturkräfte wirken im allgemeinen so, daß sie den Abstand von materiellen Punkten zu verkleinern oder zu vergrößern suchen, wobei ihre Größe meist im umgekehrten Verhältnis der Quadrate der Entfernungen jener materiellen Punkte steht. Suchen die K. die Entfernung der Punkte zu vergrößern, so heißen sie abstoßende; im entgegengesetzten Falle heißen sie anziehende. Unter Richtung einer K. versteht man die Richtung der durch dieselbe bestimmten Beschleunigung. Angriffspunkt einer K. heißt der Punkt, in dem sie als unmittelbar wirkend gedacht wird. Wenn zwei mechanische K. p, q zugleich nach verschiedenen Richtungen auf dieselbe Masse m wirken, so gehen die beiden entsprechenden Bewegungen, wie Galilei zuerst am Wurf erkannte, unabhängig voneinander vor. Da nun zwei Bewegungen nach dem Gesetz des Parallelogramms durch eine ersetzt werden können und die in gleichförmig beschleunigter Bewegung in derselben Zeit von der Masse m zurückgelegten Wege proportional den K. sind, so kann man von m aus (s. beistehende Fig. 1) nach den Richtungen der K. diesen proportionale gerade Linien auftragen, über denselben als Seiten ein Parallelogramm konstruieren und die Diagonale r ziehen. Letztere ist einer K., die p und q zu ersetzen vermag, proportional und der Richtung nach gleich. Diese von Newton zuerst allgemeiner angewandte Konstruktion nennt man das Kräfteparallelogramm, p, q heißen die Komponenten, r die Resultierende. Das Gegenstück zu der angegebenen Zusammensetzung ist die Zerlegung der K. oder die Ersetzung einer K. durch mehrere, die so vielfach vorgenommen werden kann, als sich Parallelogramme über einer Geraden als Diagonale konstruieren lassen. In dem besondern Fall, daß die Komponenten in einer Geraden liegen, ist ihre Resultierende, je nach Gleichheit oder Gegensatz der Richtungen, die Summe oder Differenz der Komponenten.

^[Abb. Fig. 1]

Wenn zwei K. an verschiedenen Punkten desselben starren Körpers angreifen, so kann man dieselben, falls sich ihre Richtungen schneiden, in dem Durchschnittspunkt derselben angreifend denken und die Parallelkonstruktion anwenden. Dieselbe kann nicht unmittelbar angewandt werden bei Parallelkräften, doch findet man durch geometr. Kunstgriffe, daß die Resultierende zweier Parallelkräfte p, q (Fig. 2), welche an den Punkten a b desselben starren Körpers angreifen, der Summe derselben gleich ist und in einem Punkte c der Verbindungslinie a b angreift, der so liegt, daß ^[Formel] ac/bc = q/p. (S. Schwerpunkt.) Bei entgegengesetzten parallelen K. p, q (Fig. 3) ist die Resultierende gleich der Differenz p - q, ihre Richtung entspricht der Richtung der größeren K., und der Angriffspunkt c liegt außerhalb a b auf der Verbindungslinie auf der Seite der größern K. so, daß ac/ab = q/(p-q). Zwei gleiche pararallele entgegengesetzte K. können nicht durch eine Resultierende ersetzt werden, sie stellen ein sog. Kräftepaar dar, das eine Drehung des Körpers und keine Fortschreitung bewirkt. Poinsot hat gezeigt, daß Kräftepaare ähnlich wie K. nach dem Parallelogrammprincip zusammengesetzt werden können. Die Größe dieser Drehwirkung wird durch das sog. Moment des Kräftepaars gemessen, d. h. durch das Produkt aus der einen K. in den senkrechten Abstand der beiden K. Man spricht von «Unzerstörbarkeit der K.», von «Erhaltung der K.». Diese unpassenden Ausdrücke werden allmählich durch den zutreffendern «Erhaltung der Energie» (s. Energie) ersetzt. Durch jede K. kann Arbeit (s. d.) geleistet werden. Bei statischen Bauwerken werden die in den einzelnen Konstruktionsteilen auftretenden Zug- und Druckkräfte durch die Methoden der Graphostatik (s. d.) bestimmt.

^[Abb. Fig. 2]

^[Abb. Fig. 3]

Für Industrie und Verkehrswesen ist die K. das Mittel zur Erzeugung nutzbringender mechan. Arbeit. Die billige Beschaffung, ökonomische Ausnutzung, zweckmäßige Fortleitung und Verteilung der K. ist eine Hauptaufgabe der Technik, speciell des Maschinenbaues, der mechan. Technologie und des Transportwesens. Zunächst besitzen die sog. belebten oder animalischen Motoren, der Mensch selbst und die Tiere, die er sich zur Arbeitsleistung heranzieht, in den Muskeln einen sich beständig erneuernden Kraftvorrat. Über die Leistung der belebten Motoren s. Arbeit (Bd. 1, S. 809 b). Während jedoch die Tiere nur zu monotonen Arbeiten wie zum Ziehen von Fuhrwerken, Pflügen u. dgl., sowie mittels Göpel und Tretwerken zur Hervorbringung einer gleichmäßigen Drehbewegung zu gebrauchen sind, besitzt der Mensch vermöge seines ausgebildetern Intellekts und seiner ungemein zweckmäßig gebauten Arme und Hände die Fähigkeit zur Vollbringung der kompliziertesten und kunstvollsten Arbeiten. Für große Kraftleistungen verstand er es frühzeitig, durch Erfindung von Werkzeugen, denen das Princip der sog. einfachen Maschinen zu Grunde liegt, seine Muskelkraft zu vergrößern. Schwere Arbeiten wurden im Altertum (und bei vielen Naturvölkern noch jetzt) von Sklaven oder Gefangenen verrichtet, wogegen heute die hochentwickelte Technik der civilisierten Völker es ermöglicht, in umfassendster Weise zu solchen Leistungen die Naturkräfte heranzuziehen. Dieselben werden der Industrie durch die Kraftmaschinen oder Motoren (s. d.) dienstbar gemacht und durch die verschiedenen Arten der Kraftübertragung (s. d.) auf die eigentlichen Arbeitsmaschinen übertragen, die ihrerseits nur eine geringe, wenig anstrengende «Bedienung» durch Menschenhand erfordern. Die Art und Weise, wie diese Naturkräfte ihre Arbeitsfähigkeit (Energie) an den Motor abgeben, ist mehr oder weniger direkt. Am unmittelbarsten geschieht die Abgabe der Wind- und Wasserkraft. Der Wind überträgt seine kinetische Energie direkt auf die Flügel oder Schaufeln der Windmotoren. Bei den Wassermotoren wird die kinetische Energie des fließenden oder die potentielle des von einer Druckhöhe herabsinkenden

^[Artikel, die man unter K vermißt, sind unter C aufzusuchen.]