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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Lübeck

die Stadt L. (s. unten) mit 29,7 qkm, die Stadt Travemünde (s. d.) und 5 Landbezirke (Ritzerauer, Mühlenthor-, Holstenthor-, Burgthor- und Travemünder Bezirk), aus 49 selbständigen Gemeinden bestehend, mit 247 qkm, sowie das Gebiet der Trave und des Dassower Sees (22 qkm) mit zusammen (1890) 76 485 E., darunter 74 544 Evangelische, 1143 Katholiken und 654 Israeliten, (1895) 83 324 (40 273 männl., 43 051 weibl.) E., d. i. 279 E. auf 1 qkm.

Lage, Bodengestaltung, Bewässerung. Das Gebiet bildet teils ein geschlossenes Ganzes zwischen der Ostsee, Preußen, Oldenburg und Mecklenburg (202,5 qkm), teils besteht es aus 9 einzelnen Enklaven in Lauenburg, Holstein, Oldenburg und Mecklenburg-Strelitz (96,2 qkm). Das geschlossene Gebiet ist eine nur im Süden leicht gewellte Ebene zu beiden Seiten der untern Trave (s. d.), die hier die Stecknitz sowie den Abfluß des Ratzeburger Sees, die Wakenitz, empfängt und unterhalb L. mehrfach zu Wieken, von denen das Pötenitzer Wiek und der Dassower See die größten sind, sich verbreitert. Die schiffbare Trave steht durch den Stecknitzkanal (s. d.) mit der Elbe in Verbindung. Über die Erweiterung desselben zu einem Elb-Trave-Kanal ist mit Preußen ein Staatsvertrag abgeschlossen (1894), und der Bau ist in Ausführung begriffen. Vom Gesamtflächenraum des Gebietes waren (1893) 17 728 ha Garten- und Ackerland, 2787 Wiesen, 700 Weiden, 4008 Waldungen, 494 Haus- und Hofräume, 53 Öde- und Unland, 4103 ha. Wegeland und Gewässer. Die Erntefläche betrug von Roggen 4659, Weizen 2111, Gerste 621, Kartoffeln 6756, Hafer 4876 und Wiesenheu 7233 ha, der Ernteertrag 3686 t Roggen, 953 Weizen, 377 Gerste, 874 Kartoffeln, 3559 Hafer und 2494 t Wiesenheu.

Am 1. Dez. 1892 wurden gezählt 3438 Pferde, 14 Esel, 8236 (1893: 7827) Stück Rindvieh, 4007 Schafe, 7605 (1893: 8167) Schweine, 1691 Ziegen und 1426 Bienenstöcke. Von den Forsten waren (1893) 2916 ha mit Laubholz bestanden, darunter 845 ha mit Eichen und 1092 ha mit Nadelholz. 2868 ha waren Staats-, 645 ha Privatforsten.

Verfassung und Verwaltung. Die Verfassung war ursprünglich rein aristokratisch, und die innern Kämpfe der Stadt bis zum 16. Jahrh. hatten ihren Anlaß fast ausnahmslos in dem Streben der Bürgerschaft, die Rechte des Senats einzuschränken und Anteil an der Verwaltung und Gesetzgebung zu gewinnen. Erst durch den Hauptrezeß vom 9. Jan. 1669, welcher dann 179 Jahre hindurch das gültige Grundgesetz des Staates war, gelang dies der Bürgerschaft; dem Senat blieben ausschließlich die Hoheits- und Jurisdiktionsrechte. Nach mehrjähriger Vorbereitung einigten sich Senat und Bürgerschaft 1848 zu einer Revision der Verfassung, welche 1851 abgeschlossen, 1875 aber erneuert wurde. Nach der Verfassungsurkunde vom 7. April 1875 bilden Senat und Bürgerschaft die beiden höchsten Staatskörper. Der Senat besteht aus 14 auf Lebenszeit gewählten Mitgliedern, nämlich 8 Gelehrten (mindestens 6 Rechtsgelehrte) und 6 Nichtgelehrten (mindestens 5 Kaufleute). Die Wahl geschieht durch Delegierte des Senats und der Bürgerschaft. Der Vorsitzende des Senats wird von diesem auf je zwei Jahre gewählt und führt während dieser Zeit den Titel Bürgermeister. Der Senat repräsentiert die Souveränität des Staates, ihm und der Stadt leisten die Bürger den Eid der Treue. Er ernennt und beeidigt die Richter sowie den größten Teil der Staatsbeamten, besitzt das Begnadigungsrecht in Kriminalsachen, führt die Aufsicht über die Verwaltung des Staatsvermögens und übt unter Mitwirkung der Bürgerschaft das Recht der Gesetzgebung. Die Bürgerschaft besteht aus 120 auf 6 Jahre gewählten Mitgliedern, welche die Gesamtheit aller Staatsangehörigen vertreten. Sie wählt aus ihrer Mitte einen aus 30 Personen bestehenden Ausschuß, welcher alle an die Bürgerschaft zu bringenden Anträge des Senats vorher begutachtet, auch in weniger wichtigen Angelegenheiten selbständig beschließt. Wähler und wählbar sind alle Bürger des lübeckischen Freistaates, welche in demselben ihren regelmäßigen Wohnsitz haben. Die meisten Verwaltungsbehörden des Staates bestehen aus Mitgliedern des Senats, die den Vorsitz führen, und sog. bürgerlichen Deputierten, die auf Vorschlag des Bürgerausschusses vom Senat gewählt werden. Der Staat ist souveränes Mitglied des Deutschen Reichs, hat eine Stimme im Bundesrat und sendet einen Abgeordneten (seit Juni 1893 Dr. Görtz, Freisinnige Vereinigung) in den Reichstag.

Bis 1879, wo das deutsche Gerichtsverfassungsgesetz in Kraft trat, war L. Sitz des Oberappellationsgerichts der ehemaligen vier Freien Städte (mit Frankfurt a. M.), jetzt bestehen ein Landgericht, zu dessen Bezirk das großherzoglich oldenb. Fürstentum L. mit den Amtsgerichten Ahrensböck, Eutin und Schwartau gehört, und ein Amtsgericht (beide in L.); die höhere Instanz bildet das Hanseatische Oberlandesgericht zu Hamburg. Die Militärhoheit ist durch Konvention vom 27. Juni 1867 an Preußen abgetreten; das Kontingent bildet das zum 9. preuß. Armeekorps gehörige 3. Bataillon des 2. hanseatischen Infanterieregiments Nr. 76.

Das Wappen ist der zweiköpfige Adler mit einem weiß und rot wagerecht geteilten Brustschild; die Landesfarben sind Weiß und Rot.

^[Abb.]

Finanzen. Die Abrechnung über das Rechnungsjahr 1895/96 ergab an Einnahmen 4 616 194 M., darunter 571 893 M. aus Domänen, 579 080 M. aus Reichszöllen und Reichssteuern, 1 812 278 M. aus Steuern, Abgaben und Gebühren, 595 437 M. aus Zinsen und Dividenden, 213 476 M. aus Schulen; an Ausgaben 4 616 194 M., darunter für Senat und Bürgerschaft 203 757 M., für Reich und Auswärtiges 603 350 M., Rechtspflege 228 985 M., Verwaltung 322 240 M., Polizei und Gefängniswesen 289 584 M., öffentliche Bauten und Lotsenwesen 568 660 M., Schulen 806 407 M. und Staatsschuld 730 280 M. Die Matrikularbeiträge betrugen (1894/95) 597 851 M., die Überweisungen 593 179 M. Die Staatsschuld belief sich (Ende 1895) auf