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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Säulenapostel - Säulenordnung
Über die galvanische oder Voltasche S.
s. Galvanismus; über die Behrenssche oder
trockne S. s. Zambonische Säule.
Säulenapostel, nach Gal. 2,9 die Apostel Pe-
trus, Johannes und Iakobus, der Bruder Jesu,
weil sie in der Ierusalerner Gemeinde als höchste
Autorität angeseben waren.
Säulen des Hercules, s. Herculessäulen.
Säulenelektroskope, s. Elektroskope.
Säulengang, soviel wie Kolonnade (s. 0.).
Säulengöpel, s. Göpel.
Säulenhalle, s. Porticus.
Säulenheilige, s. Styliten.
Säulenkaktus, s. OereuL.
Säulenmaschine, eine ältere Konstruktions-
form der Dampfmaschine (s. d., Bd. 4, S. 738 d).
Säulenordnung, ein System von architektoni-
schen Regeln, die sich auf Form und Verhältnisse der
Säulen beziehen; dann die stilistische Eigenart eines
durch die Form der Säule bestimmten architektoni-
schen Aufbaues. Als zur Zeit der Renaissance im
15. und 16. Jahrh, das Studium des klassischen
Altertums und seiner Denkmäler wieder lebhaft be-
trieben wurde, vermaßen und zeichneten die ital.
Architekten die Ruinen des röm. Altertums, um sie
als Vorbilder für ihre Bauten zu benutzen. Aus
dem, was sie fanden, konstruierten sie sich, im An-
schluß an die Angaben des altröm. Schriftstellers
Vitruv, ein System von Regeln, welches dann durch
Serlio und Vignola zu allgemeiner Geltung ge-
bracht, durch die Franzosen Vlondel weiter fortent-
wickelt und im 18. Jahrh, zur vollkommensten Durch-
bildung gebracht wurde. Erst Schinkel setzte an Stelle
der Lehre von der S. und ihrer festen Regeln das
individuelle Empfinden des Künstlers. Trotzdem hat
die Lehre ihren Einfluß noch nicht verloren, obgleich
genauere Untersuchungen der römischen und der den
Meistern der Renaissance noch nicht bekannten griech.
Bauwerke gezeigt haben, daß diese Regeln einseitig
sind, daß die antiken Baumeister in ihrer künstleri-
schen Thätigkeit sich mehr nach den lokalen Verhält-
nissen, nach dem Zweck des Bauwerkes und besonders
nach dem zur Verfügung stehenden Material als
nach allgemeinen strengen Rcgcln richteten. Diese
bieten aber dem noch nicht künstlerisch Ausgebildeten
und dem minder Feinfühligen vortrefflichen Anbalt
zur Bildung wohlgestalteter Säulen. Die Lehre
von der S. giebt sowobl über die Säule selbst, d. h.
über ihre Höhe, die Gestaltung ihres Fußes (Basis)
und Kapitals, ihre Schwellung und Einziehung
(Verjüngung nach oben in leickt geschwungener
Linie), den Abstand von der Nackbarläule, sondern
auch über ihren Sockel und ihr Gebälk (Gesims) Auf-
schluß , ja erstreckte sich später auch auf die Arkaden
(s. d.), welche in die Intcrkolumnien ls. d.) gestellt
wurden, sowie auf die der betreffenden Ordnung ent-
sprechenden Fenster, Thüren u. s. w. Sie bildeten
mithin die Grundformcln für das gefamte baukünst-
lerische Schaffen.
Die Architekten der Renaissance nahmen nach Vi-
truv sünf S. an: die toscanische, dorische, ionische,
korinthische und römische. Die Säulen und das
auf ihnen ruhende Gebälk wurden nach bestimmten
Maßverhältnissen aufgetragen. Die Einheit für
dieses Maßsystem ist der Model (s. d.).
Die echte dorische Ordnung (s. Tafel: Grie-
chisch e K u n st I, Fig. 1) wurde erst mit der Entdcckung
von Pästum und den Aufmessungen in Griechen-
land in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh, wieder
bekannt. Ihre Säule entbehrt des besondern Fußes,
hat einen in nach oben eingezogener Kurve (Enta-
sis) gebildeten Schaft mit 20 flachen Kannelü-
ren, d. h. aufsteigenden rinnenartigen Gliederun-
gen ohne Stege. Die Höbe der Säule beträgt 8-13,
in der besten Zeit 11 Model; das Kapital ist ge-
bildet durch einige den Süulenhals bildende leichte
Einschnitte, durch einen straff gezeichneten, weit aus-
ladenden Echinus und darübcrliegenden fchweren
Abacus, d. h. ein in Form eines Wulstes und ein
als Platte gebildetes Glied. Das Gebälk der dori-
schen S. besteht aus einem glatten von Sünle zu
Säule reichenden Steinbalken (Architrav), an
dessen oberm Rande eine Platte und in gewissen
Abständen kurze Reihen von Tropfen (ZuNak) sick
hinziehen. Diese deuten die Stelle an, wo die Tri-
glyphen, die Köpfe der nach innen zu gelegten
Steinbalken liegen, welche durch zwei ganze und
zwei halbe Einkerbungen (Schlitze, daher Drei-
fchlitz) geziert sind. Die Felder (Ditriglyphen)
zwischen den Triglyphen sind entweder leer oder
durch mit Reliefs geschmückte Steinplatten (Me-
topen) ausgesetzt. Das Gesims (Geison) besteht
aus einer weit ausladenden Platte, an deren unten
schräger Fläche Felder mit Tropfen (Dielen-
köpfen, inutuli) angebracht sind, während oben
ein Plättchen, manchmal noch ein Karnies für die
Dachrinne (Sima) angefügt ist. Schöne Vei-
fpiele der dorischen S. sind die Tempel zu Pästum
(s. Taf. I, Fig. 8), der sog. Theseustempel zu Athen,
der Parthenon zu Athen (s. d., Textsigur, Bd. 2,
S. 22) u. a. m.
Die toscanische Ordnung, eine von den Rö-
mern und den Baumeistern der Renaissance aus-
gebildete Vauform, ist eine Übertragung der dorischen
S. aus seiner Strenge und Starrheit ins Anmutige.
Die Säule wird schlanker gebildet, mit einer be-
sondern Basis (meist nur aus Rundstab und Plätt-
chen gebildet) versehen, sie wird selten kanneliert,
erhält einen Hals, ein feineres, minder weit aus-
ladendes Kapital. Am Gebälk werden die gegebenen
Formen mehr dekorativ verwendet, der Geison zu
einem reichen Kranzgesims ausgebildet.
Selbständiger ist die ionische Ordnung (s. Ta-
fel: Griechische Kunst I, Fig. 3; Römische
Kunst II, Fig. 3). Die Säule hat eine Basis, die
ans einer Plinthe und zwei durch eine Kehle getrenn-
ten Wülsten (attische Basis) oder nur aus Kehle
und Wulst besteht (ionische Basis), einen schlan-
kern Schaft von 17 bis 19 Model mit 2-1 durch Stege
getrennten starken Kannelüren. Das Kapital wird
durch einen mehr oder minder entwickelten Hals.
darüber einen Eierstab und endlich ein eigen-
artiges, seinem Ursprünge nach noch nickt ganz
sicher erklärtes Gebilde, welches seitlich in zwei
Schnecken (Voluten, Konvoluten) endet, be-
krönt. Der Architrav ist meist in drei Platten geteilt,
mit einem Eierstab nach oben abgeschlossen, der
Fries glatt oder mit fortlaufenden Reliefs verseben,
das Geison durch Eierstab und Zahnschnitte gestützt
und von verzierter Sima bekrönt. Die Ordnung,
deren Hauptbeispiele der Artemistempel zu Ephesuo,
der Athenetempel zu Priene, der Nikctcmpel, das
Ercchthcion und der Tempel am Ilissos zu Atben sind,
zeichnet sich durch leichte Grazie und Anmut aus.
Die Renaissancekunst bildete die Voluten der ioni-
schen S. bescheidener aus.
Die korinthische S. (s. Tafel: Griechische
Kunst I, Fig. 2) zeigt ein dem ionischen ähnliches