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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Schädliche Insekten - Schadow
die Deutsche Civilprozeßordnung Abhilfe geschaffen.
Nicht nur, daß sie nach §. 259 im allgemeinen den
Grundsatz der freien Veweiswürdigung aufgestellt
hat, sie bat in §. 260 für Sckadenansprüche ins-
besondere bestimmt, daß der Richter über die Fragen,
ob ein Schaden entstanden sei und wie boch der
Schaden sich belaufe, unter Würdigung aller Um-
stände nach freier Überzeugung zu entscheiden habe,
daß es in seinem Ermessen stehe, ob und wieweit
eine von den Parteien beantragte Beweisaufnahme
oder von Amts wegen eine Begutachtung durch
Sachverständige anzuordnen sei, und daß er den
Beweisführer zur eidlichen Schätzung des Schadens
anhalten könne, unter Bestimmung des zulässigen
Höchstbetrages der Schätzung, während die Vor-
schriften über den partikularrechtlichen Schätzungs-
oder Würderungseid aufgehoben sind. übrigens
ist ein Beschädigter in gewissen vom Deutschen Straf-
gesetzbuch (§§. 181, 231,340) und den Reichsgesetzen
über das Urheberrecht und den Markenschutz vor-
gesehenen Fällen berechtigt, auch im Strafprozesse
die Zuerkennung einer bestimmten Buhe (s. d.) zu
verlangen, zu diesem Zwecke der erhobenen öffent-
lichen Klage sich als Nebenkläger anzuschließen oder
eine Privatklage zu erheben und die zugesprochene
Buße im Wege derZwangsvollstreckung beizutreiben
(Strafprozeßordn. §§. 443-446, 495).
Schädliche Insekten, s. Forstinsekten und In-
sekten (Bd. 9, S. 626 fg.).
Schädlicher Raum, bei Dampfmaschinen der
Raum, der zwischen dem Kolben und den Dampf-
abschlußorganen (Schiebern und Ventilen) bleibt,
wenn der Kolben im toten Punkt steht. Je kleiner
der S. R. durch zweckmäßige Gestaltung der Steue-
rungsteile und Dampfkanäle gemacht wird, desto
geringer ist der durch ihn bedingte Arbeitsverlust.
- üder S.R. bei der Luftpumpe s. d.
Schadlosbürge, s. ^iä^usFor.
Schadow, Joh. Gottfr., Bildhauer, geb. 20. Mai
1764 zu Berlin, lernte als Lehrling und Gehilfe des
im Geiste Houdons arbeitenden Tassaert sich in sein
Fach ein, verließ jedoch plötzlich Berlin mit seiner
Geliebten und verheiratete sich in seinem 21. Jahre
mit derselben in Trieft. Von dort wandte sich S.
nach Italien. Unermüdet fleißig, arbeitete er 1785
-87 anfangs in der Werkstatt Trippels, dann in
den Museen des Vatikans und Kapitols, gewann in
Rom den Preis im ^oncorLo äi Laleätra durch eine
Befreiung der Andromeda (1786) und erhielt 1788
auf Grund seines Entwurfs zu einem Denkmal Fried-
richs d. Gr. die durch den Tod Tassaerts erledigte
Stelle in Berlin. Sein erstes großes Werk in Deutsch-
land war das dem Grafen von der Mark, einem
natürlichen Sohne Friedrich Wilhelms II., 1790 er-
richtete Grabdenkmal in der Dorotheenkirche zn
Berlin. In dcr Zeit von 1791 bis 1792 war er nach
Kopenhagen, Stockholm und Petersburg geschickt
worden, um Studien über die Technik des Vronze-
gusses zumachen; jedoch wurde die 1789-94entstan-
dene, für den Erzguß bestimmte Quadriga auf dem
Brandenburger Thor zu Berlin durch den Kupfer-
schmied Iurv in Kupfer getrieben. Das geplante
Denkmal Friedrichs d. Gr. in Berlin unterblieb, das
1794 in Stettin aufgestellte Marmorstandbild des-
selben gehört zu S.s geringern Arbeiten. Seine
besten Leistungen aber wurden die Marmorstand-
bilder des Generals von Zieten (1794) und des
Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau (1800) für den
Wilhelmsplatz in Berlin, jetzt in die Kadettenanstalt
von Lichterfelde übergeführt und am Wilhelmsplatz
durch Bronzekopien ersetzt. Sie stellen zum erstenmal
die Gestalten im Zeitkostüm dar und zwar in einer
Wahrheit und Lebendigkeit, daß sie zu den besten
Arbeiten der neuern Kunst gezählt werden müssen.
Dieselbe Realität findet sich auch m der vorzüglichen
Gruppe der beiden mecklenburgischen Prinzessinnen
Luise und Friederike, den nachmaligen Königinnen
von Preußen und Hannover, erst für Porzellan
modelliert, dann lebensgroß in Marmor ausgeführt
(Schloß zu Berlin), und in dem liegenden nackten
Akt Nymphe Salmakis (Nationalgalerie in Ber-
lin). Dagegen mußte S. auf Wunsch Goethes sich
fügen, die Blücherstatue in Rostock in antikem Ge-
wände herzustellen (1819), während er in der in
halber Lebensgroße modellierten Vronzestatue Fried-
richs d. Gr. mit den zwei Windspielen in Sanssouci
wie in dem Standbild Luthers zu Wittenberg (1821)
zum Zeitkostüm zurückkehren konnte. Außerdem mo-
dellierte er noch viele vortreffliche Büsten berühmter
Männer, darunter die Goethes (1816; National-
galerie in Berlin) und die für das königl. Schauspiel-
haus verwendeten Büsten von Lessing, Händel und
Bach, Reliefs um das Münzgebäude und in den
Sälen des Schlosses zu Berlin, sowie verschiedene
originelle Statuetten. Seit 1805 war er Rektor,
seit 1816 Direktor der Akademie der Künste zu Ber-
lin, der er bis an seinen Tod, 28. Jan. 1850, vor-
stand. Er wurde der Begründer der modernen Bild-
hauerschule Berlins. Unter seinen Schriften sind
hervorzuheben: "Wittenbergs Denkmäler der Bild-
nerei, Baukunst und Malerei" (Wittenb. 1825), "Po-
lyklet, oder von den Maßen des Menschen nach dem
Geschlecht und Alter" (Berl. 1834; 5. Aufl. 1886),
"Nationalphysiognomien, oder Beobachtungen über
den Unterschied der Gesichtszüge und die äußere
Gestaltung des menschlichen Kopfes" (ebd. 1835;
2. Aufl. 1867), "Kunstwerke und Kunstansichten"
(ebd. 1849). Aus seinem Nachlasse veröffentlichte
Friedländer: "Gottfried S.s Aufsätze und Briefe"
(Düsseld. 1864; 2. Aufl., Stuttg. 1890).
Sein ältester Sohn, Rudolf S., geb. 9. Juli
1786 in Rom, bildete sich unter der Leitung des
Vaters, dann seit 1810 unter Thorwalosen und
Canova aus. Nächst mehrern Basreliefs, Büsten
u.s. w. fanden besonders seine Marmorstatuen einer
Sandalenbinderin (1817; Glyptothek in München)
und einer Spinnerin großen Beifall. Außerdem
modellierte er ein Mädchen mit einer Taube, eine
Tänzerin, einen Diskuswerfer und einen kolossalen
Achilleus mit der Penthesilea (von Emil Wolff voll-
endet). Seine Werke sind zum größten Teil nach
England gelangt. Er starb 31. Jan. 1822 in Rom.
Schadow, Wilhelm von, Historien- und Por-
trätmaler, geb. 6. Sept. 1789 zu Berlin, der zweite
Sohn des vorigen, wurde zunächst durch seinen Vater
und Fr. G. Weitsch gebildet und ging 1810 mit
seinem Bruder Rudolf nach Rom, wo er sich den
sog. "Nazarcncrn" anschloß und 1814 zum Katholi-
cismus übertrat. Bei seiner Rückkunft nach Berlin
(1819) wurde er zum Professor der Akademie er-
nannt. Von seinen Gemälden jener Zeit ist eine
Anbetung der Könige für die Garnisonkirche zu
Potsdam (1824) hervorzuheben. 1826 wurde er
Direktor der Kunstakademie zu Düsseldorf; es folg-
ten ihm dorthin alle seine Berliner Schüler, darunter
I. Hübner, Th. Hildebrandt, C. Sohn und Lessing.
Zu S.s Leistungen in Düsseldorf gehören Christus
unter den Pharisäern (1327; Dom zu Naumburg),