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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Schwarzburg-Sondershausen
Wahlberechtigung und Wählbarkeit ist das 25. Le-
bcnsjabr erforderlich. S. sendet zum Bundesrat
einen Bevollmächtigten und zum Reichstag einen
Abgeordneten (1895: Lüttich, freisinnige Vereini-
gung). 1868 wurde die Staatsverwaltung neu orga-
nisiert', die Landeskollegien der Negierung, des Fi-
nanzkollegiums und des Konsistoriums wurden auf-
gehoben und die Geschäfte desselben dem Ministe-
rium als oberster Regierungsbehörde übertragen.
Für die kirchlichen Angelegenheiten besteht seit 1881
im Ministerium ein besonderes Kollegium mit der
Bezeichnung Kirchenrat. In Nudolstadt bestebt ein
gemeinschaftliches Landgericht für das Fürstentum
S., den Meininger Kreis Saalfeld und den preuß.
Kreis Ziegcnrück; dasselbe untersteht dem gemein-
schaftlichen Oberlandesgcricht zu Jena (s. d.). Zufolge
einer mit Preußen geschlossenen Konvention wer-
den seit 1868 die zu Zuchthausstrafen verurteilten
männlichen Personen in Halle, die weiblichen in
Delitzsch untergebracht. Die Geisteskranken werden
nach einer mit Sachsen-Meiningen 1869 getroffenen
Vereinbarung in die Heilanstalt zu Hildburghauseu
aufgenommen. Die Einnahmen und Ausgaben be-
trugen (nach dem Etat 1894-96) 2 757 700 M.;
unter erstern sind 1149997 M. vom Domanial-
und Staatsgut, 179000 M. Grund- und Gebäude-
steuer, 368000 M. andere direkte Steuern und
617500 M. Überweisungen vom Reich, unter letztern
710 700 M. fürNeichszwecke, 242 350 M. für Kirchen
und Schulen,261250M.fürVauwesen. Die Staats-
schuld beträgt 3 907 088, das Vermögen 1186 300 M.
Unter den Lehranstalten sind bervorzubeben:
ein Gymnasium und ein Schullchrerseminar in Ru-
dolstadt und die berühmte Privaterziebungsanstalt
Keilhau bei Nudolstadt. In Rudolstadt befindet sich
die fürstl. öffentliche Landesbibliotbek (64000 Bände)
uud ein Naturalienkabinett. An Truppen stellt das
Fürstentum das 3. (Füsilier-)Bataillon des zur
8. Division (4. Armeekorps) gehörigen 7. tbüring.
Infanterieregiments Nr. 96,
dessen 1. und 2. Bataillon von
Sachsen-Altenburg und den
beiden Reuß gestellt werden.
Gemeinsam mit Schwarzburg-
Sondcrshausen ist das 20.Mai
1853 gestiftete Schwarzburgi-
sche Eh reu kreuz.
Das kleine Wappen zeigt
den deutschen Reichsadler in
Gold, das größere entbält die
Zeichen der Landesteile, das
kleine Wappen und einen gol-
denen Löwen in Blau. Lan-
desfarben sind Weiß und Blau.
Geschichte. Dem Grafen Albert VII., Stifterder
rudolstädtischen Linie (s. Schwarzburg), der bei der
Teilung ein Dritteil der untern und zwei Drittcilc
der obern GraWaft Echwarzburg erdaltcn batte,
folgten 1605 seine Söhne Karl Güntber (gest. 1630)
und Ludwig Günther I. (gest. 1646), der seinen
Sohn Albert Anton (gest. 1710) zum Nachfolger
hatte. Dessen Sohn Ludwig Friedrich I. (gest. 1718)
veröffentlichte 1711 die dem Vater kurz vor seinem
Tode erteilte Fürstcnwürde, nicht obne beftigen
Widerspruch Kursachsens. Erst unter seinem Sohn
und Nachfolger Friedrich Anton (gest. 1744) wurden
diese Streitigkeiten durch den Rezeß von 1719 bei-
gelegt, desgleichen 1738 die Irrungen mit Kur-
draunschweig, so daß endlich 30. Mai 1754 der Fürst
Iobann Friedrich seinen Sitz im Fürstenkollegium
zu Negensburg nehmen konnte. Als letzterer 1767
kinderlos starb, ging die Negierung auf dessen
Vatersbruder Ludwig Günther II. über, dem 1790
sein Sobn Friedrich Karl und diesem 1793 dessen
Eobn Ludwig Friedrich II. folgte. Letzterer, ein auf-
geklärter Fürst, war bemüht, das Wohl und die Bil-
dung seines Landes zu fördern, wurde aber darin
durck die Zeitverhültnisse vielfach gehemmt. Er trat
18. April 1807 dem Rheinbunde bei, starb aber
schon 28. April und hinterließ das Land seinem un-
mündigen Sobne Friedrich Günther, für den die
Mutter Karoline Luise, geborene Prinzessin von
Hessen-Homburg (gest. 20. Juni 1854), als Ober-
vormündcrin bis 1814 die Regierung führte. Nach-
dem Friedrich Günther 1815 Mitglied des Deut--
schen Bundes geworden war, wurden 1816 die
Lebnsverbältnisse mit Preußen, an das alle Nechte
der Krone Sachsen über das schwarzb. Haus über-
gegangen waren, dann 1823 mit Sachsen-Gotha,
1825 mit Sachsen-Coburg durch Abtretungen und
Austauschungen von Gebietsteilen geordnet und
aufgehoben. Am 2. Jan. 1816 verlieh der Fürst dem
Lande eine Verfassung, wonach eine aus 18 Mit-
gliedern bestehende, in gleicher Zahl aus dem Adel,
dem Bürger- und Bauernstände durch Wahl hervor-
gehende Versammlung von sechs zu sechs Jahren das
Wobl des Landes beraten sollte. Doch verzögerte
sich die wirkliche Berufung bis 1821. Im I. 184"
ward auch S. in die Bewegung heftig hineingerissen,
welche ein neues erweitertes Wahlgesetz, desgleichen
eine mit den übrigen thüring. Staaten getroffene
Vereinbarung bezüglich einer Gemeindeordnung,
einer Gerichtsorganisation (mit Geschworenengericht)
zur Folge hatte. Die neue Verfassung kam jedoch
erst 1854 zu stände und wurde 21. März vom
Fürsten vollzogen. Durch Gesetz vom 8. April 1864
erbielt das Land eine auf dem Princip der Gewerbe-
freidcit beruhende Gewerbeordnung, und ein Gesetz
vom 1. Okt. desselben Jahres führte das Allgemeine
Deutsche Handelsgesetzbuch ein. Nachdem die Re-
gierung bei dem Bundesbeschluß vom 14. Juni
1666 gegen den österr. Antrag auf Mobilmachung
gestimmt hatte, trat sie 29. Juni aus dem Deut-
scheu Bunde und erklärte sich für Preußen und den
Norddeutscken Bund. Fürst Günther starb 28. Juni
1867, und es folgte ihm in der Regierung sein Bruder
Fürst Albert. Am 1. Juli 1867 trat die Norddeutsche
Bundesverfassung ius Leben, die mehrfache Umge-
staltungen der innern und polit. Verhältnisse des
Fürstentums mit sich führte. Am 26. Nov. 1869 starb
Fürst Albert und ihm folgte sein Sohn Georg Al-
bert, nacb dessen Tode, 19. Jan. 1890, sein Vetter
Güntber (s. d.) die Regierung übernahm.
Vgl. Sigismund, Landeskunde des Fürstentums
S. (2 Bde., Rudolst. 1862 - 63) und die Litteratur
zu Schwarzburg.
Schwarzburg-Sondershaufen, ein zum
Deutschen Reich gehöriges Fürstentum in Thüringen,
dem Flächeninhalt nach der 20., der Einwohnerzahl
nach der 22. Bundesstaat, hat 862,i Hkm Flächen-
raum und besteht aus zwei getrennten Teilen, der
Oberherrschaft (342,8 hkm) am Thüringer Wald mit
Arnstadt (s. d.), der bedeutendsten Stadt des Landes,
und der von der preuß. Provinz Sachsen umschlosse-
nen Unterherrschaft (519,3 hkin) mit der Residenz
Sondcrsbausen (s. d.). Die Oberherrschaft ist Hügel-
land, im südl. Teile vom Thüringer Wald (Rehberg
875 m) durchzogen; in der Ilntcrherrschaft liegt der