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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Spinnerei

lager derart verbunden, daß die Spindel sich darin wie in einer einzigen Hülse hält; auch ist nur eine Spindelbank (statt der sonst üblichen zwei) zur Unterstützung derselben erforderlich. A ist die aus Stahl hergestellte Spindel, B eine fest auf diese getriebene gußeiserne Hülse, an deren unterm Ende der Wirtel C angegossen ist, D das bei E mit einer Büchse versehene gußeiserne, Pfanne und Halslager in sich vereinigende Spindellager; die Höhlung H dient als Ölkammer; der Haken J hindert das Herausziehen der Spindeln beim Abnehmen der Spulen. Der auf der Glocke festsitzende Becher F hat einerseits die Aufgabe, die Spule G in der richtigen Lage zu erhalten, ein Schlagen und Unrundlaufen derselben zu verhindern und für ihre Mitnahme durch die Spindel mehr Sicherheit zu gewähren; andererseits hat F den Zweck, beim Auswechseln das Abnehmen der leeren bez. das Ansetzen der gefüllten Spulen zu erleichtern, indem die Umwicklung des Fadens um die leere Spule, welche früher, wie bei den Flyers, von der Hand geschehen mußte, durch dasselbe entbehrlich gemacht wird. Die Vorteile der Ringspindel gegenüber der Flügelspindel bestehen darin, daß sie schneller laufen kann (sie kann ebenso rasch laufen wie die Mulespindel), und darin, daß sie den Faden weniger beansprucht; man kann also auf ihr weicheres Garn erzielen, aber nicht so glatt; auch der Kraftbedarf ist, da der Flügelwiderstand wegfällt, etwas geringer. Die Vorteile der Ringspinnmaschine gegenüber der Mulespinnmaschine sind die, daß sie außerordentlich einfacher in ihren Bewegungsmechanismen ist und weniger geschickte Arbeiter verlangt, daß sie einen geringern Raumbedarf hat, und daß sie leistungsfähiger ist, da sie unausgesetzt, nicht absetzend wie die Mule, spinnt; zudem sind die neuern Ringspindeln in ihrer Bauart so verändert, daß sie leichter in Öl zu halten sind. Der Mulespinnmaschine gegenüber hat die Ringspinnmaschine aber auch die Nachteile, daß auf ihr so weiche und feine Garne wie auf ersterer nicht hergestellt werden können, da der Faden die Fliege nachschleppen muß und man mithin immer mindestens einen bessern Spinnrohstoff verwenden muß. Die Holz- oder dickern Papierspulen verteuern die Unterhaltung der Maschine und erhöhen das Gewicht eines Abzuges bedeutend; ein Dämpfen der Garne ist wegen der Holzspulen oder Papierhülsen ebenfalls kostspielig. Die Fadenspannung läßt sich bei der Ringspindel leicht durch Anwendung verschieden schwerer Fliegen regeln; bei groben Garnnummern nimmt man schwerere, bei feinern Garnnummern leichtere.

Die Taf. II, Fig. 9 zeigt den auf dem Princip der Mulemaschine beruhenden Selfactor, die vollkommenste aller Spinnmaschinen. So mannigfache Verschiedenheiten die als Selfactor zu bezeichnenden Konstruktionen aufweisen, so ist doch der Grundgedanke bei allen der oben auseinander gesetzte. Es wird zuerst ein Fadenstück von bestimmter Länge (etwa 1,5 m) gebildet, worauf die Fadenbildung aufhört und die Aufwicklung erfolgt, und zwar nicht auf Spulen, sondern auf stählerne Spindeln von der aus beistehender Fig. 7 ersichtlichen Form. Dieselben (oft bis 1200) sind mit ihrem Bewegungsmechanismus auf einem Wagen angebracht, und in demselben Verhältnis, in welchem das Streckwerk den Faden liefert, wird dieser durch den Umlauf der Spindeln gedreht und durch das Ausfahren des Wagens in gespanntem Zustande erhalten. Sobald der Wagen am Ende seiner Bahn angelangt ist, bleibt das Streckwerk stehen und die Fadenlieferung hört auf; alsdann muß der von der eigentlichen Aufwicklungsstelle bis zur Spitze der Spindel gelangte Faden wie bei der Handspindel abgeschlagen werden, zu welchem Zwecke die Spindeln einige Drehungen in entgegengesetzter Richtung machen. Hierauf erfolgt die Aufwicklung auf die Spindeln, wobei der Wagen sich wieder nach dem Streckwerk hin bewegt. In vorstehender Fig. 8, welche den Wagen des Selfactors darstellt, sind diese Vorgänge schematisch veranschaulicht. Die drei Paar Streckwalzen W ziehen das von den Spulen der Vorspinnmaschine kommende Band bis zur erforderlichen Feinheit aus. C ist der die Spindeln S tragende Wagen, b und a sind der Auf- und Gegenwinder, von denen der Gegenwinder a die Fäden immer in der nötigen Spannung hält, während der Aufwinder b den Faden derartig führt, daß sich derselbe in Form des sog. Kötzers oder der Bobine S (in Fig. 7 vergrößert) aufwindet. Die Fig. 8 zeigt die Lage der einzelnen Teile in dem Moment, wo die Aufwicklungsperiode beginnt. Da beim Selfactor der Faden keine erhebliche Beanspruchung erleidet, so können mittels desselben die feinsten Garnnummern gesponnen werden.

^[Fig. 7]

^[Fig. 8]

In dem gleichen Grade, in welchem alle hier beschriebenen Maschinen im Laufe der Jahre vervollkommnet worden sind, ist naturgemäß das Handspinnen und damit das Spinnrad verdrängt worden, so daß heute wohl kaum noch ein nennenswertes Quantum Baumwollgarn durch Handarbeit hergestellt wird. Zur Bestimmung der Feinheitsnummern ist noch jetzt für Baumwollgarne am meisten das engl. System in Gebrauch, nach welchem die Nummer irgend einer Sorte die Anzahl von Schnellern oder Strähnen (840 Yards Fadenlänge) bezeichnet, die in einem engl. Pfund enthalten ist. Außerdem bedient man sich des franz. Systems mit den Einheiten 500 m und 500 g, sowie des sog. internationalen mit den Einheiten 1000 m und 1000 g.

Als ein besonderer Zweig der Baumwollspinnerei hat sich die Barchent- oder Zweicylinder- oder Abfall-Spinnerei ausgebildet. Sie ist bestimmt, starke Garne (von Nr. 1 bis 8 englisch) herzustellen, und es wird je nach den an die Gespinste gestellten Anforderungen entweder reine Bengal-Baumwolle hierzu verwendet oder auch verschiedene bessere und geringere Baumwollabfälle zusammengemischt. Bei dieser Art der S. kommen die Arbeiten des Streckens und Flyerns ganz in Wegfall. Das Fertigspinnen kann auf zweierlei Weise vor sich gehen, entweder nach Art der weiter unten erläuterten Streichgarnspinnerei (sog. Zweicylindersystem) oder durch Selfactors mit drei Streckwalzenpaaren mit besonders schwachen Streckwalzen.