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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Spiritusfabrikation

ein wirksames Mittel zur Aufrechterhaltung eines regelmäßig guten Betriebes angesehen. In neuester Zeit ist das Flußsäureverfahren dahin abgeändert worden, daß die zur Verwendung kommende Anstellhefe (Reinhefe) durch Züchtung in allmählich steigenden Flußsäuremengen an diese angepaßt, acclimatisiert wird; es gelingt dadurch auch mit Zusatz von Flußsäure zum Hefengut zu arbeiten und den bisher üblichen Säuerungsprozeß zu umgehen. - Bei beendeter Gärung, in Deutschland nach 72 Stunden, ist die Maische nur noch in geringer Bewegung, es entweichen nur noch wenig Kohlensäurebläschen aus derselben; es ist aber Erfordernis für einen guten Verlauf der Gärung, daß die Maische bis zum Schluß in Thätigkeit bleibt, sie darf nicht "tot" aussehen und muß auch noch eine frische helle Farbe behalten. Als Maßstab für den Grad der Gärung gilt die sog. Vergärung, d. h. die Saccharometeranzeige in der vergorenen Maische. Je besser die Gärung verlaufen ist, um so geringer ist die Saccharometeranzeige; gut vergorene Kartoffelmaische zeigt 0,5-1,5°, während bei Maismaischen 0° und darunter auftreten. Die Saccharometeranzeige giebt nur die scheinbare Vergärung an, da durch den während der Gärung gebildeten Alkoholgehalt das spec. Gewicht der Maische vermindert wird. Im Gegensatz zur scheinbaren Vergärung steht der wahre Vergärungsgrad, d. h. die aus der von Alkohol befreiten Maische gewonnene Saccharometeranzeige. Die wirkliche Vergärung ist immer je nach dem Alkoholgehalt, der in der reifen Maische enthalten war, um einige Grade höher als die scheinbare Vergärung. In der Praxis wird der Verlauf der Gärung nur nach der scheinbaren Vergärung beurteilt. Der durch die wirkliche Vergärung angegebene, oft hohe Extraktgehalt ist nicht immer ein Zeichen schlechter Arbeit, da er ja durch die in der Maische immer enthaltenen nicht vergärungsfähigen Substanzen (Extraktivstoffe, stickstoffhaltige Körper, Salze) hervorgerufen wird.

Aus der vergorenen oder reifen Maische wird der Alkohol durch Destillation (s. d.) gewonnen. In kleinern Betrieben, namentlich in den kleinen Korn- und Obstbrennereien, findet die Destillation nur auf einfachen, oft noch mit direkter Feuerung versehenen Destillierapparaten statt. Dieselben bestehen aus einer einfachen kupfernen Blase mit darauf gesetztem Helm, von dem aus die entwickelten Alkoholdämpfe in einen Kühler geleitet werden, worin sie verdichtet werden. Das so gewonnene Produkt ist sehr alkoholarm und fuselreich und muß einer nochmaligen Destillation unterworfen werden, um hochgradiger und auch reiner zu werden. Diese Brennereien heißen auch Lutterbrennereien, das zuerst gewonnene Destillat Lutter, die erste Destillation das Luttern, die zweite das Wienen. Die in den mittlern und größern Betrieben gebräuchlichen Destillierapparate geben gleich bei der ersten Destillation ein hochprozentiges Produkt von 85 bis 95 Volumproz. Alkohol. Diese Apparate, bei denen eine mehrmalige Destillation (Rektifikation) stattfindet, arbeiten entweder periodisch oder kontinuierlich. Bei den periodischen Destillierapparaten wird immer nur ein abgemessener Teil der Maische der Destillation unterworfen, wogegen bei den kontinuierlichen Apparaten während der Destillation fortwährend neue Maische dem Apparat zugeführt wird, während gleichzeitig die entgeistete Maische, Schlempe, anhaltend aus dem Apparat abgeführt wird. Die periodischen Apparate sind sämtlich Blasenapparate, d. h. sie bestehen in ihren Hauptteilen aus zwei über- oder nebeneinander angeordneten blasenartigen Gefäßen zur Aufnahme der Maische. Die Ausbildung der Blasenapparate ist hauptsächlich durch Pistorius erfolgt, weshalb dieselben auch jetzt noch meist als Pistoriussche Apparate (oder Becken) bezeichnet werden. Ein solcher Apparat (s. Taf. II, Fig. 3) besteht aus zwei übereinander gestellten, durch einen kupfernen Boden getrennten Blasen A und C. In der untern Blase A befindet sich von der vorhergehenden Destillation her teilweise entgeistete Maische, während C mit frischer, aus dem Vorwärmer G durch b zugelassener Maische befüllt ist. In A wird durch d mittels des am Boden von A liegenden, mit Löchern versehenen Rohres Dampf eingeleitet; die aus A entwickelten Alkohol- und Wasserdämpfe treten durch das Bockrohr B in die in C befindliche Maische und bringen diese zum Sieden, die hierdurch aus C entwickelten Dämpfe treten durch D aus, stoßen hier auf die über D gestülpte Kappe E und müssen zwischen D und E durchgehen, um an der Unterkante von E in den Raum F, den Rektifikator, eintreten zu können. In F stoßen die Dämpfe an den untern Boden des Vorwärmers G. Dieser ist mit kalter Maische gefüllt. Die Dämpfe werden daher zunächst verdichtet und schlagen sich auf dem Boden von F nieder, so daß sich in F bald eine Flüssigkeitsschicht, aus verdünntem Branntwein bestehend, ansammelt, welche die Kappe E absperrt. Die jetzt im weitern Verlauf der Destillation aus C entwickelten Dämpfe müssen nun die auf dem Boden von F angesammelte Flüssigkeitsschicht durchströmen, wodurch ein fortwährendes Auskochen dieser Flüssigkeit, eine Rektifikation, stattfindet. Die hierbei entstehenden alkoholreichern Dämpfe treten durch H1, H2 und H, indem sie unterwegs einen Teil der Wärme an die im Vorwärmer G befindliche Maische abgeben und durch teilweise Verdichtung verstärkt werden, in die beckenförmigen Dephlegmatoren I1 und I2 über. Diese sind innen mit einer Scheidewand versehen, welche die Alkoholdämpfe umströmen müssen, und werden an den obern Böden durch Wasser, welches ihnen durch e1 und e2 zugeführt und durch f1 und f2 abgeführt wird, gekühlt. Es findet daher auch hier eine fortwährende Verdichtung statt, während die niedergeschlagenen Verdichtungsprodukte durch die frisch zuströmenden Dämpfe immer von neuem aufgekocht werden (Dephlegmation). Die hierbei entstehenden alkoholstarken Dämpfe entweichen durch K, um von hier in einen Kühler geleitet und verdichtet zu werden, während die niedergeschlagene, alkoholarme Flüssigkeit (Lutter) von I2 durch g1 nach I1 und von hier durch g2 nach F geleitet wird, um hier von neuem ausgekocht zu werden. Nach Beendigung der Destillation, was man an der nachlassenden Alkoholstärke des Produkts wahrnimmt, wird zunächst durch Öffnen des Hahnes L die in der untern Blase A jetzt vorhandene entgeistete Maische als Schlempe in den Schlempebehälter abgelassen, hierauf wird durch m eine das Rohr a verschließende Drosselklappe geöffnet, so daß die in C befindliche, jetzt teilweise entgeistete Maische nach A übertreten kann; durch Hebung des Ventils c tritt aus dem Vorwärmer G die vorgewärmte frische Maische in C über, und durch o wird aus einem Maischebehälter der Vorwärmer neu befüllt. Das in dem Rektifikator angesammelte Lutterwasser wird durch K abgelassen. Hierauf beginnt die Operation von neuem.