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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Wien (Geschichte. Litteratur)

groß) seit 1570 Eigentum des kaiserl. Hofs ist und 1776 von Kaiser Joseph II. freigegeben wurde. Er teilt sich in den sog. Nobelprater, in dem auf der Hauptallee die großen Korsofahrten (meist im Mai) stattfinden, und in den Volks- (oder Wurstl-)Prater mit Volksbelustigungen aller Art. Von den Gebäuden der Weltausstellung (1873) ist der großartige Eisenbau der Rotunde (s. Tafel: Ausstellungsgebäude I, Fig. 3) erhalten geblieben. Im Prater befinden sich ferner das Vivarium, die Anlagen am Konstantinshügel (1873), der neue Tiergarten und der Englische Garten; im östl. Teile der sog. Freudenau die große Rennbahn des Österreichischen Jockeyklubs und bei der Rotunde eine große Trabrennbahn. Der zweite große Park in der Leopoldstadt ist der k. k. Augarten, ein 33 ha großer Park im franz. Geschmack, von Kaiser Joseph II. 1775 "allen Menschen gewidmeter Erlustigungsort von ihrem Schätzer": nördlich stößt an denselben die jetzt zum größten Teil bebaute Brigittenau. Ebenso reich an öffentlichen Gärten ist der Bezirk Landstraße, der den großen Belvederegarten (12,5 ha), im franz. Stil mit Bassins und Standbildern, den schönen fürstl. Schwarzenbergschen Park und den Botanischen Garten enthält. Weiter sind noch zu nennen: der ehemalige Esterházygarten im Bezirk Mariahilf, der fürstl. Liechtensteinsche Garten am Alsergrund, der neu angelegte Türkenschanzpark in Währing und die prachtvollen Gärten und Anlagen in Döbling, Heiligenstadt und Hohe Warte, wo sich die berühmten Gartenlagen des Freiherrn von Rothschild befinden. Einen großartigen, bis in das Gebirge sich ausdehnenden Naturpark besitzt Fürst Schwarzenberg in Dornbach und Neuwaldegg, der schönste Park der Stadt ist jedoch der Park von Schönbrunn (s. d.).

W. besitzt eine besonders schöne landschaftliche Umgebung mit zahlreichen Sommerfrischen. Zu nennen sind insbesondere die kaiserl. Lustschlösser Hetzendorf und Laxenburg (s. d.). In jüngster Zeit ist ein neues kaiserl. Lustschloß im kaiserl. Tiergarten nahe am Lainzer Thor erbaut. Reizende Waldpartien enthalten Dornbach, Neuwaldegg mit dem fürstl. Schwarzenbergschen Park und der Kahlenberg (s. d.). 15 km südwestlich von W. liegt das romantische Thal der Brühl und 20 km entfernt die Stadt Baden (s. d.) in schöner Gegend. Auch der Wiener Wald bietet mit seinen Höhen und Thälern unerschöpfliche Naturgenüsse. Die reizenden Ortschaften am Fuß der Gebirge dienen den wohlhabenden Wienern zum Sommeraufenthalt.

Geschichte. W. ist aus dem Standlager Vindobona hervorgegangen, welches die Römer zur Beherrschung der Donau und Abwehr feindlicher Einfälle hier an der nördl. Grenze des Reichs aufgeschlagen hatten. Zahlreiche Römerdenkmale sprechen dafür. Die Geschichte W.s hat ihre Hauptbedeutung nach den Beziehungen der Stadt als strategisch wichtiger Punkt, als Vormauer gegen die Osmanen, als Handels- und Residenzstadt. Mit dem 5. Jahrh. endete die Römerherrschaft, und die Stadt wurde die Beute wilder Scharen während der Völkerwanderung, bis das ganze Land in die Gewalt Karls d. Gr. fiel, der die Ostmark begründete. Die Markgrafen wohnten zu Melk und später auf dem Kahlenberge. Markgraf Leopold der Heilige, aus dem Hause Babenberg (gest. 1136), erscheint als der Wiederhersteller W.s, welches sein Sohn Herzog Heinrich I. Jasomirgott noch mehr emporhob, indem er hier seine Residenz aufschlug und 1158 das Schottenkloster stiftete. Unter Herzog Leopold VI. (1221) erhielt W. Stadtrecht. Besonders blühte es empor unter den Regierungen der Habsburger Herzog Rudolfs IV. (gest. 1365) und Albrechts III., von welchen ersterer die Universität gründete, den Umbau der St. Stephanskirche in ihrem gegenwärtigen Umfange begann und die wichtigsten städtischen Einrichtungen ins Leben rief. 1462 empörte sich die Stadt gegen Kaiser Friedrich III.; 1480 ward sie Sitz eines Bistums, das 1723 zum Erzbistum erhoben wurde. Matthias Corvinus von Ungarn eroberte W. 1484, schlug dort seine Residenz auf und starb daselbst 1490. In den J. 1381, 1541 und 1564, 1679 und 1713 wütete hier die Pest, 1679 starben 122000 Menschen. Schwer litt W. während der Türkenkriege. Zum erstenmal wurde es 22. Sept. bis 15. Okt. 1529 von Suleiman II. belagert, aber durch die tapfere Verteidigung des Grafen Niklas von Salm gerettet. Noch gefährlicher war die zweite türk. Belagerung von Mitte Juli bis 12. Sept. 1683 durch den Großwesir Kara Mustapha, und schon war W. trotz der Tapferkeit seines Verteidigers, des Grafen Rüdiger von Starhemberg (s. d.), dem Unterliegen nahe, als es durch das Entsatzheer unter dem Polenkönig Johann Sobieski und dem Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden befreit wurde. Erst nach dem J. 1683 und den Siegen des Prinzen Eugen begann W., welches Karl VI., Maria Theresia und Joseph II. außerordentlich begünstigten, sich wieder zu heben. W. war wiederholt der Schauplatz diplomat. Verhandlungen (s. Wiener Vertrag), und mehrere Friedensverträge wurden hier abgeschlossen (s. Wiener Friedensschlüsse). Im Kriege mit den Franzosen wurde es von diesen 13. Nov. 1805 und 12. Mai 1809 besetzt. 1815 fand hier der Wiener Kongreß (s. d.) und 1819 ein Ministerkongreß statt. 1848 war W. der Schauplatz der Märzrevolution (s. Österreichisch-Ungarische Monarchie, Geschichte), und nach den blutigen Scenen im Okt. 1848 wurde es 31. Okt. unter lebhafter Gegenwehr der Empörer von der kaiserl. Armee unter Windisch-Grätz eingenommen. Eine Umwandlung W.s zur modernen Großstadt führte die Regierungszeit Kaiser Franz Josephs I., besonders aber die unter ihm vollendete Stadterweiterung (s. oben) herbei. 1873 fand in W. eine Weltausstellung statt.

Litteratur. Hormayr, W., seine Geschicke und seine Denkwürdigkeiten (9 Bde., Wien 1823-29); Tschischka, Geschichte der Stadt W. (Stuttg. 1846-47); Sueß, Der Boden der Stadt W. (Wien 1862); Aschbach, Geschichte der Wiener Universität im ersten Jahrhundert ihres Bestehens (ebd. 1865); Waagen, Die vornehmsten Kunstdenkmäler in W. (2 Bde., ebd. 1866-67); Realis, Die kaiserl. Burg (3. Aufl., ebd. 1867); Silberstein, Die Kaiserstadt am Donaustrand (ebd. 1873); Weiß, Topographie der Stadt W. (ebd. 1876); Wiener Neubauten, hg. von K. von Lützow und L. Tischler, später allein von letzterm. Serie A. Die Privatbauten (3 Bde., ebd. 1877-91; 5. Aufl. 1894-97). Serie B. Die Monumentalbauten (3 Bde., ebd. 1881-93; 2. Ausg. 1889-93); Bermann, Alt- und Neuwien (ebd. 1879); Weller, Die kaiserl. Burgen und Schlösser (ebd. 1880); Weiß, Geschichte der Stadt W. (2. Aufl., 2 Bde., ebd. 1882); Zapf, Wirtschaftsgeschichte W.s (ebd. 1888); Die Österreichisch-Ungarische Monarchie in Wort und Bild (Bd. 1, ebd. 1889); Guglia, Geschichte der Stadt W. (ebd. 1892); W. und Umgebung. Illustrierter Fremdenführer (16. Aufl., ebd.