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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Witte (Pieter de) - Wittelsbach

Berlin um das Recht, Vorlesungen zu halten, fand aber dabei wegen seiner Jugend lebhaften Widerspruch von Professoren und Studenten. Er ging daher mit Unterstützung des Königs von Preußen einige Jahre auf Reisen. Nach seiner Heimkehr las er seit 1821 in Breslau Rechtswissenschaft, wurde 1829 ord. Professor und 1834 als solcher nach Halle versetzt. Hier starb er 6. März 1883. Seine jurist. Schriften betrafen früher vorzugsweise die Quellen des röm. Rechts, dann wandte er sich mit Vorliebe dem byzant. Rechte zu, von dem er mehrere Stücke zuerst herausgab. Später schrieb er mehreres über preuß. Recht, z. B. "Das preuß. Intestaterbrecht, aus dem gemeinen deutschen Rechte entwickelt" (Lpz. 1838). Seine Mußestunden wandte er fortwährend dem Studium der ital. Litteratur, vor allem Dantes zu. Außer einer Übersetzung des "Decameron" von Boccaccio (3. Aufl., 3 Bde., Lpz. 1859) gab er mit Kannegießer, von dessen Dante-Übersetzung er 1873 die 5. Aufl. besorgte, eine Übersetzung und Erklärung von Dantes "Lyrischen Gedichten" (2. Aufl., 2 Bde., ebd. 1842-13) heraus. 1862 folgte die erste kritische Ausgabe des Originaltextes der "Divina Commedia", eine Frucht langjähriger Forschungen, und eine metrische, reimlose Übersetzung mit Kommentar (3. Anfl., 2 Bde., Berl. 1876). Von Dantes kleinern Schriften gab er "Monarchia" (2. Aufl., Wien 1874) und "Vita Nuova" (Lpz. 1876) heraus; später erschienen "Danteforschungen" (Bd. 1, Halle 1869; Bd. 2,Heilbr. 1879). Auch die Anregung zu der Deutschen Dante-Gesellschaft (s. Dante-Gesellschaften) ging von ihm aus. Außerdem schrieb er noch "Alpinisches und Transalpinisches" (Berl. 1858).

Witte, Pieter de, auch Peter Candid genannt, vläm. Maler und Bildhauer, geb. 1548 zu Brügge, ging früh nach Italien, wo er in Giovanni da Bologna sein künstlerisches Vorbild suchte und sich Pietro Candido nannte; später ließ er sich in München nieder, wo er 1628 starb. Dort wie in Schleißheim, Freising und Landshut finden sich die meisten seiner Werke, die ihn als einen zwar manieristischen, aber begabten Maler erweisen. Von besonderer Bedeutung ist er als Bildhauer, als welcher er die Bronzestatue der Bavaria im Hof der Münchener Residenz, den Erzengel Michael an der Michaelskirche, das Ludwigsdenkmal in der Frauenkirche, die Maria auf der Mariensäule, den Wittelsbacherbrunnen zu München (s. Tafel: Brunnen II, Fig. 6) und zahlreiche Schmuckwerke in den Schlössern von München im Geiste seines Lehrers mit feinem Formgefühl ausführte. - Vgl. Rée, Peter Candid. Sin Leben und seine Werke (Lpz. 1885).

Witte, Sergjej Julijewitsch, russ. Staatsmann, geb. 29. (17.) Juli 1849 in Tiflis, aus deutscher Familie stammend, studierte auf der physikalisch-mathem. Fakultät in Odessa und widmete sich dann dem Eisenbahnwesen. Während des Krieges 1877-78 leitete er die Truppentransporte auf der Odessaer Eisenbahn und erwies sich dabei als geschickter Organisator. 1879 wurde er nach Petersburg berufen, nahm 1881 an der Eisenbahnkommission unter Vorsitz Baranows teil und verfaßte für deren "Trudy" eine "Geschichte des Kongresses der Bevollmächtigten der russ. Eisenbahnen". 1886-88 war er Direktor der russ. Südwesteisenbahnen, wurde dann Chef des Departements der Eisenbahnen im Finanzministerium und Vorsitzender der Tarifkommission. Im Febr. 1892 wurde er an Stelle Hübbenets zum Minister der Kommunikationswege ernannt, und im Sept. 1893 an Stelle Wyschnegradskijs zum Finanzminister. Als solcher schloß er Zoll- und Handelsverträge mit Deutschland und Österreich-Ungarn und verstand es, durch energische, freilich nicht immer unanfechtbare Maßregeln nicht nur das Gleichgewicht im russ. Staatshaushalt herzustellen, sondern auch seinen Einfluß weit über das Finanzdepartement auszudehnen. Neben zahlreichen Fachartikeln in Zeitschriften veröffentlichte W. ferner noch "Die Principien der Eisenbahntarife" (russisch, Kiew 1883) und eine Schrift über Friedr. List (russisch, ebd. 1888). - Vgl. E. de Cyon, Mr. W. et finances russes d'apres des documents officiels et inédits (Par. 1895); ders., Herr W. und seine Gesetzesvorlagen über den Staatsbankrott vor dem Reichsrat (russisch, ebd. 1897).

Witteboom, weißer Kapwein, s. Kapweine.

Wittekind, Solbad und Sanatorium im Saalkreis des preuß. Reg.-Bez. Merseburg, 2 km nördlich von Halle, zur Gemeinde Giebichenstein gehörig, hat ein Kurhaus mit Parkanlagen, Badehaus und mehrere Logierhäuser (1897: 613 Kurgäste). W. war als Saline schon zur Zeit der sächs. Kaiser bekannt, wurde aber 1263 aufgegeben; erst 1702 wurde die Quelle wieder aufgefunden und bis 1711 zur Salzgewinnnng benutzt. Seit 1846 wird sie zum Baden gegen Skrofeln, Frauenkrankheiten u. s. w. gebraucht, eine zweite schwächere Quelle auch zum Trinken. - Vgl. Gräfe, über die Wirksamkeit des Solbades und Salzbrunnens W. (2. Aufl., Halle 1854).

Wittekind, Sachsenherzog, s. Widukind.

Wittekindbahn, einer Aktiengesellschaft gehörende schmalspurige (1 m) Straßenbahn (6 km) von Minden bis Porta am Fuße des Wittekindsberges, 1893 eröffnet.

Wittekindsberg, einer der beiden Eckpfeiler der Westfälischen Pforte (s. d.), am linken Weserufer, der Anfangspunkt der Mindenschen Bergkette (s. Wiehengebirge), 282 m ü. d. M. und 245 m ü. d. Stromspiegel der Weser, mit dem 1896 enthüllten Kaiser-Wilhelm-Denkmal der Provinz Westfalen (7 m hohes Erzstandbild von Zumbusch, mit Hallenbau von Bruno Schmitz).

Wittelsbach, Stammhaus der ehemaligen Herzöge von Bayern und von der Pfalz und des gegenwärtigen bayr. Königsgeschlechts, der Wittelsbacher, lag im jetzigen Oberbayern bei Aichach. Es wurde 1209 von Grund auf zerstört; seine Stätte bezeichnet gegenwärtig eine Kirche und ein 15 m hoher Obelisk.

Der erste bekannte Wittelsbacher war Markgraf Liutpold zu Anfang des 10. Jahrh., ein Verwandter Ludwigs des Kindes; seine Herkunft ist nicht nachweisbar, doch ist es wahrscheinlich, daß er dem Geschlecht der Huosier angehörte. Er nahm den Herzogstitel von Bayern an und fiel 907 unweit Preßburg gegen die Magyaren. Sein Sohn Arnulf (s. d.) lehnte sich gegen König Konrad I. auf, wurde aber besiegt und schloß 921 mit Heinrich I. Frieden. 937 gab Kaiser Otto I. Bayern nicht den Söhnen Arnulfs, sondern deren Oheim Berchtold, und nach dessen Tode 947 seinem eigenen Bruder Heinrich. Arnulfs jüngerer gleichnamiger Sohn nannte sich Pfalzgraf von Bayern und Graf von Scheyern. Die Nachkommen Arnulfs verlegten ihren Sitz 1115 von Scheyern (Burg im Südwesten von Pfaffenhofen) nach W. und nannten sich Grafen von W. Otto I. (s. d.) erhielt 1180 das Herzogtum Bayern