Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

909

Zahn

diese Kegel zu prismatischen, oben abgeflachten mit sog. Schmelzleisten versehenen Reibzähnen (z. B. Backzähnen der Wiederkäuer, Pferde, Nagetiere, mancher Fische u. s. w.) werden, oder zu breiten scharfrandigen Schneidezähnen, oder zu meißelförmigen Nagezähnen u. s. w. Entweder haben die Tiere sämtliche Z. von einer Gestalt (sie sind homodont) oder ihr Gebiß enthält infolge von Arbeitsteilung verschiedenartige Z. (sie sind heterodont). Auch sind die Z. bleibend (bei monophyodonten Tieren) oder sie werden gewechselt (bei diphyodonten Tieren). Dieser Wechsel kann sich einmal im Leben (die meisten Säugetiere, auch der Mensch) oder öfters (Gaumenzähne der karpfenartigen Fische u.s.w.) vollziehen. Bei Reptilien und Haifischen finden sich Reservezähne, die in Thätigkeit in dem Maße treten, wie vorhandene verloren gingen. Dieselben liegen hinter- (Haifische) oder nebeneinander (Schlangen), oder junge Z. stecken in dem innern Hohlraum älterer (Krokodile u. s. w.). Auch die Elefanten besitzen Reservezähne; die Zahl ihrer Backzähne beläuft sich oben und unten jederseits auf sechs, die gleichfalls in dem Maße, wie die vordern abgeschliffen werden, nach und nach von hinten vorrücken. Die Nagezähne der Nagetiere wachsen in dem Grade nach, wie sie abgenutzt werden, auch die Stoßzähne der Elefanten wachsen zeitlebens, oder doch sehr lange Zeit. Im allgemeinen bestehen bei allen Wirbeltieren die Z. aus einer verknöcherten, den Dentinteil darstellenden Papille der Lederhaut, die von einer von der Oberhaut abgesonderten Substanz (Schmelz oder Emaille) überzogen wird. Doch giebt es von dieser Regel Ausnahmen, so besitzen die Z. der Zahnarmen (s. d.) keinen Schmelz. Die Z. sitzen entweder bloß im Zahnfleisch, oder sie verwachsen mit den darunter gelegenen Knochen, oder aber sie stecken in Vertiefungen derselben, diese können eine kontinuierliche Furche (Zahnfurche, z. B. bei Delphinen) oder einzelne Kästchen (Alveolen) darstellen. Als besondere Form treten Stoßzähne auf, die in der Regel Waffen sind: bei Schweinen (am stärksten beim Babirussa oder Hirscheber) sind die Eckzähne des Oder- und Unterkiefers als Hauer nach oben gebogen, die Hauer des Walrosses und des männlichen Dugong sind gleichfalls verlängerte Eckzähne der Oberkiefer, während die Stoßzähne der Elefanten vergrößerte obere Schneidezähne sind. Beim Narwal ist ein Eckzahn (fast ausnahmslos der rechte) stark verlängert, nach vorn gerichtet und spiralig gewunden. Auch die der verlängerten vordern Schädelpartie des Sägefisches eingekeilten Gebilde sind ihrem Wesen nach echte Z. Bisweilen zeigen die Z. charakteristische Färbungen; so sind bei vielen Nagetieren die Schneidezähne vorn braungelb, bei manchen Wiederkäuern die Backzähne bronzefarben. Der sog. Eizahn (s. Schnabel) ist kein echter Z. Von großer Wichtigkeit ist die Beschaffenheit der Z. und die Zahl, in welcher die verschiedenen Arten derselben bei einer Art auftreten, für die Systematik der Säugetiere. (S. Gebiß.)

Die Z. (Dentes) des Menschen, 32 an der Zahl, gehören entwicklungsgeschichtlich zu den Verdauungsorganen, werden aber meist zu den Knochen gerechnet, obgleich sie sich von den übrigen Knochen durch ihren Bau etwas unterscheiden. Die eine Hälfte ihrer Gesamtzahl ist in die Zahnzellen (alveoli) des Oberkiefers, die andere in die des Unterkiefers eingesenkt und sie werden teils durch diese eng anschließenden Knochen und die noch dazwischen liegende doppelte Schicht Knochenhaut, teils durch das Zahnfleisch (s. d.) in ihrer Stellung festgehalten. Jeder Z. besteht ans der Krone, die aus dem Zahnfleische frei in die Mundhöhle hervorragt und mit dem Zahnschmelz oder Email (substantia dentis vitrea, einer porzellanartigen, äußerst harten, glatten, in verschiedener Dicke aufgetragenen und halbdurchsichtigen Masse, bedeckt ist, dem Halse, der noch außerhalb der Zahnzelle vom Zahnfleische umgeben wird und etwas dünner als die Krone ist, und der Wurzel, die spitz endend in der Zahnzelle sitzt und einfach oder mehrfach sein kann. Den beiden letztern Teilen fehlt der Zahnschmelz, und sie bestehen nur aus dem Zahnbein oder Dentin, sehr feinen, in einer harten strukturlosen Grundsubstanz eingebetteten Röhrchen, und der Wurzelrinde oder dem Cement, der die Wurzeloberflächen überzieht und in seiner Zusammensetzung der der Knochen entspricht. Nach ihrer Gestalt teilt man die Z. ein in Schneidezähne (dentes incisivi), mit platter, meißelformiger Krone und einfacher Wurzel, von denen sich in jedem Kiefer zwei Paar vorn in der Mitte befinden; Eck- oder Spitzzähne (angulares oder canini), mit längerer, dickerer und pyramidalisch ausgehender Krone und einfacher Wurzel, welche, im ganzen vier an der Zahl, die vorigen einfassen; Backzähne oder kleine Stockzähne (buccales), je vier in jedem Kiefer, mit niedrigern Kronen und doppelten oder einfachen Wurzeln, und Mahl- oder Stockzähne (molares), je sechs in jedem Kiefer, mit breiter, mehrhöckeriger Krone und zwei bis drei divergierenden Wurzeln. Die beiden Eckzähne des Oberkiefers werden wegen der Länge ihrer Wurzeln auch Augenzähne genannt. In jedem Z. befindet sich eine Höhle, die Zahn- oder Pulpahöhle (cavum dentis), die sich bis in die Krone erstreckt und mittels eines in der Spitze der Wurzel ausmündenden Kanals einen Nerven, eine Arterie und eine Vene aufnimmt, die in ihren Verschlingungen den weichen nervenreichen Zahnkeim oder die Zahnpulpa (nucleus oder matrix dentis) bilden, durch den die Höhle ausgefüllt und der Z. ernährt wird. Die Z. sind Kauwerkzeuge und dienen als solche der Zerkleinerung der Nahrungsmittel, tragen aber auch zu einer deutlichen Aussprache sowie zur Formation des Gesichts bei, indem sie den Backen und Lippen ihre Rundung geben, die durch ihren Verlust verloren geht.

Höchst eigentümliche Erscheinungen bietet die Entwicklung der Z. dar. Die ersten Spuren der Z. finden sich schon gegen Ende des 2. Monats des Embryolebens als kleine mit Flüssigkeit erfüllte Säckchen in den in einer Rinne (Zahnfurche) auf den Kieferrändern noch zusammenhängenden Zahnzellen. Die Umgebungen des aus der Flüssigkeit sich entwickelnden Zahnkeims beginnen im 5. Monat die Verknöcherung, die, von der Krone ausgehend, im 7. Monat nach der Geburt bei dem Hervorbrechen der ersten Z. mit der Bildung der Wurzel endigt. Diese ersten Z. nennt man Milchzähne (dentes infantiles oder temporarii oder decidui). Ihrer sind, da die 12 hintersten fehlen, nur 20, und sie kommen so hervor, daß die Schneidezähne beginnen und die Backzähne endigen. Die Reihenfolge, in der die Milchzähne ausbrechen, ist gewöhnlich die folgende: zuerst (im 6. bis 9. Monat) erscheinen die zwei untern mittlern Schneidezähne und bald