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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Faltboote - Familie
Vd. 14) in griech. Übersetzung herausgab. Einer,^
der größten Berufsfälscher der neuesten Zeit (und
zwar aus gemeiner Gewinnsucht) war der Griccke
Simonides (er "fand" z. V. einen auf Lotosblättern .
gefchriebenen Zomer, Dichtungen des Aristoteles,
einen Bericht des Generals Velisar an Kaiser Iu-
stinian, Briefe des Alcibiades an Perikles, den
"Verfasser einer griech. Geschichte Arabiens" Ura-
nios). Gleichzeitig mit ihm wirkte auf diesem Ge-
biete sein Landsmann Minas Minoides. Aber unser
Jahrhundert erlebte auch noch andere litterarische F. ^
als solche, die auf dem altklassischcn Boden spielen; ^
so, um nur einiges zu nennen, die angeblicben
Briefe der Königin Marie Antoinctte, die Sckiller- ^
briefe (ein aus Gewinnsucht erzeugtes Fabrikat des
Graveurs Gerstcnbcrg), so der großartige Betrug
(mit angeblichen massenhaften Autographen'von
Galilei und Pascal), dessen Opfer der franz. Mathe-
matiker und Akademiker M. Chaslcs geworden ist.
Aus dem Gebiete der Kunst sind schon aus dem >
Mittelalter F. zu verzeichnen: Michelangelo ließ ^
einen von ihm selber verfertigten marmornen Eros
"ausgraben". Zu erwähnen sind ferner die ge-
fälschten Sammlungen des Museums Chiellini in!
Livorno, die Ebermayersche Gemmensammlung in
Nürnberg (welche nur Fabrikate Dorscks enthält) >
und die Daktyliothek des Fürsten Stanislaus Po-
niatowsky. In Rheinzabern bestand eine förmliche
Antiquitätenfabrik, wie sich noch jetzt eine solche
in Brüssel befindet.' ähnliche Anstalten existieren
ferner in Ägypten, in Teheran (Specialität sind
Sassanidengemmen), in Smyrna, Athen, Rom,
Paris, Neapel und auf Cypern, zu geschwcigen
von kleinern Meistern, die auf eigene Rechnung
"antike" Vronzestatuetten, Thonrelicfs, Terrakotten-
siguren (nach dem Muster der echten in Tanagra
gefundenen und andern), Vasenscherben und ganze
Vasen mit oder ohne Inschrift liefern: auch die
Mehrzahl der bleiernen Schleudergeschosse find,
wenigstens die Inschriften derselben, unecht. Eine
der stärksten F. hat unser Jahrhundert (zu Anfang
der siebziger Jahre) in den Moabitischen Alter-
tümern (s. d., Bd. 11, jetzt im Berliner Museum) erlebt.
Am bedeutendsten war, und ist heute noch, der
Betrieb der F. bei den Münzen (s. Numismatik,
Bd. 12), wo neuern Fälschern die Fortschritte in
der Galvanoplastik mächtigen Vorschub leisten. (S.
auch Antiquitätenhandel, Bd. 1.) - Vgl. Eudel,
1^6 ti'uh!ia^6 (Par. 188-1; deutsch von B. Bucher
u. d. T. Die Falscherkünste, Lpz. 188<;>.
Faltboote, Fahrzeuge zur schnellen Herstellung
von Übergängen über Wasserlaufe. Die Boote be-
stehen aus je zwei Kaffen (End-) stücken und einem
Mittelstück: ihre Konstruktion (Holzgestcll mit in-
nerm und äußerm Leinenbezug) gestattet ein fächer-
artiges Zusammenfalten. Die ganze Länge beträgt
6,5 in, die Höhe 0,<-, in, der Oberbau wird durch
Bretter von 4 in Länge und 1 in Breite gebildet.
Ein Regiment kann mit diesem Material Brücken-
stege bis zu 20 in Länge bei 1 in Breite herstellen,
wobei die Mittelstücke und je zwei verbundene
Kaffenstücke vier Unterstützungen abgeben; eine
Brücke von 3 in Breite kann 8 in Länge erbalten.
Es kann auch aus beiden Booten eine Nbersetz-
maschine hergestellt werden, die Strom- und Trag-
vermögen für etwa 2750 K3 bietet, d. h. für drei
Pferde oder für ein kriegsmäßig beladenes Geschütz
mit Protze und vier Bedienungsmannschaften, oder
für Sättel, Gepäck und Ausrüstung von 45 Ka-
valleristen, oder für 25 Mann Infanterie mit Gepäck.
Durch Vereinigung des Materials mehrerer Regi-
menter sind längere Brücken (pro Regiment 8 m) her-
zustellen, die das übergehen aufgesessener Kavallerie
und das Hinüberziehen von Feldgeschützen gestatten.
Jedem deutschen Kavallerieregiment sind organisa-
tionsmäßig zwei F. zugeteilt, die auf einem eigens
hierfür gebauten Wagen (Faltbootwagen) verladen
werden. - Österreich-Ungarn hat versuchsweise im
Atanöver Material verwendet, das für ein Kavallerie-
regiment vier F. entbält und einen Vrückenfteg von
50in Länge und 1 in Breite herzustellen gestattete.-
Abweichend ist das russ. Segeltuchboot von Tscher-
now, das 14 Mann mit völliger Ausrüstung tragen
soll und im Sommer 1892 erprobt wurde. Es ist eine
weitere Entwicklung der russ. l^egeltuchboote, die
1814 dcim Übergang über den Rhein und 1877
über die Donau verwendet wurden; sie unterscheiden
sich aber von diesen durch geringeres Gewicht (234
gegen 300 k<rj. Auch in Frankreich sind Versuche
mit F. gemacbt worden. Die engl. Kavallerie er-
probt jetzt zwei Arten von F., die auf zweiräderigen
Karren oder auf einem Packpferd mitgeführt werden
können. Ihre Brauchbarkeit kann durch den leich-
tern Transport nur gewinnen,
l Faltbrücke, s. Brücke,
l ^Familie. Die neuern Forschungen der ver-
gleichenden Völkerkunde haben vielfach an den
frühern Ansichten über die Entwicklung der F. ge-
i rüttelt, obne daß bisher eine vollkommene Klärung
^ der Frage erreicht wäre. Namentlich findet man
! die Ansichten vertreten, daß die Struktur unserer
! beutigen F. nicht die ursprüngliche ist, sondern
! daß sie sich auf viel ältere Bildungen stützt. Wie
^ schon im röm. Recht unter dem Wort fliinili". der
! gesamte Dausbestand aufgefaßt wurde, ohne Rücksicht
i anf die leibliche Abstammung vom wirklichen Vater,'
so haben neuerdings manche Ethnologen die Urform
! der F. in jenen eigentümlichen Gruppen zu sehen
geglaubt, die man noch heutigentags (so z. B. bei
^ austral. Stämmen am Mount-Gambicr) findet, d. h.
solcken geschlechtlichen Verhältnissen, die durch die
' Mitgliedschaft eines Verbandes ohne weitere Cere-
! monien zwischen allen Stammesgcnossen entstehen,
, Gruppcneben, die den primitiven, auf Blutsver^
' wandtschaft basierenden Geschlechtsgenossenschaften
^ angehören. Manche eigentümliche Sitten, so daß
! die junge Frau vor der veirat sich allen Stammes-
! genossen preisgeben muß, oder daß bei gewissen
Feierlichkeiten oder schweren Unglückstagen (oft nur
auf einige Stunden) allgemeine Promiscuitüt ein-
! tritt, hat man als Überbleibsel von Gruppenehen
z gedeutet. Erst später sollen die bekannten indivi-
duellen Ebeformen austreten, die man gewöhnlich als
^ Polygamie, Polvandrie und Monogamie bezeichnet.
! Die bisherigen Vorstellungen über Verwandtschaft
wurden ebenfalls durch ethnolog. Untersuchungen
vielfach verändert. So viel wußte man freilich seit
lange, daß unsere heutige Elternverwandtschaft, nach
der da^ Kind sowohl mit Vater als auch mit Mutter
verwandt ist, nicht die ursprüngliche sei, allein man
glaubte, das im Alten Testament und im röm. Recht
scharf gekennzeichnete Patriarchat oder das System
der Vaterverwandtschaft bilde den alleinigen Aus-
! gangspunkt, während es sich jetzt herausgestellt hat,
^ daß vielfach und an vielen Qrten das Mutterrecht
I die Grundform für diese Entwicklung gewesen ist.
^ Indem hier das durch die Natur selbst geknüpfte
5 Band zwischen Mutter und Kind die Grundlage oet
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