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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Erläuterungen zu Karte: Tiergeographie II.

Vordringen von Süd nach Nord, mehr noch von Ost nach West begriffen. So von Osten her seit der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die Wanderratte, ferner der Hamster bis an, stellenweise schon bis über den Rhein, der Ziesel bis Ostthüringen, die Haubenlerche, die Zwergtrappe bis Mittelthüringen u. a. m. Von Süden her dringen nach Norden vor das Hausrotschwänzchen, der Pirol, der Girlitz u. s. w. Selbstverständlich bleiben auch Insekten, namentlich östl. Steppenformen, nicht zurück. Als Einwanderungslinien sind wesentlich die großen, verschiedene Provinzen und Subregionen verbindenden Flüsse und die Seeküste anzusehen. Während aber für solche Tiere, die entlang der Flüsse wandern, diese als Verkehrsstraße dienen, sind sie umgekehrt für solche, die in senkrechter Richtung zu ihrem Laufe vordringen, Barrieren: Verschiedene Tiere erreichen an der Weichsel, Oder und Weser, namentlich an der Elbe und am Rhein ihre West- oder Ost-, am Main und am Neckar ihre Süd- oder Nordgrenzen. Auf den Höhen von Gebirgen, hin und wider auch in der norddeutschen Ebene finden sich zur Reliktenfauna gehörige Elemente aus verschiedenen Ordnungen. An der Seeküste, stellenweise auch in Salzgebieten des Binnenlandes, am nördl. und östl. Harzrande, in Thüringen, bei Kissingen u. s. w. finden sich salzliebende (halophile) Tierformen, Käfer und Würmer.

Landsäugetierarten finden sich in Deutschland etwa 64, davon sind 48 allgemein verbreitet; der alpine Teil hat 2 charakteristische Formen: die Gemse und das Alpenmurmeltier; der Südostgau 2, den Ziesel und den großen Gartenschläfer (in Oberschlesien); der Nordostgau 3, den Elch, den Biber und den Nörz. Der veränderliche oder Schneehase ist den Alpen und Ostpreußen eigentümlich. Der Südwestgau hat kein charakteristisches Säugetier wohl aber der Nordwestgau, nämlich die braune Feldmaus (Arvicola campestris Blas.). Die übrigen Arten bewohnen zwar nicht ganz Deutschland, aber mindestens zwei Gaue desselben.

Beständig in Deutschland brütende Vögel sind etwa 229 Arten, nämlich 4 Kuckucksvögel, 9 Spechte, 2 Langhänder, 103 Singvögel, 17 Tag- und 12 Nachtraubvögel, 3 Tauben, 9 Hühner, 36 Stelzvögel, 17 Entenvögel, 1 Scharbe, 9 Mövenvögel, 7 Tauchvögel. Für die Alpen charakteristisch sind der Mauerläufer, die Alpenkrähe, die Alpendohle, das Stein- und das Alpenschneehuhn. Mit dem Südostgau, und zwar mit dem Riesengebirge, teilen sie die Sperlingseule, den dreizehigen Specht, den Leinfink, die Ringdrossel, die Alpenbraunelle und den Morinellregenpfeifer. Dem Südostgau bis Thüringen allein gehört die Zwergtrappe an. Der Südwestgau beherbergt als charakteristische Mitglieder seiner Ornis: die Zwergohreule, die Zaun- oder Heckenammer, die Zipp- oder Bartammer, den Steinsperling, den Steinrötel oder die Steindrossel und den Meister- oder Orpheussänger, sämtlich Einwanderer aus Südwest.

Während der Südwestgau überhaupt keinen charakteristischen Stelz- oder Schwimmvogel aufweist, ist der Nordostgau sehr reich an ihnen; hier brüten 5 Stelz-, 9 Ent-, 2 Tauchvögel und je 1 Möwen- und Scharbenvogel, die sonst nirgends in Deutschland als Brutvögel gefunden werden. Außerdem beherbergt er das Moorhuhn, vielleicht auch den Lapplandkauz, die Habichtseule und sogar die Schneeule. Der Nordwestgau hat eine charakteristische Möwe (die Silbermöwe), eine Entenart (die Eiderente) und seit der Gewinnung Helgolands auch die einzigen beiden deutschen Alkarten, nämlich die Lumme und den Tordalk.

An Reptilien ist Deutschland arm, es finden sich im ganzen bloß 13 Arten und davon im warmen, Einwanderungen so leicht zugänglichen Südwesten allein 5 bloß hier vorkommende, nämlich: Die Smaragd- oder Mauereidechse sowie die Ãskulapschlange, im obern Rheinthal und seiner Nachbarschaft die Zornschlange (Zamenis atrovirens Günth.), die echte Viper (Vipera aspis L.) nur im äußersten Südwesten in der Umgebung von Metz. Die einzige Schildkröte findet sich bloß in den beiden Ostgauen, östlich von einer von Schwerin nach Görlitz und bis zum Fuß des Riesengebirges gezogene Linie.

An Amphibien ist Deutschland im Verhältnis zu Zahl der überhaupt existierenden Arten nicht nur, sondern auch absolut bedeutend reicher als an Reptilien. Es finden sich im ganzen 18 Arten (6 geschwänzte und 11 ungeschwänzte), von denen wieder 3 dem Südwestgau ausschließlich angehören, nämlich die Geburtshelferkröte, und zwei Froschformen (Rana oxyrrhina Steenstr. und agilis Thomas). Der Alpen- oder schwarze Salamander bewohnt in Deutschland nur die Alpen und den schwäbischen Jura.

Süßwasserfische finden sich in Deutschland 63 Arten. Am reichsten ist, zufolge des Flußgebietes der Donau und der Seen der Voralpen, der Südostgau mit 54 Arten, davon 5 charakteristische: der Zingel, der Schrätzer, der Steinkreßling, die Mairenke und eine Brachsenart (Apramis sapa Pall.), dann folgt der wasserreiche Nordostgau mit 46 Arten, worunter 2 charakteristisch sind: die große und die kleine Maräne. Der Südwestgau beherbergt 44 Arten, darunter eine sonst nur im Po- und Rhônegebiet vorkommende Karpfenform (Chondrostoma Geneï Bonap.) im Oberrhein.

Weichtiere sind in Deutschland durch etwa 300 Arten vertreten; der Südostgau ist der reichste, der Nordwestgau bei weitem der ärmste. Besondere Erwähnung verdient bloß die Verbreitung der Flußperlmuschel in Deutschland. Sie findet sich in Flüssen und Bächen des Bayrischen Waldes, des Fichtelgebirges, des westl. sächs. Erzgebirges, in Schlesien im Bober, im Queis, in der Neisse und Juppel, in einigen Gewässern Hannovers (Alter Ow, Low und Sewa) in Hessen im Josbach und in der Biber, in der Saun in Nassau, in den Bächen des Westerwaldes, des Hunsrücks und der Vogesen.

An Insekten ist ein Land mit so verschiedenen Höhen- und Vegetationsverhältnissen wie Deutschland natürlich reich. Es beherbergt ohne die Spanner etwa 1000 Arten Großschmetterlinge. Die reichsten Gebiete sind die Alpen (besonders an Tagfaltern) und die beiden Südgaue, das ärmste ist auch hier der Nordwestgau. Besonders stark ist auch die Schmetterlingsfauna der Fränkischen Schweiz und der Thäler der Saale und Ilm entwickelt, wo sich alleine 13 Arten Blutströpfchen, mehr als sonstwo in Deutschland in einem beschränkten Gebiete finden. Interessant ist die Verbreitung des Apollofalters. Abgesehen von den Alpen findet er sich an einzelnen Orten des gebirgigen Schlesiens, in der Fränkischen Schweiz, bei Regensburg, im südl. Schwarzwald, auf der Rauhen Alb, bei Sigmaringen, im Sundgau (aber nicht in den Vogesen), bei Koblenz und auf einigen Moselbergen. Käfer mögen in rund 7000 Arten in Deutschland vorkommen. Sie sind in den Alpen und in den