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Abhandlung von der Stadt Ulm

Bruder Felix Fabris, Druck der Buchdruckerei von Heinrich Frey, Ulm, 1909

Nach der Ausgabe des litterarischen Vereins in Stuttgart verdeutscht von Professor K. D. Haßler.

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und nahmen in den Ländern der Fürsten von Bayern, der Herzoge von Österreich, der Markgrafen von Brandenburg und Baden und der Grafen von Wirtenberg ihre Nebenbuhler auch von Adel gefangen, führten sie nach Ulm und gaben ihnen die verdiente Strafe. Und es gab keinen Fürsten, der gewagt hätte, ihnen Krieg anzusagen. Daher suchten auch manche Orte, die in den Ländern der Fürsten unter dem Schutze der Fürsten nicht sicher waren, den Schutz der ulmer nach, so z. B. das Kloster Medingen von unserem Orden bei Laugingen wählte die Ulmer zu seinen Schutzherren. Während aber die Ulmer sich so nach Außen vergrößerten, nahmen sie auch innen in der Stadt auf wunderbare Weise zu und alles vervielfachte sich, nämlich die Leute von Adel, Reiche und Arme, Handwerker, Ordensleute, Geistliche, Scholaren und Geschäfte aller Art. Denn weil die Gemeine durch die angekauften Herrschaften reich geworden war und viele Reichtümer der Stadt zufloßen, so mußten sich notwendig auch die Menschen vermehren. Wie denn der Prediger im fünften sagt 1): wo viel Guts ist, da sind auch viel, die es essen; und Matth. im vierundzwanzigsten 2): wo ein Aas ist, da sammeln sich die Adler. Und wo viele Menschen sind, da ist auch viel Handel und Handwerk. So sind denn noch mehrere von den Alten aus der Welt, die sich erinnern, daß nicht der dritte Teil von Menschen und Handwerken in Ulm gewesen ist, als jetzt. Denn vor 70 Jahren waren kaum 2 Bäcker, wo es jetzt 20 sind; nicht 2 Goldschmiede, wo jetzt 20 sind; 2 Bartscheerer, wo jetzt 10 sind; 1 Wirt, wo jetzt 20 sind; 2 Tuchscheerer, wo jetzt 20 sind; 1 Arzt, wo jetzt 30 sind; 1 Priester, wo jetzt 10 sind. Und vor der Vermehrung der Universitäten waren so viele fremde junge Scholaren, als jetzt Angehörige auf einer Universität sind, und war eine große und bekannte Bachantenschule in Ulm. Und kurzum alle Künste und Handwerke sind heute dreimal größer (pag. 146) als vor 70 Jahren und sie nehmen von Tag zu Tag zu, weil sie nicht nur für die Bürger arbeiten, sondern für ganz Schwaben, und die Waren und Werke der Ulmer nach weit entfernten Gegenden gebracht werden. Aber zwei unverhältnismäßig bedeutende und fast für nichts geachtete Kunstbetriebe finden in Ulm statt, deren Produkte weithin verbreitet werden, nämlich das Abendmahlsbrot und die Spielkarten. Denn viele bereiten Hostien und bringen sie bis in die Alpen bis nach Innsbruck 3), Bozen und Trient. So gibt es in Ulm auch so viele Kartenmacher und Kartenmaler, daß sie in Fässern die Karten nach Italien, Sizilien und nach den entferntesten Inseln des Meeres und in jede Gegend schicken. Ich schweige von den Barchetstücken und mehrerem anderen, was von Ulm in die äußersten Gegenden der Welt gebracht wird. Es gibt also in Ulm so viele und so bedeutende Menschen als in manchen doppelt so großen Städten, nicht weil die Gegend um Ulm gut und fruchtbar. wäre, so daß sie von den Gewächsen des Landes sich nährten, sondern es sind 5 Punkte, die zu dieser großen Menge beitragen.

Das Erste ist, daß. die Stadt und die Gemeine an sich reich ist, wie aus dem früheren erhellt, und in Folge davon auch die Bürger reich sind. Deshalb können auch mehr Menschen hier sich nähren. - Das Zweite ist, daß dem Armen und Elenden Gerechtigkeit zu Teil wird, wie dem Reichen und Vornehmen. Denn das wurde den alten Ulmern laut und öffentlich

1) Prediger 5, 10.

2) Matth. 24, 28.

3) Pontinum wird wohl Innsbruck sein, das sonst Pons Oeni heißt.