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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

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Die Urgeschichte der Kunst.

größte Feld für die Kunstbethätigung, und es spricht für die Höhe des Kunstsinnes dieser, sowie der folgenden Zeit, daß so viel Wert auf den Schmuck der Gebrauchsgegenstände gelegt wurde. Rein künstlerische Darstellungen, wie wir sie in ihren Anfängen bei Fig. 2 sehen, kommen daneben nur vereinzelt vor. 1 und 2 zeigen die Lanzenspitze und die Axt in roherer Form, wie sie in der älteren Steinzeit öfter vorkamen. 3 und 4 sind feiner gearbeitet und entstammen der neueren Steinzeit. Ganz ähnliche Formen finden wir bei Völkern, welche noch jetzt ganz oder teilweise auf der niedersten Kulturstufe stehen. Einige solcher Formen sind in Fig. 4 abgebildet.

Nr. 5-10 auf Fig. 3 geben einige Gefäßformen und Proben ihrer Verzierung wieder. Die einfachste und älteste Art der Ausschmückung wurde dadurch erzielt, daß um den Gegenstand eine Schnur gelegt wurde; diese drückte sich in dem noch weichen Thon ab und hinterließ so ein Muster. Andere Verzierungen wurden mit der Fingerspitze eingedrückt (5) oder mittelst scharfer Instrumente eingeritzt und eingetupft (7, 8 und 9). Die Fig. 5-7 zeigen die Entwicklung der Kunstthätigkeit nach Einführung der Bronze und des Eisens. Der bildsamere Stoff ermöglichte eine größere Formenmannigfaltigkeit und eine reichere Ausschmückung mit eingeritzten, eingegrabenen und punzierten Verzierungen; auch durch einfaches Biegen von Bronzedraht entstanden schöne Schmuckformen (Fig. 6, 5 u. 6).

Durch verbesserte Handelsbeziehungen findet ein größerer Austausch der Formen zwischen den einzelnen Völkern statt; die Stile mischen sich.

Es ist hier nicht der Platz, die Entwicklung des Zierwerks und der Darstellung des Menschen und Tieres eingehender zu schildern. Ich muß mich deshalb mit diesen Hinweisen begnügen und das meiste dem eignen Suchen des Lesers überlassen. In jeder größeren Stadt finden sich ja Sammlungen von vorgeschichtlichen Funden, welche dem denkenden Beschauer mehr lehren, als Bild und Schrift in kleinerem Rahmen dies thun können.

Zum Schlusse dieses Abschnittes gebe ich noch einige Proben aus dem Formenschatze der Naturvölker. Die Beispiele der Fig. 8 lehren, wie hoch Formensinn und Schmuckbedürfnis entwickelt sind, während Fig. 9 zeigt, wie sich diese Naturmenschen mit der Darstellung der eigenen Gestalt abfinden. Man hüte sich davor, diese Erzeugnisse nur "interessant" oder "komisch" zu finden, sondern betrachte sie als Zeugnisse für den heißen Drang, der den Menschen auf jeder Kulturstufe zur Bethätigung eines Sinnes führt, der auf den höchsten Stufen zur Quelle des reinsten Genusses wird.