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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Congostaat

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Congostaat.

freie Schiffahrt auf dem Congo durch internationales Übereinkommen geregelt werden müsse, und nachdem Rohlfs und Laveleye nacheinander in der Presse die Neutralisierung des Congo empfohlen, hatte das Institut 1883 bei seiner Sitzung zu München, abermals durch Moynier und zwar durch eine Denkschrift desselben angeregt, den Beschluß gefaßt, die Regelung der Schiffahrt und vorbeugende Maßnahmen zur Verhinderung von Konflikten unter den zivilisierten Nationen, die in Äquatorialafrika auftreten wollen, zu empfehlen. So war der Boden also schon vorbereitet, als der deutsche Reichskanzler nach Verständigung mit den zunächst interessierten europäischen Großmächten und den Vereinigten Staaten die Einladung zu einer in Berlin abzuhaltenden Konferenz an die oben genannten Mächte ergehen ließ. Dieselbe wurde von allen bereitwillig, von England nach einigen lediglich den Niger betreffenden Vorfragen angenommen. Die zu diesem Zweck ernannten Bevollmächtigten traten unter dem Vorsitz des deutschen Reichskanzlers in Berlin zu einer Konferenz zusammen, welche vom 15. Nov. 1884 bis zum 26. Febr. 1885 tagte. Die in dieser Zeit vereinbarte und von allen Mächten unterzeichnete Generalakte sicherte allen Nationen völlige Freiheit des Handels und der Schifffahrt auf vorläufig 20 Jahre in einem Gebiet, dessen Grenzen bilden sollten: im N. der 2.° 30' südl. Br. bis 12° östl. L. v. Gr., dann die (noch unbekannte) Wasserscheide zwischen dem Becken des Congo und denen des Ogowe, Schari und Nil bis 28° östl. L. v. Gr., sodann der 5.° südl. Br. bis zum Indischen Ozean, welcher von da ab südwärts bis zur Mündung des Sambesi die Ostgrenze bilden sollte. Die Südgrenze zieht den Sambesi aufwärts bis über die Mündung des Schire hinauf, dann auf der Wasserscheide zwischen diesem und dem Coanza einerseits und dem Congo anderseits und folgt darauf dem Loje von seiner Quelle bis zur Mündung, von wo ab nordwärts bis 2° 30' der Atlantische Ozean als Westgrenze eintritt. Das so begrenzte Gebiet wurde für neutral erklärt und der Sklavenhandel in demselben durchaus verboten, so daß es weder als Markt noch als Durchgangsstraße benutzt werden sollte. Ebenso sollte keine der Mächte, welche Souveränitätsrechte in diesem Gebiet ausüben, Monopole oder Privilegien verleihen dürfen. Hinsichtlich der zu entrichtenden Abgaben wurde bestimmt, daß nur solche zulässig seien, welche den Charakter eines Entgelts tragen, wie Hafen- und Lotsengebühren, zur Bestreitung oder Erhaltung von Leuchttürmen und Baken u. dgl. Auf den Niger und seine Nebenflüsse sollten dieselben Grundsätze Anwendung finden.

Sind nun diese Abmachungen auch für die kontrahierenden Mächte bindend, so haben doch manche derselben vorläufig wohl noch auf sehr lange hin eine äußerst beschränkte Bedeutung, da die in Afrika selbst wohnenden Herrscher, namentlich der Sultan von Sansibar, dessen ganzes Gebiet an der Ostküste davon betroffen wird, gar nicht um ihre Zustimmung befragt wurden. Indessen wurde der Beschluß gefaßt, sich bei den an der ostafrikanischen Küste am Indischen Meer östlich vom Congobecken eingesetzten Regierungen zu verwenden, um dem Transit aller Nationen die günstigsten Bedingungen zu sichern. Eine der wichtigsten Folgen der C. war die Anerkennung und Begrenzung des neu ins Leben getretenen Congostaats (s. d.). Vgl. Patzig, Die afrikanische Konferenz, und der Congostaat (Heidelb. 1885); "Aktenstücke betreffend die Congofrage, nebst Karte" (offiziell Hamb. 1885).

Congostaat, der durch die Thätigkeit der Internationalen Gesellschaft des Congo in Äquatorialafrika ins Leben gerufene, durch die Berliner Congokonferenz (s. d.) von allen europäischen Mächten sowie schon früher von der Regierung der Vereinigten Staaten anerkannte freie Staat in Äquatorialafrika, dessen Grenzen durch die Verträge festgestellt sind, welche die Internationale Congogesellschaft 8. Nov. 1884 mit Deutschland, 5. Febr. 1885 mit Frankreich und 14. Febr. 1885 mit Portugal abgeschlossen hat (vgl. Karte beim Artikel "Congo"). Am Atlantischen Ozean besitzt der C. nur die kurze Küstenstrecke an der Mündung des Congoflusses nordwärts bis Cabo Lombo, von da geht die Grenze ostwärts bis zu 12° 20' östl. L. und folgt dann diesem Meridian bis zum Tschiloango, welcher nebst der Wasserscheide zwischen Congo und Kuilu darauf die Grenze bildet bis 15° östl. L., dem sie zum Congo folgt. Nun geht die Grenze am linken Ufer dieses Flusses aufwärts, dabei den Stanley Pool sowie die breite inselreiche Strecke des Stroms von Bolobo bis 0° 40' nördl. Br. in der Mitte durchschneidend. Von da nimmt die Grenze eine nordwestliche Richtung, bis sie den 17.° östl. L. trifft, und läuft diesen entlang zum 4.° nördl. Br., dem sie nun bis zum 30.° östl. L. folgt. Dann bildet dieser die Ostgrenze bis zur Nordostspitze des Luta Nzige, darauf zieht die Grenze zum Westufer des Tanganjika und an diesem bis zu 4° südl. Br., folgt demselben bis zum Lualaba, läuft an diesem hinauf zum Landschisee und von da ab westwärts etwas nördlich vom 6.° südl. Br. und diesem parallel bis Noki am linken Congoufer. In diesen von Deutschland anerkannten Grenzen umfaßt der C. ein Areal von 1,533,100 qkm (27,843 QM.) mit einer auf 27 Mill. geschätzten Bevölkerung, die, in zahlreiche Stämme zerspalten, der großen Völkerfamilie der Bantu angehört. Die von Belgien und Frankreich anerkannten Grenzen schließen noch das südlicher gelegene Areal zwischen Tanganjika, Moero und Bangweolo im O. und dem Lubilasch im W. ein, so daß der C. in dieser Umschreibung 2,074,100 qkm (37,678 QM.) umfaßt. Von diesem großen Gebiet sind bisher nicht einmal die Ufer des dasselbe durchziehenden Riesenstroms erforscht, dessen Lauf Stanley durch seine denkwürdige Fahrt der Welt zum erstenmal bekannt machte. Von da ab datieren die ersten Anfänge der Begründung des jetzigen Staats. Nachdem schon 15. Sept. 1876 auf Einladung König Leopolds II. der Belgier hervorragende Reisende, Geographen und Staatsmänner in Brüssel die Association Internationale Africaine mit König Leopold als Präsidenten gegründet und zunächst Ostäquatorialafrika zum Feld ihrer Thätigkeit gewählt hatten, konstituierte sich 25. Nov. 1878, nach der Begegnung König Leopolds mit Stanley, ebenfalls in Brüssel das Comité d'études du Haut-Congo, womit das Schwergewicht der Unternehmungen auf das Congogebiet verlegt wurde. Stanley, welcher für die Leitung dieser Unternehmungen gewonnen wurde, landete 1879 mit Arbeitern, die er in Sansibar angeworben hatte, an der Congomündung, gründete in Vivi, dem äußersten vom Meer aus zu erreichenden Punkt, 184 km von der Mündung, die erste Station, im Dezember 1880 bei Isangila die zweite, im Mai 1881 bei Manjanga die dritte und erreichte im Juli 1881 den Stanley Pool, dessen rechtes, westliches Ufer er aber bereits von Brazza im Namen Frankreichs besetzt fand, so daß er sich auf das entgegengesetzte Ufer begeben mußte, wo er bei dem Dorf Ntamo seine Hauptstation Léopoldville anlegte. Auf den Strecken, wo Fälle und Stromschnel-^[folgende Seite]

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