Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Genua

121

Genua (Geschichte).

ersten Stoß durch die Eroberung Konstantinopels durch die Türken (1453). Da die Republik weder Kaffa noch Corsica mehr behaupten konnte, so trat sie beide der Bank von St. Georg ab, welche die Verteidigung der bedrohten Kolonien übernahm. Um aber den Kämpfen der Parteien ein Ende zu machen, stellte sich die Republik abermals unter die Herrschaft des Königs von Frankreich, und 11. Mai 1458 nahm der als Statthalter des Königs nach G. gesandte Herzog Johann von Lothringen die Stadt für Frankreich in Besitz. Aber auch diesmal dauerte die französische Herrschaft nicht lange: als 1461 der Herzog einen Zug gegen Neapel unternahm, wurde sein Stellvertreter von den vereinigten Adorni und Fregosi zum Abzug genötigt, und der Erzbischof Paolo da Campo Fregoso, welcher den Aufstand angestiftet hatte, ließ sich hierauf 1463 selbst zum Dogen wählen und vereinigte so die höchste geistliche und weltliche Würde Genuas in Einer Person. 1464 trat jedoch der König Ludwig XI. von Frankreich seine Ansprüche auf G. an den Herzog Franz Sforza von Mailand ab, und dieser eroberte mit Hilfe der genuesischen Großen die ganze Küste und endlich auch die Stadt. Trotz wiederholter Unruhen blieben die Sforza Herren von G., bis 1499 mit Mailand auch G. wieder unter die Botmäßigkeit der Franzosen kam. Ein unter dem zum Dogen gewählten Seidenfärber Paolo von Novi 1506-1507 gemachter Versuch, die Franzosen zu vertreiben, wurde von Ludwig XII. hart bestraft. Nach mannigfachen Verwickelungen wurde Ottaviano da Campo Fregoso 1515 von König Franz I. als sein Statthalter anerkannt. Dieser stand in dem Krieg Frankreichs gegen die Liga von Venedig auf seiten des erstern, zog aber G. dadurch eine Belagerung durch die Kaiserlichen (1522) zu, in deren Folge es von dem Marquis von Pescara und Prospero Colonna erobert und geplündert ward. Der Doge ward gefangen und starb im Kerker. Nun verband sich G. 1523 mit Kaiser Karl V., welcher die Wahl eines neuen Dogen in der Person Antoniotto Adornos gestattete. Zwar mußte G. 1527 sich wieder dem König Franz I. unterwerfen; allein der Plan der Franzosen, in Savona eine Rivalin für G. aufzustellen und den Mittelpunkt des Handels dorthin zu verlegen, veranlaßte den genuesischen Admiral Andrea Doria 1528, sich für Karl V. zu erklären, worauf die Franzosen G. und Savona räumten. Karl V. erkannte G. als unabhängigen Staat an und dehnte seine Hoheit über Savona und die ganze ligurische Küste aus.

Hierauf wurde unter Leitung Dorias die Verfassung reformiert. Die alten Adelsvereine wurden aufgelöst und an ihre Stelle 28 Zechen (alberghi, Herbergen) gesetzt, in welchen die Vertreter der einander befehdenden Geschlechter und Parteien gemischt waren; doch war das niedere Volk von den Zechen und somit auch von politischen Rechten ausgeschlossen. Aus diesen Zechen sollte ein Senat von 400 Mitgliedern gewählt werden, der neben der Wahl aller Staatsbehörden die Kontrolle über die gesamte Staatsleitung üben sollte. Neben diesem Senat gab es noch einen engern Rat von 100 Mitgliedern. Dem Dogen stand die Signorie als fördernder, resp. beschränkender Beirat zur Seite. Sie bestand aus acht Mitgliedern, von denen stets je zwei im Dogenpalast, in unmittelbarer Nähe des Dogen, wohnen sollten. Die acht Procuratori del commune leiteten unter des Dogen Vorsitz die innere Staatsverwaltung kollegialisch; fünf Sindaci oder Zensoren hatten die Kontrolle der Exekutive und die Wahrung der neuen Verfassung zu üben. Andrea Doria, den seine Mitbürger zum lebenslänglichen Dogen machen wollten, schlug die Würde aus, wie er früher des Kaisers Anerbieten, ihm fürstliche Gewalt in G. zu verschaffen, zurückgewiesen hatte, und setzte es durch, daß die Amtsdauer des Dogen auf zwei Jahre beschränkt wurde. Der erste Doge wurde Uberto Lazario de' Cattanei. Indessen beherrschte doch Doria als auf vier Jahre gewählter Zensor Dogen und Rat. Er schaffte und erhielt lange Ruhe, konnte aber den Faktionsgeist doch nicht völlig bannen. Derselbe fand Nahrung in der Vorliebe des alternden Andrea für seinen herrschsüchtigen Neffen Gianettino Doria, von dem man fürchtete, er möchte mit Andreas Reichtümern auch dessen Macht erben. Dazu kam, daß in G., obwohl es von der Verbindung mit Spanien große Vorteile zog, doch noch eine französische Partei unter dem Adel bestand, welche die Republik Frankreich wieder zuführen wollte. Dies und den Sturz Dorias hatte die Verschwörung Fieschis (s. d.) zum Zweck, welche in der Nacht vom 1. zum 2. Jan. 1547 zum Ausbruch kam. Die Verschwörung schlug fehl, und Andrea Doria behielt seinen Einfluß bis an seinen Tod (1560). Ein Krieg mit den Franzosen um Corsica endigte zu gunsten Genuas, dagegen ging 1566 Chios für G. durch die Türken verloren. Da auch Cypern an die Venezianer verloren ging, so blieb Ägypten das einzige Land im Orient, nach welchem sich Genuas Handel richtete, der überdies durch die Entdeckungen der Spanier und Portugiesen einen starken Stoß bekam. Konflikte, welche allmählich wieder zwischen den alten und den unter Doria aufgenommenen Adelsfamilien entstanden, wobei die erstern an Spanien, die letztern an Frankreich sich anlehnten, führten zu einer neuen Verschwörung gegen den alten Adel, der eben im Begriff war, seine frühern Prärogativen fast unmerkbar wieder zu erringen. Die Einmischung Spaniens und das Erscheinen Don Juan d'Austrias mit der spanischen Flotte (1575) verhinderten den Ausbruch der Verschwörung. Nachdem sich die Signorie von G. einer schiedsrichterlichen Entscheidung durch den Papst, den Kaiser und den König von Spanien unterworfen, kam endlich als Resultat langer Unterhandlungen 17. März 1576 eine neue Verfassung zu stande, welche die Interessen beider Parteien ausgleichen sollte. Der alte Adel wurde seiner 1574 erzwungenen Prärogativen wieder beraubt und nun für immer der Unterschied zwischen altem und aggregiertem Adel aufgehoben und zugleich bestimmt, daß der Adel auch ferner einzelnen Würdigen als Belohnung erteilt werden konnte. Die 400 Senatoren sollten ohne Unterschied aus dem gesamten Adel gewählt und durch sie die Staatsämter besetzt werden. Die neue Verfassung war also eine streng aristokratische. Ganz getrennt von den Staatsstellen war die Verwaltung der St. Georgsbank.

Nun folgte eine längere Zeit der Ruhe, während welcher sich die Bürgerschaft dem Handel und der Industrie widmen konnte. 1624 erwarb G. das Marquisat Zuccarello, auf welches auch der Herzog Karl Emanuel von Savoyen, mit Frankreich und Venedig verbündet, vergeblich Ansprüche erhob. Zu derselben Zeit wurde nach dem Beispiel Venedigs auch zu G. das Tribunal der Staatsinquisition eingeführt. Eine Verschwörung, welche der Herzog von Savoyen 1628 durch Vachero, einen reichen Bürger, gegen den Adel erregte, wurde noch zeitig entdeckt. Vachero büßte sein Vorhaben, den Nichtadligen den ihnen durch die Verfassungen von 1528 und 1576 geraubten Anteil am Regiment gewaltsam zurückzuerobern, mit dem Tod. Zwischen dem Herzog und