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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Leber - Leberegelkrankheit.

kogen in demselben Maße schwindet, hat man der L. eine zuckerbildende Funktion zugeschrieben. Diese von Bernard begründete Lehre ist von Pavy u. a. widerlegt worden, indem man zeigte, daß die Zuckerbildung eine Leichenerscheinung sei, und daß die L. eines ganz frisch getöteten Tiers keinen andern Zucker besitzt als den in ihrem Blut enthaltenen (das Blut enthält stets, und selbst im Hungerzustand, nicht unbedeutende Mengen von Zucker). Welchen Zwecken das in der L. gebildete Glykogen dient, läßt sich nur vermuten. Im Verhältnis zu den lebhaften chemischen Vorgängen, welche in der L. ablaufen, sind unsere Kenntnisse von den Funktionen dieses Organs äußerst dürftig. Eine ungefähre Vorstellung von dem Umfang der erstern erhalten wir durch Temperaturmessungen; so beobachtete Heidenhain in der Lebervene eines Hundes eine Temperatur von 40,73° C., während das Blut der hintern Hohlvene nur 38,35-39,58° und das des rechten Herzens nur 37,7° hatte. - Über die Gallenbereitung in der L. s. Galle; über die Krankheiten der L. s. Leberkrankheiten.

Leber, in der Chemie und Pharmazie Name verschiedener mehr oder weniger leberfarbener schwefelhaltiger Präparate, s. Hepar.

Leberabsceß, s. Leberkrankheiten.

Leberanschoppung, s. Leberkrankheiten.

Leberatrophie, s. Leberkrankheiten.

Leberau (franz. Lièpvre), Stadt im deutschen Bezirk Oberelsaß, Kreis Rappoltsweiler, in einem Thal der Vogesen, an der Leber und der Eisenbahn Schlettstadt-Markirch, hat mechanische Weberei, ein ehemaliges Benediktinerkloster und (1885) 2567 meist kath. Einwohner.

Leberblende, s. v. w. Zinkblende.

Leberblümchen, s. Hepatica.

Lebercarcinom, Leberkrebs, s. Leberkrankheiten.

Lebercirrhose, s. Leberkrankheiten.

Leberdistel, s. Lattich.

Leberegel (Distomum Retz.), Eingeweidewurm aus der zu den Platoden (s. d.) oder Plattwürmern gehörigen Ordnung der Trematoden oder Saugwürmer. Die Familie der Distomeen (Distomidae) oder Doppellöcher zeichnet sich durch den Besitz zweier Saugnäpfe aus, von denen der zum Mund führende vorn, der andre in der Mitte des Bauches gelegen ist. Von großem Interesse ist die eigentümliche Art der Entwickelung, die indessen erst bei einem geringen Teil der Gruppe genau bekannt ist. Die verhältnismäßig kleinen Eier werden an feuchte Plätze oder ins Wasser abgelegt; aus ihnen schlüpfen wimperlose oder bewimperte Larven, welche gewöhnlich in eine Schnecke einwandern und sich in ihr zu sogen. Keimschläuchen umgestalten. Diese, entweder ohne oder mit Mund und Darm (sogen. Sporocysten, resp. Redien), erzeugen in sich entweder erst eine zweite Generation von Keimschläuchen oder mit Ausfall derselben direkt die sogen. Cerkarien, d. h. geschwänzte Larven, die früher allgemein für besondere Würmer gehalten wurden und auch, abgesehen vom Mangel der Geschlechtsorgane, den erwachsenen Leberegeln schon ähnlich sind. In solcher Form verlassen sie die Keimschläuche (auch Ammen genannt) und deren Wirt und suchen im Wasser neue Tiere (Schnecken, Würmer, Krebse etc.), um mit Hilfe ihres Schwanzes sich in dieselben einzubohren und sich darin einzukapseln. Gelangt dann dieser zweite Wirt in den Magen eines dritten, so löst sich die Kapsel (Cyste) auf, und das Distomum kriecht in das bestimmte Organ (Leber, Darm, Harnblase) hinein; hier erst wird es geschlechtsreif. Es ist also der ganze Entwickelungscyklus an drei Wirte gebunden und somit von vielen Zufälligkeiten abhängig; doch werden diese wieder dadurch ausgeglichen, daß in der angegebenen Weise aus einem einzigen Ei sehr viele Individuen hervorgehen. Übrigens zeigen sich bei den verschiedenen Arten der Distomeen Vereinfachungen oder auch Verwickelungen des geschilderten Vorganges. Die bekannteste Art ist der L. (D. hepaticum L., s. Tafel "Würmer") von etwa 3 cm Länge. Er lebt in den Gallengängen des Schafs und andrer Haustiere, auch der Hasen und Hirsche, und erzeugt die sogen. Leberegelkrankheit (s. d.). Auch im Menschen kommt er gelegentlich vor, dringt sogar in die Pfortader und in das Gebiet der Hohlvene ein, verursacht große Beschwerden und führt zuweilen den Tod herbei. Man kennt von ihm nur die erste Larvenform, nicht aber Amme und Cerkarie. D. lanceolatum Mehlis, 8-9 mm lang, dem vorigen ähnlich, kommt mit ihm zusammen vor und verursacht dieselben Erscheinungen. Über seine Entwickelung weiß man nichts; doch ist sicher, daß die Schafe die Larven auf versumpften oder doch feuchten Stellen, an Wassertümpeln etc. aufnehmen. D. haematobium Bilh. ist getrenntgeschlechtig, das Weibchen schmächtig, cylindrisch, das Männchen mit starken Saugnäpfen und rinnenartig umgeschlagenen Seitenrändern, welche einen Kanal zur Aufnahme des Weibchens bilden. Je ein Männchen und Weibchen leben vereint in der Pfortader, Milz, den Darm- und Harnblasenvenen der Abessinier und verursachen bösartige Entzündungen der Harnorgane und des Darms. D. crassum Mehlis lebt im Darm der Chinesen. Vgl. Leuckart, Die menschlichen Parasiten (2. Aufl., Leipz. 1879 ff.); Derselbe, Allgemeine Naturgeschichte der Parasiten (das. 1879).

Leberegelkrankheit (Fäule, Verhüten, Anbrüchigkeit, Bleichsucht, Egelseuche, Distomatosis, Cachexia ictero-verminosa), eine bei den Wiederkäuern, vorzugsweise bei Schafen, vorkommende abzehrende und mit Ansammlung von wässeriger Flüssigkeit in dem Unterhautzellgewebe, zwischen den Muskeln und in den Körperhöhlen verbundene Krankheit, die durch das Vorhandensein von Leberegeln (Distomum hepaticum L. und D. lanceolatum Mehlis) in den Gallengängen der Leber verursacht wird. Nicht selten werden 100-600 Egel in der Leber eines Schafs gefunden. Die einzige Ursache der Krankheit ist die Aufnahme der Leberegelbrut, welche sich auf feuchten Weiden, an Bachrändern etc. sowie in stagnierendem Wasser in Gräben und Pfützen findet. Im Sommer oder Herbst, vorzugsweise morgens und abends, wenn die Weiden vom Tau naß sind, kann in wenigen Stunden so viel Egelbrut aufgenommen werden, daß die Krankheit entsteht. Auch kann diese bei Stallfütterung durch Gras von feuchten Stellen hervorgerufen werden. Die Egelbrut wandert vom Magen oder Darm aus in die Leber ein. Ist die Einwanderung sehr stark, so kann der Tod sehr schnell erfolgen. Dies ist aber nur höchst selten der Fall, in der Regel erkranken die Schafe erst mehrere Monate nach der Aufnahme der Egelbrut. Die ersten Symptome sind Mattigkeit, Appetitsverminderung und Gelbfärbung der Schleimhäute. Allmählich werden die Schleimhäute und die äußere Haut blaß, namentlich die Bindehaut der Augen, die außerdem infolge wässeriger Infiltration anschwillt und einen fettigen Glanz bekommt. Auch im Zellgewebe unter der äußern Haut sammelt sich bald wässerige Flüssigkeit an, infolgedessen die Schafe an-^[folgende Seite]