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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Livius Andronicus; Livland

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Livius Andronicus - Livland.

die Zeit von 218 bis 167 umfassen; außerdem sind von sämtlichen Büchern (mit Ausnahme von Buch 136 und 137) noch kurze Inhaltsangaben, Epitomae genannt, vorhanden, welche häufig, jedoch ohne Grund, dem Florus als Verfasser zugeschrieben wurden. L. unternahm das Werk, wie er selbst in der Vorrede erklärt, teils um sich selbst in die Vergangenheit zu versenken und so die Not und das Elend der Gegenwart zu vergessen, teils um seinen Zeitgenossen das erhebende Bild der großen alten Zeit vorzuhalten, und hat in der That damit ein Nationalwerk geschaffen, welches von den Alten allgemein aufs höchste bewundert und verehrt wurde und welches noch jetzt übereinstimmend als eins der bedeutendsten Erzeugnisse der römischen Litteratur anerkannt wird. Es wurde zwischen 27 und 25 v. Chr. begonnen und nach und nach in einzelnen Abschnitten veröffentlicht (die Einteilung nach Dekaden rührt jedoch nicht von L. selbst her, sondern ist spätern Ursprungs); er hat wahrscheinlich bis an seinen Tod an dem Werke gearbeitet und ist nur durch diesen verhindert worden, es bis zu einem geeigneten Endpunkt, vielleicht bis zum Tode des Augustus, fortzuführen. Da sein Zweck ein überwiegend praktischer war, so war es ihm weniger um eine kritische Erforschung der römischen Geschichte als um eine wirksame, lebendige, den gesteigerten Ansprüchen seiner Zeit genügende Darstellung zu thun. Er griff daher zu den bereitesten Hilfsmitteln, für die ältere Zeit zu den sogen. Annalisten, sodann für die Zeit seit dem zweiten Punischen Krieg zu Polybios, später, wie es scheint, hauptsächlich zu Posidonius, und begnügte sich, dasjenige, was ihm das Wahrscheinlichste und Angemessenste dünkte, in einer gewählten, geschmackvollen Sprache wiederzugeben und namentlich durch eingeflochtene Reden und Charakterschilderungen, die einen Hauptreiz seines Werkes bilden, zu beleben und auszuschmücken. Am wenigsten ist es ihm gelungen, sich von der Entwickelung der römischen Verfassung eine deutliche Vorstellung zu bilden, wie er denn z. B. die Plebejer der alten Zeit völlig mit dem Pöbel seiner Zeit identifiziert; bei der Darstellung der Bürgerkriege, die zu dem Untergang der Republik führten, hat er für die Aristokratie Partei genommen, so daß Augustus ihn einen Pompejaner nennen konnte. Die erste gedruckte Ausgabe erschien in Rom, wahrscheinlich (die Jahreszahl ist nicht angegeben) 1469. Es fehlen darin die Bücher 41-45, welche Bücher zuerst in einer Baseler Ausgabe von 1531 aus der einzigen dieselben enthaltenden Handschrift, welche ehedem dem Kloster Lorsch angehörte und sich jetzt in Wien befindet, hinzugefügt worden sind. Von den folgenden Ausgaben sind die wichtigsten: von J. Fr. ^[Johann Friedrich] Gronov (Leiden 1645, 4 Bde., u. Amsterd. 1679, 3 Bde.), von Drakenborch (Amsterd. u. Leiden 1738-46, 7 Bde., u. Stuttg. 1820-28, 15 Bde.), von A. W. Ernesti (mit Glossar, Leipz. 1769, 3 Bde.; neu hrsg. von Kreyssig, 1823-1827, 5 Bde.), von Alschefski (Berl. 1841-46, 3 Bde.), von Weißenborn (Leipz. u. Berl. 1850 ff., 10 Bde.), von Hertz (das. 1857-66, 4 Bde.), von Madvig und Ussing (Kopenh. 1861-76, 4 Bde.). Neuere erklärende Ausgaben von Weißenborn, Fabri, Wölfflin u. a. Deutsche Übersetzungen lieferten Heusinger (Braunschweig 1821, 5 Bde.), Örtel (3. Aufl., Stuttg. 1844, 8 Bde.), Gerlach (das. 1856 ff.) und Klaiber (neue Ausg. von Teuffel, das. 1854-56, 6 Bde.). Vgl. Lachmann, De fontibus historiarum T. Livii (Götting. 1822-1828, 2 Bde.); Taine, Essai sur Tite Live (5. Aufl., Par. 1882); Madvig, Emendationes Livianae (2. Aufl., Kopenh. 1877).

Livius Andronicus, der Schöpfer der epischen und dramatischen Poesie der Römer, geboren im griechischen Unteritalien, vielleicht zu Tarent, kam von hier 272 v. Chr. nach Rom als Kriegsgefangener und Sklave eines Livius, dessen Kinder er unterrichtete, und von dem er später freigelassen wurde. Zum erstenmal trat L., und zwar als Dichter und Schauspieler in Einer Person, 240 mit einem nach griechischem Muster verfertigten Drama auf die Bühne und rief damit das römische Kunstdrama ins Leben. Trotz ihrer unvollkommenen Form und Abhängigkeit von den griechischen Mustern waren seine Tragödien und Komödien doch ein dankenswerter Anfang (die spärlichen Fragmente bei O. Ribbeck, Scaenicae poesis romanae fragmenta, 2. Aufl., Leipz. 1871-73, und L. Müller, Livi Andronici et Cn. Naevi fabularum reliquiae, Berl. 1885). Außerdem verfaßte L. eine lateinische Bearbeitung der Odyssee im saturnischen Versmaß, die lange in den Schulen gelesen wurde (Überreste gesammelt von Günther, Stett. 1864). Vgl. Ribbeck, Die römische Tragödie (Leipz. 1875).

Livland (nach älterer Schreibweise Liefland, lat. Livonia), eine der drei baltischen oder Ostseeprovinzen Rußlands (s. die beifolgende Karte "Russische Ostseeprovinzen"), grenzt im N. an Esthland, im O. an den Peipussee, der es vom Petersburger Gouvernement trennt, und an das Gouvernement Pskow, im SO. an Witebsk, im SW. an Kurland und im W. an den Rigaischen Meerbusen und umfaßt ein Areal von 47,028,5 qkm (854 QM.), wovon 2876 qkm auf Inseln (Ösel, Mohn etc.) kommen. Das Land bildet eine weite Ebene, welche von einem (von N.) aus Esthland kommenden Plateau (120 m hoch) durchzogen wird. Zum Wirzjärwer See senkt sich das Plateau allmählich und teilt sich in zwei Zweige, von denen der eine die Wirzjärwer Niederung westlich umzieht und sich wellenförmig zwischen 80 und 134 m Höhe östlich bis zur Aa, südlich bis Lemsal hinzieht. Der andre (östliche) Zweig bildet die Wasserscheide zwischen dem Peipus- und dem Wirzjärwer See, wird vom Embachthal durchschnitten, erhebt sich allmählich bis 213 m und erreicht seine höchsten Punkte im Munna Mäggi (323 m), der höchsten Erhebung der baltischen Provinzen, und im Wella Mäggi (288 m). Südlich vom Teufelsberg (257 m) fällt das Hochland zum Marienburger See (182 m) und verbindet sich weiterhin mit dem 213 m hohen Plateau zwischen den Flüssen Ewst und Aa, dessen höchste Punkte die Berge Gaising-Kalns (302 m) und Nessaule-Kalns (284 m) sind. Als besonders schöne Gegenden Livlands gelten Segewold, Treiben, Kremon, die mit zahlreichen Burgruinen geschmückte sogen. livländische Schweiz sowie Kockenhusen. Das Land an der Ostsee, an den Flüssen Pernau, Salis, Aa und Düna und an dem Peipus- und Wirzjärwer See bildet Tiefebenen, meist von ungeheuern Wäldern und Sümpfen oder Moosmorästen bedeckt. An Gewässern ist L. sehr reich; man hat 325 Flüsse und über 1000 Seen gezählt, von denen die meisten (540) auf den Wendenschen Kreis kommen. Schiffbare Flüsse sind: die Pernau, die Salis, die Düna, die livländische und die kurländische Aa, der Embach. Die fast 300 km lange Meeresküste hat nur zwei Häfen, die Mündungen der Düna und der Pernau. Die geognostische Formation des nördlichsten Teils Livlands und der Inseln gehört der neuern Primordialzeit (Silur), der ganze übrige Teil des Landes dem devonischen System an, und nur, wo dieses abgewaschen ist, treten gewöhnlich streifenweise silurische Formationen zu Tage. Der östliche Teil Livlands besteht aus Dilu-^[folgende Seite]