665
Orléans - Österreich.
Teleskope manchmal in Höhen von mehr als 6000 m über der Erde hinziehen sehen; bei nebeliger Luft ziehen sie aber stets bedeutend tiefer, zum Beweis, daß eben das Auge ihr hauptsächlichstes Ortssinnesorgan bleibt. Es ist aber durchaus nicht unwahrscheinlich, daß die Sicherheit der einzuschlagenden Richtung durch anderweite Wahrnehmungen, wie Beobachtung des Sonnenstandes, Empfindung des Feuchtigkeitsgehaltes der Luftströmungen, vielleicht auch Geruchswahrnehmungen u. dgl., wesentlich erhöht wird. Lubbock überführte sich bei den angedeuteten Ameisenuntersuchungen, daß diese Tiere stets ihren Weg fanden, indem sie die Richtung beobachteten, aus welcher das herrschende Licht kam. Solange die Lichtquelle an derselben Stelle blieb, wußten sie, wenn auch oftmals auf der rotierenden Platte umgedreht, nach dem Aufhören der Drehung ihren Weg von und nach dem Neste wieder sicher zu finden. Sobald aber das Licht versetzt wurde, erschienen sie über die einzuschlagende Richtung unsicher gemacht, selbst ohne alle Rotation. Wenn aber schon Ameisen im stande sind, sich nach der Richtung der Lichtstrahlen, bez. nach dem jeweiligen Sonnenstand zu richten, so ist nicht abzusehen, weshalb nicht Vögel dieselben Mittel benutzen sollten. Bei Brieftauben, Hunden und dergleichen Tieren, die über Nacht in verschlossenen Wagen oder Käfigen weite Strecken zurücklegten und nachher den Weg zurückfinden, ist es wahrscheinlicher, daß sie sich durch versuchsweise eingeschlagene Richtungen zurechtfinden, als daß sie, wie einige geglaubt haben, ein bestimmtes Gefühl für die Richtung, in der man sie von der Heimat entfernt hat, zu Rate ziehen können. Brieftauben steigen zunächst senkrecht auf, um einen Überblick für den ersten Versuch zu gewinnen.
Orléans, Ludwig Philipp, Herzog von, wurde 3. Juni 1890 aus dem Gefängnis in Clairvaux entlassen. Sein Vater, der Graf von Paris, unternahm darauf mit ihm eine Reise nach Amerika. Über die Verbindung des Prätendenten mit Boulanger brachte die französische Presse unangenehme Enthüllungen, aus denen hervorging, daß der Graf zwar die Unterstützung Boulangers und seiner Anhänger durch die Monarchisten gebilligt und befördert habe, im Glauben, dadurch die Republikaner zu entzweien und die Republik zu stürzen, selbst aber zu den Kosten der Wahlagitationen wenig beigetragen, sondern nur die Herzogin von Uzès veranlaßt habe, 3 Mill. Frank zu diesem Zwecke zu opfern, die er nach Wiederherstellung seines Thrones zurückzubezahlen versprach. Der Graf leugnete nicht, daß er, von der Republik geächtet, im Kampfe gegen sie alle Waffen aufgerafft habe, die sie ihm lieferte, verlor aber hierdurch auch in den Augen der Monarchisten nicht wenig an Einfluß und Achtung. - Von dem 1842 gestorbenen Herzog Ferdinand von O. wurden die »Lettres 1825-42« (Par. 1889) und die »Récits de campagne en Algérie 1833-41« (das. 1890) durch seine Söhne herausgegeben.
Orterer, Georg, bayr. Politiker, geb. 30. Okt. 1849 zu Wörth in Oberbayern, studierte 1868-73 zu München und Leipzig Philologie, ward Studienlehrer in Schweinfurt, dann in München und 1886 Gymnasialprofessor in Freising. In das bayrische Abgeordnetenhaus gewählt, schloß er sich der Patriotenpartei an und trat namentlich 1889/90 durch seine heftigen Angriffe auf das Ministerium Lutz hervor. Als Mitglied des Reichstags (seit 1884) gehörte er zum demokratischen Flügel der Zentrumspartei.
Orth, Johann, s. Johann 14).
Ostermann, Wilhelm, Schulmann und pädagog. Schriftsteller, geb. 29. Jan. 1850 zu Prezelle in Hannover, studierte, in Hannover vorgebildet, in Berlin, Erlangen und Göttingen Theologie und Philologie und ward hier namentlich von Lotze angeregt und für dessen philosophische Weltansicht gewonnen. Seit 1874 Rektor des Progymnasiums zu Schlüchtern und seit 1875 ordentlicher Seminarlehrer daselbst, ward O. 1876 als Oberlehrer an das Lehrerseminar zu Oldenburg berufen und dort 1877 zum Seminardirektor, 1887 zum Schulrat ernannt. Er schrieb: »Lehrbuch der Pädagogik« (mit Wegener, 3. Aufl., Oldenb. 1889-90, 2 Bde.); »Grundlehren der pädagogischen Psychologie« (das. 1880); »Die Irrtümer der Herbartschen Psychologie und ihre pädagogischen Konsequenzen« (das. 1887); »Zur Herbartfrage« (das. 1888). Seit 1886 bearbeitet O. den Abschnitt für Pädagogik im »Pädagogischen Jahresbericht«.
Österreich, Kaisertum. Der Flächeninhalt der österreichisch-ungarischen Monarchie, welcher zuletzt offiziell (im »Statistischen Handbuch der österreichisch-ungarischen Monarchie«, Jahrg. 1888) mit 622,309,65 qkm angegeben wurde, stellt sich nach neuern Ermittelungen namentlich für das ungarische Staatsgebiet höher heraus. Mit Zugrundelegung der Ergebnisse der Grundsteuerregulierung erhält man 625,031,58 qkm, und der Geograph Strelbitsky gelangte sogar zu einem Ausmaß von 625,623,4 qkm. Neuestens hat Professor A. Penck in Wien mit Hilfe der Spezialkarte der Monarchie (Maßstab 1:75,000) die Fläche derselben berechnet. Hiernach beträgt der Flächenraum der Monarchie 625,556,77 qkm, also um 3247,12 qkm mehr als nach der jüngsten offiziellen Angabe. Die Differenz bezog sich hauptsächlich auf Ungarn, welches nach Pencks Messung um 3054,02 qkm größer ist, als bisher offiziell angenommen wurde (vgl. A. Penck, Der Flächeninhalt der österreichisch-ungarischen Monarchie, Wien 1889).
[Bevölkerung.] Am Schlusse des Jahres 1890 wurde in Ö. eine Volkszählung, die dritte auf Grund des Gesetzes vom 29. März 1869, vorgenommen. Nach den vorläufigen Ergebnissen derselben belief sich die Bevölkerung der einzelnen Kronländer im Vergleich zum Jahr 1880 folgendermaßen:
Kronland Bevölkerung Zunahme
1880 1890 Seelen Proz.
Niederösterreich 2330621 2651530 320909 13,8
Oberösterreich 759620 783576 23956 3,2
Salzburg 163570 173872 10302 6,3
Steiermark 1213597 1281023 67426 5,6
Kärnten 348730 360443 11713 3,4
Krain 481243 498390 17147 3,6
Küstenland 647934 695853 47919 7,4
Tirol und Vorarlberg 912549 928920 16371 1,8
Böhmen 5560819 5837603 276784 5,0
Mähren 2153407 2272856 119449 5,5
Schlesien 565475 602117 36642 6,5
Galizien 5958907 6578364 619457 10,4
Bukowina 571671 646607 74936 13,1
Dalmatien 476101 524107 18006 10,1
Zusammen: 22144244 23835261 1691017 7,6
Im Jahrzehnt 1880-90 hat sich demnach die Bevölkerung Österreichs um 1,691,017 oder 7,6 Proz., d. h. pro Jahr um 0,76 Proz., vermehrt, ein Zuwachsverhältnis, welches gegenüber dem der vorausgegangenen Periode 1869-80 mit jährlich 0,78 Proz. nur eine geringe Verlangsamung in dem ziemlich stetigen Entwickelungsgang zeigt. Von den einzelnen Kronländern stehen hinsichtlich des Bevölkerungszuwachses Niederösterreich (13,8 Proz.), Bukowina (13,1 Proz.), Galizien (10,4 Proz.) und Dalmatien (10,1 Proz.)