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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Deich

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Deich

seltener vorkommenden sog. offenen D. enthalten große Lücken und weisen nur die schädlichen Angriffe der Strömung, nachteilige Sand- und Geröllablagerungen, nicht aber das dazwischen eindringende Hochwasser selbst ab.

^[Fig. 1]

Rückdeiche (Fig. 1, ae) erstrecken sich längs eines Nebenflusses, um dessen Wasser und das vom Hauptflusse zurückgestaute Wasser von der Niederung fern zu halten. Binnendeiche schützen die Niederung gegen Hochfluten der von rückwärts kommenden Gewässer. Ringdeiche umschließen ganze Ortschaften eines sonst ungeschützten Fluhthales gegen Winterhochwässer.

Das Gebiet zwischen Fluß und D. heißt Vorland, der Grund, auf welchem der D. selbst steht, das Maifeld (s. d.), die zu schützende Fläche hinter dem D. das Binnenland. Bei Flußdeichen wird dies Binnenland Polder, bei Seedeichen Marsch (s. d.) genannt. Schlafdeiche (Fig. 1, bb) liegen binnenseits der Hauptdeiche, deren Bruch sie decken; sie sind in der Regel frühere Hauptdeiche, außerhalb welcher neue D. gebaut wurden. Schardeiche oder Gefahrdeiche haben kein genügendes Vorland und sind den Angriffen der Strömung direkt ausgesetzt; Flügeldeiche springen in das Vorland selbst vor, schützen Deichecken vor dem Einstoße oder das Vorland selbst gegen Abbruch bei Hochwässern oder einmündenden Nebenrinnsalen; Frontdeiche (Fig. 1, ad) verbinden quer zum Fluß den D. mit hochwasserfreien Ebenen. Die Einmündung der Seitenrinnsale in umdeichte Flüsse wird meist durch Deichschleusen, Siele (s. d.), geregelt.

Die Deichanlagen haben häufig ihren Zweck nicht vollständig erreicht, oder im Laufe der Zeit sogar Gefahren heraufbeschworen, indem durch sie der Hochwasserspiegel gehoben, die Strömung verstärkt wird, die das Binnenland befruchtenden und erhöhenden Sinkstoffablagerungen dem Gebiete entzogen werden, die Vorflut der Niederung vermindert wird, Deichbrüche und Beschädigungen, wachsende Lasten und Gefahren hervorgerufen werden. Endlich bringt bei lange andauerndem Hochwasser das aus dem sandigen Untergrunde des Binnenlandes emporsteigende Quellwasser (Qualm-, Kuver-, Dräng-, Truh-, Druck- oder Körwasser), dessen Menge mit dem Gefälle zwischen Außen- und Binnenwasser wächst, die größten Nachteile mit sich, indem es durch Bodenfiltration der Kulturschichte die fruchtbaren Stoffe entzieht und in untern Teilen der Niederung in den Marschen die bebauten Felder durch lange Zeit, die Saaten zerstörend, bedeckt. Die Steigerung der Hochwässer im Laufe der Jahrhunderte muß außer in der Entwaldung, der vermehrten Wasserzufuhr durch Entwässerungen der Grundstücke, in der raschern Zuleitung des Wassers infolge von Regulierungen im obern Flußlaufe, besonders auch in den Einschränkungen gesucht werden, die das Hochwasserbett durch hochgelegene Quais, Kunststraßen, Eisenbahndämme, Brückenpfeiler und die D. erfahren hat.

Die Aufforstung und Verasung öder Gebirgsflächen, die Verbauung der Wildbäche kann allgemein, die Zurückhaltung des Wassers im Gebirge durch Sickergräben, Gruben, Reservoirs, ferner die Ableitung des Hochwassers auf größere Flächen, welche zugleich zur Aufnahme der sich ablagernden Sinkstoffe dienen, können in besondern Fällen als Mittel zur Minderung der Hochfluten betrachtet werden. Die Umwandlung von Winter- in Sommerdeiche (bei gleichzeitiger Anlage von Ringdeichen für die Ortschaften, erhöhten Wegdämmen für die Kommunikation, Querdeichen zum Schutze gegen heftige Durchströmungen) sowie offene Deichanlagen werden entlastend hinsichtlich der Hochwässer wirken und die Deichgefahr bei Durchbrüchen mildern.

Das über die Stadt Szegedin (s. d.) im Frühjahr 1879 hereingebrochene Unglück liefert den Beweis, zu welchen Folgen planlos erbaute D. mit ungenügender Vorlandbreite, Bahndämme mit zu engen Brücken, Durchstiche unzureichenden Profils im obern Lauf des Flusses ohne Fortsetzung im untern Teile angelegt, führen können. Von 6000 Häusern der Stadt blieben infolge eingetretener Dammbrüche nur 314 unversehrt. Zu eingehenden Studien bieten die Anlagen an der Weichsel, dem Unterrhein, der Loire, Elbe und Weser Gelegenheit. Daß die Anlage von Dämmen längs der Flüsse mit besonderer Beachtung der Durchflußverhältnisse für Hochwasser erfolgen müsse, haben die großen Überschwemmungen in Tirol und Kärnten (15. bis 23. Sept. 1882) erwiesen. An der Pusterthalbahn wurde ein Damm auf eine Länge von 5,4 km ganz fortgerissen, auf 3,9 km stark beschädigt. Auch an der Brennerlinie sind erhebliche Beschädigungen dieser Art entstanden. Ebenso haben im Winter 1882/83 die Hochwässer des Rheins und Mains Damm- und Deichbrüche veranlaßt. So wurde an einer Stelle bei Bischofsheim, woselbst die Römer vor etwa 1700 Jahren das alte Flußbett zur Sicherung ihrer Festung abdämmten, der D. neuerdings wiederholt zerstört. Es zeigt dieses Beispiel, wie schwer sich mitunter widernatürlich angelegte Dämme erhalten lassen.

Bei neuen Anlagen, welche sorgfältigste Berücksichtigung der hydrogr. und sonstigen Fragen verlangen, muß besonders darauf gesehen werden, hinreichendes Vorland zu schaffen; die D. müssen zum Stromstriche und untereinander möglichst parallel liegen, sie sollen keine scharfen Krümmungen und Ecken aufweisen, über hohen, festen Boden führen und etwa vorkommende größere Vertiefungen im Vorlande lassen, weil sie dann im Laufe der Zeit zuschlicken, während sie binnendeichs zu Quellwasserbildungen Veranlassung bieten.

Die Dimensionen und die Zusammensetzung der D. selbst müssen so gewählt werden, daß kein Verschieben auf der Unterlage durch den Wasserdruck, kein Versinken in wenig tragfähigen Grund, kein Herausspülen des allfällig wasserdurchlässigen Untergrundes erfolgen kann; das Durchsickern des