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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Protokollarisch - Protuberanzen

vom ältesten Beisitzer) und Gerichtsschreiber zu unterzeichnen. Bei Behinderung eines Amtsrichters genügt die Unterschrift des Gerichtsschreibers. Das P. liefert, wenn es in der vorgeschriebenen Form aufgenommen ist, vollen Beweis des darin durch das Gericht beurkundeten Vorgangs; doch ist Gegenbeweis zulässig. Betreffs der Beobachtung der für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten besteht die Specialbestimmung, daß dieselbe nur durch das P. bewiesen und dessen Inhalt nur durch den Nachweis der Fälschung entkräftet werden kann. Analoge Vorschriften gelten auch für Verhandlungen, welche außerhalb der Sitzung vor dem erkennenden Gericht, vor Amtsrichtern oder vor Beauftragten oder ersuchten Richtern stattfinden (Civilprozeßordn. §§. 145‒151).

Für den Strafprozeß bestimmt die Deutsche Strafprozeßordnung Folgendes: In der gerichtlichen Voruntersuchung (s. d.) ist über jede Untersuchungshandlung ein P. aufzunehmen, welches Ort und Tag derselben und die Namen der mitwirkenden oder beteiligten Personen angeben und die Beobachtung der wesentlichen Förmlichkeiten des Verfahrens ersehen lassen, den Beteiligten, soweit es sie betrifft, zur Genehmigung vorgelesen oder zur Durchsicht vorgelegt werden, die erfolgte Genehmigung bezeugen, die Unterschrift der Beteiligten oder die Angabe ihrer Weigerungsgründe enthalten und schließlich vom Untersuchungsrichter und dem Gerichtsschreiber unterzeichnet werden soll. Über die Hauptverhandlung (s. d.) ist ein P. aufzunehmen und vom Vorsitzenden und Gerichtsschreiber zu unterschreiben, wobei für Behinderungsfälle die civilprozessualen Vorschriften gelten. Das P. enthält Ort und Tag, Namen der Richter, Geschworenen, Schöffen, des Staatsanwalts, des Gerichtsschreibers und des etwa zugezogenen Dolmetschers, die Bezeichnung der strafbaren Handlung laut Anklage, die Namen der Angeklagten, Verteidiger, Privat- und Nebenkläger, gesetzlichen Vertreter, Bevollmächtigten und Beistände, die Angabe, daß öffentlich verhandelt oder die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist. Das P. muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung wesentlich wiedergeben, die Beobachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, die verlesenen Schriftstücke bezeichnen, die Anträge, die Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten, bei der Verhandlung vor Schöffengerichten außerdem das wesentliche Ergebnis der Vernehmungen. Wegen des Beweises der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten waltet dieselbe Einschränkung wie im Civilprozeß ob. Auch über die Auslosung und Beeidigung von Schöffen und Geschworenen sowie über die Vollstreckung der Todesstrafe ist ein P. aufzunehmen.

Im völkerrechtlichen Verkehr ist es ebenfalls üblich, das Ergebnis der zwischen den beteiligten Regierungen getroffenen Vereinbarungen (Staatsverträge, Konventionen, Handelsverträge) durch P. zu fixieren. Dergleichen P. bilden wesentliche Hilfsmittel für die praktische Politik.

Protokollārisch, im Protokoll (s. d.) befindlich, durch Protokoll amtlich festgestellt; protokollieren, ins Protokoll aufnehmen.

Protolabis, s. Oreodon.

Protomartyr (grch.), s. Stephanus.

Protonēma (grch.), s. Moose (Bd. 12, S. 1032 b).

Protonotār (grch.-lat.), Protonotarĭus Apostolĭcus, Titel von sieben beim päpstl. Stuhl ein Kollegium (das Protonotariāt) bildenden Prälaten, die, mit hohen Vorrechten ausgestattet, die päpstl. Urkunden zu beglaubigen haben.

Proton Pseudos (grch., «erste Täuschung»), der Grundirrtum, der weitere Irrtümer zur Folge hat.

Protoplásma (grch.), früher auch Cytoplasma oder Sarkode genannt, eine weiche, feinkörnige, eiweißähnliche Substanz, die aus Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Wasserstoff und Schwefel besteht und die Grundsubstanz der tierischen und pflanzlichen Zellen darstellt (s. Proteïnstoffe). Das P. bildet die einfachsten Organismen (s. Protozoen) wie die höchsten Gewebe des Tier- und Pflanzenkörpers und vermittelt durch seine steten chem. Umänderungen die gesamten tierischen und pflanzlichen Lebenserscheinungen. (S. Zelle.)

Protoplásten (grch.), die Zuerstgebildeten; in der kirchlichen Dogmatik vorzugsweise Adam und Eva; protoplastisch, urbildlich.

Protopop, s. Pop.

Protopresbyter, s. Presbyter.

Protoprisma, s. Prisma.

Protoptĕrus, Gattung der Lungenfische (s. d.) mit einer Art, dem afrikanischen Schuppenmolch (P. annectens Owen, s. Tafel: Fische Ⅵ, Fig. 4), bis 2 m lang, mit fadenförmigen Gliedmaßen. Er bewohnt die Gewässer des tropischen Afrikas, lebt ausschließlich von Tieren, Fröschen, Fischen u. a. und verbringt die trockne Jahreszeit im völlig hart gewordenen Boden der Sümpfe innerhalb einer erhärteten Schleimkapsel, an der eine Öffnung zum Atmen bleibt. Derartige sommerschlafende Tiere werden öfters nach Europa gebracht.

Protopyramide, s. Pyramide, Hexagonale Pyramide und Tetragonale Pyramide.

Protorganismen, soviel wie Protisten.

Protos (grch., «der Erste»), in der griech. Kirche der Vorsteher mehrerer Klöster (s. Archimandrit).

Protosyncellus, s. Syncellus.

Prototȳp (grch.), Urtypus, Urbild, Musterbild.

Prototypogrāph (grch.), erster Drucker, ein in Inkunabeln (s. d.) häufig vorkommendes Wort.

Protozōen (grch.), im Gegensatz zu Metazoen (s. d.) solche einfachste Tiere, deren Leib aus nur einer einzigen Zelle besteht, deren Protoplasma aber doch differenziert sein und in verschiedenen Teilen verschiedenen physiol. Funktionen dienen kann. (S. Urtiere.)

Protrahieren (lat.), verzögern, aufschieben; Protraktion, Verzögerung.

Protuberánzen (lat.), eigentümliche rote Hervorragungen am Sonnenrande, die früher nur bei totalen Sonnenfinsternissen wahrgenommen werden konnten. Bei der totalen Sonnenfinsternis in Spanien 1860 wurden sie zuerst photographiert und kurze Zeit vor und nach der Verfinsterung wahrgenommen und zu gleicher Zeit als der Sonne angehörige Gebilde nachgewiesen. In ihrem Spektrum entdeckte zuerst Janssen während der totalen Sonnenfinsternis 1868 die hellen Wasserstofflinien; fast gleichzeitig gelang es Lockyer, das Vorhandensein von P. auch bei unverfinsterter Sonne nachzuweisen. Seit 1869 Zöllner und Huggins gezeigt haben, daß man jederzeit die P. im Spektroskop auch ihrer Form nach scharf wahrnehmen kann, wenn nur der Spalt desselben recht weit gemacht wird, gehören die P. auf mehrern Sternwarten, z. B. Potsdam, zu den regelmäßigen Beobachtungsobjekten. Ihr Auftreten ist nur scheinbar auf den