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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Totengräber - Totensagen.

findet sich in der indischen, persischen, griechischen und römischen Mythologie, wo gewöhnlich der erste Mensch (Manu) oder der erste König (Minos oder Rhadamanthys) oder der Gott der Unterwelt (Hades) als Totenrichter fungiert. Die Darstellung des Erzengels Michael mit der Seelenwage auf altdeutschen Gemälden beruht auf einem ähnlichen Gedankengang.

Totengräber, s. Aaskäfer.

Totenhalle, Totenhaus, s. Leichenhaus.

Totenkäfer, s. Tenebrionen.

Totenkopf (Caput mortuum), s. Englischrot.

Totenkopf (Acherontia Atropos Ochs.), Schmetterling aus der Familie der Schwärmer (Sphingidae), 11,5 cm breit, mit kurzen, dicken Fühlern, sehr kurzen Tastern, schwach entwickelter Rollzunge und plumpem Hinterleib von 19,5 mm Querdurchmesser, auf dem dicht braun behaarten, blaugrau schimmernden Thorax mit ockergelber, einem Totenkopf ähnlicher Zeichnung und auf dem gelben, schwarz geringelten Hinterleib mit breiter, blaugrauer Längsstrieme. Die Vorderflügel sind tiefbraun, schwarz und ockergelb gewölkt mit zwei gelblichen Querbinden, die Hinterflügel ockergelb mit zwei schwarzen Querbinden. Der T. erzeugt, wenn er gereizt wird, einen pfeifenden, schrillenden Ton, indem er aus einer sehr großen Saugblase im Vorderteil des Hinterleibs Luft durch eine Rüsselspalte ausstößt. Er findet sich in Süd- und Mitteleuropa, Afrika, auf Java und in Mexiko, bei uns einzeln, vorübergehend und örtlich im Herbste. Die 13 cm lange, grünlichgelbe, schwarzblau punktierte Raupe, mit blauen Winkelzeichnungen auf dem Rücken, findet sich bei uns im Juli und August auf Kartoffelkraut, Teufelszwirn, Stechapfel und verpuppt sich in der Erde. In Mittel- und Norddeutschland pflanzt sich der T. nicht fort, die dort gefundenen Raupen müssen von zugeflogenen Weibchen herrühren.

Totenköpfchen, Vogel, s. Fliegenfänger.

Totenleuchten, im Mittelalter auf Kirchhöfen (Begräbnisplätzen) errichtete Säulen mit laternenartigen Aufsätzen, in welchen ewige Lampen brannten. Eine mit Reliefs aus der Leidensgeschichte Christi geschmückte Totenleuchte von 1381 findet sich vor der Stiftskirche zu Klosterneuburg.

Totenmasken, s. Maske, S. 314.

Totenmesse, s. Requiem.

Totenmyrte, s. Vinca.

Totenopfer, s. Totenbestattung.

Totenorgel, s. Orgelgeschütz.

Totensagen. An die schon den rohesten Naturvölkern geläufigen Vorstellungen vom Fortleben nach dem Tod knüpfen sich eine Menge abergläubischer Gebräuche, Vorstellungen und Sagen, die sich zum Teil aus dem grauesten Altertum bis auf unsre Tage erhalten haben und jetzt durch den Spiritismus (s. d.) von neuem belebt werden. Man meint, daß die Seele, nachdem sie in Gestalt eines Wölkchens, Schmetterlings, einer Schlange etc. dem Mund entflohen, in ihrem neuen Zustand doch nicht ohne alle irdischen Bedürfnisse sei, auf deren Befriedigung verschiedene Bestattungszeremonien (s. Manendienst, Menschenopfer und Totenbestattung) abzielen. So werden die Fenster des Sterbezimmers geöffnet, um der Seele freie Bahn zu gewähren, und bei der Toteneinkleidung und -Einbettung bestimmte Rücksichten und wohl auch Vorsichtsmaßregeln gegen das Wiederkommen angewendet. Zu den einmaligen Pflichten kommen dauernde; es opferten die Römer z. B. den Verstorbenen von jeder Mahlzeit, indem sie von Speise und Trank etwas auf den Boden schütteten; die Katholiken lassen Messen für die Seelenruhe lesen, und auch durch zu vieles Weinen darf der Tote, der die Thränen im Krüglein sammeln muß, nicht gestört werden. Waren derartige Pflichten und Abfindungen versäumt worden, so glaubte man, daß der Tote keine Ruhe habe und die Nachgebliebenen beunruhige; so z. B. breiten die Samoaner, wenn ein in der Ferne Verstorbener kein ordentliches Begräbnis erhalten, ein Tuch aus und betrachten das erste Tier, z. B. ein Insekt, welches sich darauf setzt, als die umherirrende Seele, der dann die vorgeschriebenen Begräbniszeremonien erwiesen werden. Auch Menschen, die nicht ausgelebt haben und ermordet oder hingerichtet wurden, finden keine Ruhe, bis der Mörder entdeckt ist, bei dessen Annäherung ihre Wunden von neuem aufbrechen (s. Bahrrecht), oder bis ihre Verbrechen gesühnt sind. Aber auch unerfüllte kirchliche und bürgerliche Verpflichtungen rauben die Grabesruhe; die vor der Hochzeit gestorbene Braut besucht den Bräutigam in der griechischen, von Goethe umgedichteten Sage, die Wöchnerin das nachgelassene Kind. Besonders häßlich ist die noch immer sehr verbreitete Sage von den im Grab weiterlebenden Vampiren (s. d.), die ihren Angehörigen das Blut aussaugen, bis sie ihnen nachfolgen, wenn nicht besondere Vorsichtsmaßregeln gegen ihr Wiederkommen getroffen werden. Sind die Toten befriedigt, so ziehen sie in ein besseres Land (Elysium), welches in der Unterwelt oder da, wo die Sonne zur Ruhe geht, gedacht wird. Manche Völker erzählten von einer Toteninsel, zu der ein Fährmann (Charon) die Verstorbenen hinüberfährt, wo sie dann unter dem milden Zepter eines Totenkönigs ein schattenhaftes Dasein führen; anderwärts müssen sie einen Berg der Seligen (s. Glasberg) ersteigen. Aus dem Jenseits können sie nur durch besondere Totenbeschwörer (s. Nekromantie) oder durch spiritistische Veranstaltungen zurückgerufen werden, um den Lebenden Auskünfte, Orakel, Ratschläge etc. zu erteilen. Nur am Allerseelentag kommen sie freiwillig als langer "Zug des Todes", die Kinder in weißen Hemdchen unter Führung und Obhut der Totenmutter (Frau Holle), zur Erde, besuchen eine einsam gelegene, um Mitternacht erleuchtet erscheinende Kirche, worin der verstorbene Pfarrer Gottesdienst abhält, und die Gräber, auf welche dann vielfach brennende Lichter gestellt werden. So wurde schon im heidnischen Rom ein besonderes Laren- und Lemurenfest gefeiert, bei welchem man besondere Totenspeisen auftrug, weil dann die Unterwelt offen stand und die Toten scharenweise die Wohnungen besuchten. In Rußland trägt man noch heute am Allerseelentag Speise und Trank auf die Gräber. Man spricht auch von besondern Vorzeichen, die einer bestimmten Person den baldigen Tod verkünden sollen, von einem Anpochen des Todes an der Thür, von dem Ruf des Uhu als Totenvogel, von einer Totenuhr (s. Klopfkäfer), von einem freiwilligen Anschlagen der Glocken, wenn ein hoher Geistlicher sterben soll, von dem mahnenden Erscheinen einer weißen Frau (s. d.) in verschiedenen Fürstenhäusern, von einem Voraussehen des künftigen Leichenzugs (s. Zweites Gesicht), und in Dänemark nennt man gewisse Lähmungserscheinungen den Totengriff, gleichsam das erste Anpacken des Todesdämons. Überhaupt wurde der Tod früh personifiziert und als Dämon gedacht, der mit dem Erkrankten ringt und ihn endlich niederwirft. In Seuchezeiten wollte man ihn als von Ort zu Ort ziehenden oder auf lahmem Klepper durch das Stadtthor einziehenden Pestmann erblickt haben, der die