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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ägypten

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Ägypten (Tierwelt, Bevölkerung).

Zwei andre, im Altertum berühmte Gewächse Ägyptens, die Lotus- und Papyrusstaude, finden sich nur noch hier und da im Delta. Die wilde Flora Ägyptens unterscheidet sich im ganzen wenig von den Floren der übrigen Küstenländer des Mittelmeers. Der innerafrikanischen Flora gehören nur die Sykomoren (Acer pseudoplatanus), der Nabk und die Tamarinde (Tamarix orientalis) an. Wälder fehlen dem Land ganz, daher der Mangel an Bau- und Brennholz. Die Vegetation der Oasen wird hauptsächlich durch die Dattelpalme, Dumpalme (Rucifera thebaica ^[richtig: Nucifera thebaica]), mehrere Gummi liefernde Akazien und den Mannastrauch (Tamarix gallica mannifera) charakterisiert.

Die Tierwelt Ägyptens weist zunächst zahlreiche Fisch- und Amphibienarten auf. Der Nil ist sehr reich an Fischen, namentlich Welsen, Karpfenarten, Aalen u. a., welche meist wohlschmeckend sind, aber wenig geschätzt werden; doch findet ausgiebige Fischerei am Mensalehsee statt, wo dieselbe von der Regierung gegen 1½ Mill. Frank jährlich verpachtet wird. Unter den Amphibien ist vor allen das Krokodil zu nennen, das aber jetzt nur noch im südlichern Teil des Landes vorkommt; außerdem die Wüsten- und Nileidechsen und das Chamäleon. Von Vögeln treffen sich hier die Zugvögel der nord- und mitteleuropäischen Länder und die Vögel der tropischen Zone, namentlich Aasgeier, Wachteln, Wüstenrebhühner und Kraniche. In größter Menge werden noch jetzt, wie im Altertum, Tauben (hauptsächlich ihres Düngers wegen) und Hühner gehegt, die auch durch künstliche Ausbrütung gezogen werden. Auffallend ist es, daß der Ibis, der im alten Ä. so häufig vorkam und als heiliger Vogel verehrt wurde, jetzt äußerst selten geworden ist, indem er sich ebenfalls weiter nach S. zurückgezogen hat. In größerer Anzahl beleben die Nil- und Meeresufer Flamingos, Reiher und Pelikane. Größere reißende Tiere trifft man wegen des Mangels an Wäldern in A. nur selten an, doch scheinen auch sie in alter Zeit in größerer Anzahl und weiter herab am Nil vorgekommen zu sein als gegenwärtig; wenigstens sind auf den alten Monumenten öfters Jagden, namentlich Löwenjagden, abgebildet. Nur Leoparden, Hyänen, Füchse, Schakale, wilde Schweine, Antilopen und Hasen finden sich jetzt noch häufig vor. Unter den Haustieren sind das einhöckerige Kamel, der Büffel, das Pferd und der Esel die wichtigsten. Von den alten Ägyptern wird das Kamel nur sehr selten in den Hieroglyphen erwähnt und erscheint auch auf Denkmälern nicht oft abgebildet. Bei den benachbarten Völkern, namentlich in Palästina, wurde es viel gebraucht, besonders auch zu Handelsreisen nach Ä. Jetzt ist es im Delta und in Kairo häufiger anzutreffen als in Oberägypten. Das Pferd ist, wie wir aus den alten Urkunden wissen, erst um 1800 v. Chr. in Ä. eingeführt worden, während der Esel bereits ein Jahrtausend früher auf den ältesten Denkmälern vorkommt. Er ist noch jetzt das gewöhnlichste Last- und Reittier und wird in großer Menge gehalten. Auch der Büffel, welcher am besten in den Sumpfgegenden des Delta gedeiht, ist erst in späterer Zeit in Ä. eingeführt worden; dagegen mögen das Rind, jetzt hauptsächlich zum Feldbau verwandt und in Oberägypten anzutreffen, sowie das Schaf, die Ziege, das Schwein, der Hund und die Katze von alters her im Land einheimisch gewesen sein.

Bevölkerung.

Die Bevölkerung des alten Ä. betrug nach priesterlichen Angaben unter den Pharaonen gegen 7 Mill., welche in mehr als 18,000 Städten und größern Orten wohnten. Herodot gibt zur Zeit der größten Bevölkerung unter Amasis 20,000 Städte an. Nach Diodor wurden unter dem ersten Ptolemäer über 30,000 Orte gezählt und ebensoviel noch zur Zeit jenes Berichterstatters. Josephus zählt zu Neros Zeit 7½ Mill. Einw., wobei er die Bevölkerung von Alexandria, die zu Diodors Zeit allein 300,000 betrug, nicht mitrechnet. Die Gesamtzahl der Einwohner betrug 1877 im heutigen eigentlichen Ä. 5,517,627 (1883: 6,798,230), in den Dependenzen ca. 10,800,000 Seelen. Den Hauptstamm der Bevölkerung des eigentlichen Ä. machen 3½ Mill. arabische Fellahs aus, denen sich 300,000 Kopten, 600,000 Beduinen, 100,000 Türken, 70,000 Europäer u. a. anschließen. Diese Bevölkerung ist zumal in Unterägypten dicht angesessen, wo auch die großen Städte liegen: Kairo mit (1883) 368,108, Alexandria mit 208,755, Damiette mit 34,036, Tanta mit 38,725, Mansûra mit 26,784, Zagâzig mit 19,046, Rosette mit 16,671, Port Said mit 16,560, Suez mit 10,913 Einw. Die Bevölkerung Ägyptens ist demnach ein Gemisch aus verschiedenen Nationen. Die Abkömmlinge der alten Ägypter sind die Kopten (s. d.), welche vornehmlich in Oberägypten verbreitet und, obwohl infolge von Vermischung mit andern Völkern verändert, doch noch den alten Abbildern ihrer Vorfahren in den Hauptzügen ähnlich sind. Die koptische Sprache stammt von der altägyptischen, wird aber jetzt nur noch in der Liturgie gebraucht, nur von wenigen verstanden und gar nicht mehr gesprochen. Die Religion der Kopten ist christlicher Monophysitismus. Ihr kirchliches Oberhaupt ist der Patriarch von Alexandria, der aber in Kairo wohnt, und dessen Jurisdiktion sich auch über A. hinaus nach Nubien und Abessinien erstreckt. Die übrige christliche Bevölkerung Ägyptens besteht aus Armeniern und orthodoxen Griechen, welche ihre eignen Kirchen, Klöster und Gottesdienste haben. Levantiner heißen die Nachkömmlinge syrischer Christen; sie sind, wie die Armenier, sehr zahlreich. Juden, die übrigens bei dem Volk sehr verhaßt sind, gibt es nur wenige. Endlich ziehen auch viele Zigeuner im Land umher. Verschiedene Missionsgesellschaften, namentlich die amerikanischen Presbyterianer, die Jesuiten und Baseler Krischona-Missionäre, wirken für die Ausbreitung des Christentums. Was die mohammedanische Bevölkerung anlangt, so besteht dieselbe dem bei weitem größten Teil nach aus den Fellahs (Fellachen). Dies ist eine arme, unter harter Arbeit und Abgaben fast erliegende Menschenrasse, ohne Grundbesitz und an die Scholle gefesselt. In etwas besserer Lage befinden sich die Fellahs in den Städten, wo sie Gewerbe und Kleinhandel treiben und öfters zu Wohlhabenheit gelangen. Ein ganz andres Volk sind die Beduinen (Bedawi), welche sich ihren heimischen Stolz auch auf ägyptischem Boden zu bewahren gewußt haben. In einzelne Stämme (Kabîle genannt) geteilt, stehen sie unter Scheichs, treiben ein Nomadenleben und Viehhandel. Sie sind voll Mut und Freiheitsstolz, mäßig und von guter Leibeskonstitution. Blutrache und Weidestreitigkeiten führen oft zu blutigen Fehden unter ihnen. Sie heiraten nur untereinander und verabscheuen insbesondere die eheliche Verbindung mit Fellahs. Sie bekennen sich zwar zum Islam, aber ohne dessen Speisegesetze zu beobachten. Manche von ihnen leben vereinzelt in Höhlen und Felsenklüften oder nomadisierend, die meisten aber sind