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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Aufgebot; Aufgebotsschein; Aufgeien; Aufgeld

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Aufgebot - Aufgeld.

(ortus acronycticus) oder der Aufgang eines Sterns bei untergehender Sonne ist dem Grade des kosmischen Aufganges diametral entgegengesetzt und daher um sechs Monate davon unterschieden.

Aufgebot (Proklamation), öffentliche Bekanntmachung, Aufruf. Im Kirchenrecht die Bekanntmachung einer beabsichtigten ehelichen Verbindung vor versammelter Kirchengemeinde. Das A. soll nach dem Tridentiner Konzil durch die beiderseitigen Pfarrer des Domizils der Verlobten an drei aufeinander folgenden Fest-, resp. Sonntagen öffentlich während des Gottesdienstes erfolgen. Eine Nichtigkeit der Ehe hat jedoch die Unterlassung des Aufgebots nicht zur Folge. Auch die evangelische Kirche adoptierte die Vorschriften des kanonischen Rechts über das A. Dagegen ist durch die Einführung des Instituts der Zivilehe in dieser Hinsicht eine wesentliche Änderung hervorgerufen worden. Das A. hat nunmehr durch den Standesbeamten zu erfolgen. Dasselbe soll die Personalien der Verlobten und ihrer Eltern enthalten und ist durch zweiwöchigen Aushang bekannt zu geben und zwar in der Gemeinde oder in den Gemeinden, in welchen die Verlobten ihren Wohnsitz haben. Wenn einer der Verlobten seinen gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb seines gegenwärtigen Wohnsitzes hat, so muß das A. auch in der Gemeinde seines jetzigen Aufenthalts erfolgen und, wenn einer der Verlobten seinen Wohnsitz innerhalb der letzten sechs Monate gewechselt hat, auch in der Gemeinde seines frühern Wohnorts. Das A. ist nach vorgängiger Prüfung der Statthaftigkeit der Ehe, welche die Verlobten eingehen wollen, von dem zuständigen Standesbeamten zu erlassen und zu veranlassen. Es verliert seine Kraft, wenn seit dessen Vollziehung sechs Monate verstrichen sind, ohne daß die Ehe geschlossen worden ist. Von dem A. kann nur die zuständige Staatsbehörde dispensieren. Wird jedoch eine lebensgefährliche Krankheit, die den Aufschub der Eheschließung nicht gestattet, ärztlich bescheinigt, so kann der Standesbeamte auch ohne A. die Eheschließung vornehmen. Wenn übrigens die Kirche diesem staatlichen A. gegenüber gleichwohl an dem kirchlichen A. festhält, so kann dasselbe lediglich als eine Aufforderung zur Fürbitte für die Verlobten aufgefaßt werden. Die evangelischen Landeskirchen Deutschlands haben zudem das A. der Kirche meistens auf eine einmalige Proklamierung beschränkt. Vgl. Reichsgesetz vom 6. Febr. 1875 über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung, § 44 ff.; Blumstengl, Die Trauung im evangelischen Deutschland nach Recht und Ritus (Weim. 1879).

Die deutsche Zivilprozeßordnung (§ 823 ff.) gebraucht die Ausdrücke A. und Aufgebotsverfahren für die öffentliche gerichtliche Aufforderung zur Anmeldung von Ansprüchen oder Rechten mit der Wirkung, daß die Unterlassung der Anmeldung einen Rechtsnachteil zur Folge hat (Ediktalladung, Ediktalien). Dieser Rechtsnachteil besteht regelmäßig in dem Ausschluß des betreffenden Rechts oder des Anspruchs, um welchen es sich handelt. Das Aufgebotsverfahren gehört zur Zuständigkeit der Amtsgerichte. Die Bekanntmachung muß durch Anschlag an die Gerichtstafel erfolgen. Enthält das Schriftstück eine Ladung, so ist die zweimalige Einrückung eines Auszugs des Schriftstücks in dasjenige Blatt, welches für das Prozeßgericht zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen bestimmt ist, sowie die einmalige Einrückung des Auszugs in den "Deutschen Reichsanzeiger" erforderlich. Für die einzelnen Fälle, in welchen das A. stattfinden kann, ist die Landesgesetzgebung maßgebend, während das Verfahren durch die deutsche Zivilprozeßordnung geregelt ist. Besondere Vorschriften sind hier namentlich in Ansehung des Verfahrens zum Zweck der Kraftloserklärung (Amortisation) abhanden gekommener oder vernichteter Wechsel und kaufmännischer Waren- und Dispositionspapiere getroffen. In solchen Fällen ist für das Aufgebotsverfahren das Gericht des Orts zuständig, welchen die Urkunde als den Erfüllungsort bezeichnet. Enthält die Urkunde eine solche Bezeichnung nicht, so ist das Gericht zuständig, bei welchem der Aussteller seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, und in Ermangelung eines solchen Gerichts dasjenige, bei welchem der Aussteller zur Zeit der Ausstellung seinen allgemeinen Gerichtsstand gehabt hat. Ist der Anspruch, über welchen die Urkunde ausgestellt ist, in ein Grund- und Hypothekenbuch eingetragen, so ist das Gericht der belegenen Sache ausschließlich zuständig. Zur Antragstellung ist der aus der Urkunde Berechtigte, bei Inhaberpapieren und den mit Blankoindossament versehenen, begebbaren Papieren der letzte Inhaber befugt. Der Aufgebotstermin ist in solchen Fällen auf mindestens sechs Monate hinaus zu bestimmen. In dem A. ist der Inhaber der Urkunde aufzufordern, spätestens im Aufgebotstermin seine Rechte bei Gericht anzumelden und die Urkunde vorzulegen. Als Rechtsnachteil ist anzudrohen, daß die Kraftloserklärung der Urkunde erfolgen werde. Die öffentliche Bekanntmachung des Aufgebots erfolgt durch Anheftung an die Gerichtstafel und in dem Lokal der Börse, wenn eine solche am Sitz des Aufgebotsgerichts besteht, sowie durch dreimalige Einrückung in öffentliche Blätter. Das nach fruchtlosem Ablauf der Aufgebotsfrist zu erlassende Urteil, welches den Eintritt des angedrohten Rechtsnachteils ausspricht, wird Ausschlußurteil genannt. Vgl. Daude, Das Aufgebotsverfahren nach preußischem Recht (Berl. 1881); Wandersleben, Aufgebotsverfahren (das. 1881).

Über das Aufgebotsverfahren in Patentsachen s. Patentschutz. - In militärischem Sinn versteht man unter A. den Aufruf des Landesherrn an das Volk zum Ergreifen der Waffen, dann die aufgebotene wehrfähige Masse selbst. Schon die Hebräer boten, wenn die Not es forderte, das ganze Volk auf, und die Römer hatten das A. beim Tumultus. Nach den Völkerwanderungen des 4.-6. Jahrh. erscheint das A. als Heerbann und erhält sich noch weit ins Mittelalter hinein. Mit der Einrichtung und Ausbildung der stehenden Heere verschwinden die Aufgebote der Masse mehr und mehr, und im Anfang des 18. Jahrh. hielt man sie kaum mehr für möglich. Die französische Revolution rief sie wieder ins Leben. Frankreich schuf sich starke Heere durch die levée en masse. Österreich suchte zuerst 1809 sein Heil im A. der Masse, und 1813 folgte Preußen in größerm Maßstab diesem Beispiel. Nach den Befreiungskriegen wurde die preußische Landwehr der Länge der Dienstzeit nach in ein erstes und zweites A. eingeteilt. Das unregelmäßige A. der Volksmassen, zu dem Frankreich noch 1870 Anläufe machte, verschwand vor der gesetzlichen Einführung der allgemeinen Wehrpflicht.

Aufgebotsschein, das amtliche Zeugnis, daß das Aufgebot (s. d.) stattgefunden, ohne daß ein gültiger Einspruch erfolgt sei.

Aufgeien, ein Segel mittels besonderer Taue (Geitaue und Gordings) in großen Bauschen (Bungeln) unter der Raa zusammennehmen, wenn es der Einwirkung des Windes entzogen werden soll.

Aufgeld, s. Agio. Über A. bei einem Kauf, einer Miete etc. s. Angeld.