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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Baumwolle

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Baumwolle (Geschichte der Baumwollindustrie; Statistisches).

wenig feste Bourbon-B. stammt von der gleichnamigen Insel und den Seschellen. Die ostindische B. ist im allgemeinen kurz, fast grob, brüchig, stark gelblich und unrein, aber wohlfeil und wird massenhaft auf Schuß- und Strumpfgarne verarbeitet. Die hauptsächlichsten Baumwolldistrikte sind die Ebenen von Gudscharat in Surate, welcher Distrikt der indischen B., am englischen Markte den Namen gegeben hat, außerdem die Tiefebenen von Berar und den Zentralprovinzen sowie die Hochplateaus von Dekhan. Die besten heimischen Sorten sind in den Zentralprovinzen und Berar zu Hause und im Handel als Hingaugat und Amraoti bekannt, geringer sind Dhollerah, Broach, Dharwar, Madras, Bengal. Die Manila von den Philippinen ist besser als die ostindische, kommt aber wenig auf den europäischen Markt. Dagegen hat China in neuerer Zeit angefangen, B. nach Europa zu expedieren, welche den mittlern und geringern ostindischen Sorten ähnlich, meist weißer und seidenartiger, aber minder lang und kräftig ist. Die persische B. stimmt mit der indischen Dhollerah überein. Die levantische und die europäische B. sind von untergeordneter Qualität. Größere Bedeutung für den Markt dürfte die australische B. erlangen, denn einzelne Sorten, wie die aus Honolulu, sind in jeder Beziehung ausgezeichnet. Die im Welthandel nachweisbare Menge von B. betrug (in Millionen Pfund):

1876-77 1882-83

in den Vereinigten Staaten 1972,0 3266,1

- Britisch-Ostindien 566,2 690,9

- Ägypten 262,5 251,0

- Brasilien 59,8 52,0

- Türkei 5,7 8,2

- Westindien und Peru 14,6 9,6

Zusammen: 2910,8 4277,8

Die bedeutendsten Exporthäfen für B. sind: New Orleans, Mobile, Galveston, Charleston, Savannah, Bombay, Kalkutta, Alexandria; die bedeutendsten Handelsplätze: Liverpool, New York, Kanton, Havre, London, Glasgow, Amsterdam, Rotterdam, Marseille, Smyrna, Genua, Barcelona, in Deutschland Bremen, Hamburg, Chemnitz, in Österreich Triest und Wien.

Geschichte der Baumwollindustrie. Statistisches.

B. tritt als Kulturpflanze schon in den ältesten Zeiten in Indien, China, Ägypten und in Amerika auf, und vielleicht haben die Bewohner dieser Länder unabhängig voneinander die Benutzung des von der Natur bequem dargebotenen Faserstoffs begonnen. In den ältesten sanskritischen Schriften werden Baumwollgewebe erwähnt, und zu Herodots Zeiten waren baumwollene Gewebe die allgemeine Kleidung der Einwohner. In China wurden Baumwollgewebe zu des Kaisers Yao Zeiten (um 2300 v. Chr.) hergestellt, aber es ist allerdings fraglich, ob die B. damals in China kultiviert wurde; jedenfalls geschah dies nicht in großem Umfang, da die Chinesen noch sehr viel später B. aus Indien holten. Erst durch die Tataren fand der Anbau der B. im 9. Jahrh. größere Verbreitung in China. In Ägypten wurde die B. sehr hoch geschätzt und namentlich auch von den Priestern getragen. Joseph erhielt vom Pharao als Geschenk ein baumwollenes Gewand. In Mexiko, Westindien, Brasilien und Peru, aber nicht in Nordamerika, fanden die Entdecker Amerikas baumwollene Gewebe von hoher Schönheit, woraus man auf ein sehr hohes Alter dieser Industrie schließen muß. Von Indien aus gelangten die B. und Baumwollgewebe nach Vorderasien und Europa. Die Griechen erhielten die feinsten Musseline aus dem Gebiet des Ganges und nannten sie gangetikoi. Alexanders Feldzug vermittelte bessere Bekanntschaft mit der B., und die Insel Kos lieferte bald vorzügliche Gewebe. Auf Malta errichteten die Karthager Manufakturen, deren weiche und feine Stoffe sie den afrikanischen Völkern zuführten. Im 2. Jahrh. unsrer Zeitrechnung brachten arabische Kaufleute B. aus Indien nach den Häfen am Roten Meer. Damals führte die indische Stadt Barygaza allerlei geblümte Kattune und Musseline aus Masalia aus. Abu Abdallah sandte an Karl d. Gr. baumwollene Zeuge, welche in Spanien erzeugt worden waren. Abd ur Rahmân III. (912-961) beorderte Anbau und Verarbeitung der B., und hauptsächlich in Granada wurde letztere im 14. Jahrh. sehr schwunghaft betrieben. Von da gelangte der Baumwollbau auch nach Italien und Griechenland, aber niemals hat die B. in diesen Ländern als Kulturpflanze eine wichtige Rolle gespielt. Im J. 1252 waren Kattune, die man aus Turkistan bezogen, in der Krim ein gewöhnlicher Handelsartikel; auch verwendete man in der südlichen Tatarei baumwollene Gewebe, die aus Persien und dessen Umgebung kamen, zu Kleidungsstoffen. Die Mauren in Spanien und die Araber in Sizilien trugen baumwollene Turbane, aber in christlichen Ländern beachtete man nicht viel einen von den Ungläubigen hochgeschätzten Stoff, und die Baumwollkultur erlosch daher auch in Spanien wieder nach Vertreibung der Mauren. Nach dem venezianischen Geschichtschreiber Marino soll zu Anfang des 14. Jahrh. die B. in Venedig eingeführt worden sein, und von dort verbreitete sie sich bald über die benachbarten italienischen Städte und später nach der Schweiz und nach Augsburg. Nach Guicciardini betrug die Ausfuhr an Barchenten aus Deutschland nach den Niederlanden um die Mitte des 16. Jahrh. an 600,000 Kronen, wobei er bemerkt, daß in Gent und Brügge Kattune wie die indischen (die ersten in Europa) fabriziert worden seien. Auch Frankreich verarbeitete B., man bezog dieselbe meist aus der Levante und Makedonien; aber vom Schluß des 16. Jahrh. an brachten die Holländer auch viel unverarbeitete ostindische B. nach Europa und gaben dadurch Veranlassung zum vermehrten Spinnen und Weben derselben auf dem Kontinent. Von 1650 bis 1740 war Amsterdam der größte Baumwollmarkt in Europa; er verfiel, als Holland den Rang der ersten See- und Handelsmacht an England überließ. Um welche Zeit die Baumwollindustrie in England anfing, kann nicht mit Sicherheit angegeben werden; wahrscheinlich wurde sie durch eingewanderte niederländische Protestanten frühstens im ersten Viertel des 16. Jahrh. dorthin gebracht. Kleine Quantitäten B. wurden zwar schon um 1350 in Lancashire verarbeitet, doch meist nur zu Lampendochten und als Einschlag zu halbleinenen Geweben. Um die Mitte des 17. Jahrh. bestanden in Manchester Baumwollfabriken, die bereits eine bedeutende Ausdehnung erlangt hatten. Nach Fuller war Manchester vorzüglich wegen seiner Kattune berühmt. Alle diese Gewebe waren aber bis 1770 noch halbleinene, weil man nicht verstand, Baumwollgarn für die Kette stark genug anzufertigen. Auch kauften die Engländer viel Baumwollgarn vom Kontinent. Die Einführung des Kattundruckes und die gesetzliche Beschränkung der Einfuhr ostindischer Zeuge in den Jahren 1700 und 1721 begünstigten die englische Baumwollindustrie ungemein. Dazu kam die Erfindung der Schnellschütze durch Kay 1783 und vor allem die Erfindung der Maschinenspinnerei (1770-1780). Großbritannien hatte 1812 schon 4 Mill. Spindeln in Thätigkeit, und 1816 begann die Twistaus-^[folgende Seite]