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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Billardieren; Billaud-Varennes

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Billardieren - Billaud-Varennes.

fenden, als vielmehr den eignen Ball richtig zu dirigieren, damit dieser auch den dritten noch berührt. Gute Spieler berechnen natürlich nebenbei auch, wo der erstgetroffene Ball hinkommt, um einen leichten nächsten Stoß zu haben. Häufig kommen sogen. Quetscher vor. Nimmt man nämlich einen nahe an der Bande stehenden Ball, den man nach der Mitte oder Ecke dublieren will, zu voll (d. h. zu wenig auf Schnitt), so treffen beide Bälle nach dem Zusammenstoß fast stets nochmals aufeinander, und da hierbei der Spielball einen neuen Impuls in der Richtung nach der Ecke erhalten kann, so wird er seine ursprüngliche Richtung ändern und zwar, wenn der an der Bande befindliche Ball zu seitlich getroffen ward, in einer Kurve dem Eckloch zulaufen. Die Drehung, welche zwei Bälle beim Zusammentreffen einander erteilen, ist besonders beim Karambolieren von Wichtigkeit, welches darin besteht, daß der Spielball nach seinem Abprall von dem gespielten noch einen andern auf dem B. befindlichen Ball berührt.

Von den beim B. geltenden allgemeinen Regeln und üblichen Kunstausdrücken sind außer den schon erwähnten noch folgende zu nennen. Das B. ist seiner Länge nach durch eingenähte Linien in vier gleiche Teile geteilt, deren unterster, nach dem Aufstellungsort der Queues zu gelegener die Kammer (Quartier) heißt. Am andern Ende ist mitunter mit einem ⅜ der Breite des Billards betragenden Radius ein Halbkreis gezogen, der sogen. Kessel. Das Aussetzen (Preisgeben) des eignen Spielballes (Acquitgeben), womit das Spiel meist beginnt, geschieht stets von der Kammer aus, indem man den Ball entweder in gerader Richtung nach der gegenüberliegenden kurzen Bande stößt, oder ihn erst an der langen Seitenbande abschlagen läßt. Colléstöße sind solche, bei denen der Spielball sehr nahe, Preßcolléstöße solche, bei denen er ganz dicht an der Bande steht. Wenn der Spielball so weit von der Bande entfernt steht, daß man ihm nicht auf die gewöhnliche Weise beikommen kann, so bedient man sich des Pistoletstoßes, wobei man das Queue ziemlich im Schwerpunkt mit den drei ersten Fingern faßt und, es so frei in der Schwebe haltend, mit der Spitze stößt, weniger ehrenvoll des mit dem untern dickern Ende des Queues ausgeführten Tournéstoßes. Wird ein Ball von einem andern maskiert, d. h. haben beide eine solche Stellung, daß man keinen von ihnen direkt in das betreffende Loch spielen kann, so sucht man einen durch den andern, per Terz, per Schuß, zu machen. Einen Ball brikolieren oder per Bricolet machen heißt den Spielball auf die Art an die Bande spielen, daß er erst beim Abschlag den andern trifft. Steht dabei der zu machende Ball dicht vor dem Loch, und erfolgt der Anschlag an die Bande unmittelbar neben ihm, so ist jener per Bande gemacht. Wird ein Ball vom Spieler bewegt, ehe er abstößt, so kann der Gegner touché rufen, und der Stoß ist verloren. Läuft der Spielball selbst in ein Loch, so ist dies ein Verläufer, der für den Gegner zählt. Dasselbe ist der Fall, wenn der Spielball keinen andern trifft, sowie beim Nonpasséstoß, bei welchem jener diesen gar nicht erreicht. Billardieren nennt man das unerlaubte Nachschieben mit dem Queue. Ein Fuchs ist ein Ball, welcher geht, ohne daß der Spieler die Absicht hatte, ihn zu machen. Einen Ball über die Hand nehmen heißt ihn so dublieren, daß er nach der Seite derjenigen Hand, mit welcher man das Queue führt, nach dem Loch läuft. Ein Ball wird versprengt, wenn er über die Bande hinausgetrieben wird.

Die Arten des Billardspiels sind zahlreich. Die gebräuchlichsten sind: die Partie blanche (simple oder en deux), die nur mit 2 Bällen gespielt wird und bis 12 oder 16 zählt, indem jeder gemachte Ball 2 Points zählt; das Karolinespiel (eigentlich Karamboline), das mit 5 Bällen (2 Spielbällen, 2 Karambolbällen und der Karoline) gespielt wird und bis 48 zählt, indem der gemachte Karambolball 3, die Karoline, die aber nur in die Mitte gespielt werden darf, 6, der Spielball. 2 Points gilt, und wobei auch die Karambolagen häufig mitgerechnet werden (alle Rechnungen aber ebenso wie Färbungen der Bälle etc. sind nie überall gleich gewesen); das Karambolagespiel, das vornehmste Spiel der Gegenwart, wird jetzt immer auf einem B. ohne Löcher gespielt; man spielt mit drei Bällen (wovon einer gefärbt und zwei Spieler) und auf 24, 30, 50 etc. Points; die Karambolagepartie mit 2 Spielbällen, einem roten und einem blauen, bis zu 36 Points; die Poulepartie, ein Gesellschaftsspiel, das von einer beliebigen Anzahl Personen um einen Einsatz gespielt wird. Weniger gebräuchliche Spielarten sind das Verlaufs- oder Fuchsspiel (à la Russe), wobei die Verläufer dem Spieler zählen, Guerre, Ronde, Pyramide, Besetzpartie und Chasse. Die Kegelpartie, welche auf löcherlosem B. besser auszuführen ist als auf dem alten, außerdem zu temporärem Erfolg wenig Kunst verlangt, beherrscht jetzt die Billardunterhaltung des deutschen Bürgerstandes.

Das Billardspiel war, wie wir bestimmt wissen, schon im 16. Jahrh. bekannt. Engländer und Franzosen streiten sich um die Ehre der Erfindung desselben; erstere leiten B. von bal-yard (Stock, mit dem man das Spiel früher trieb), letztere natürlich von bille (Kugel) ab. Die ältesten Billards hatten auf der Mitte des Tisches einen kleinen Bogen (die Pforte), durch welche der Spieler die Kugel mit gebogenem Stock nach einem Kegel (dem König) trieb. Dieses primitive Spiel wurde allmählich vervollkommt und umgebildet. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts treten zuerst die geraden Stangen (Queues) und die elastischen Banden auf. Seit 1818 übte man das Bekreiden der Queues, und 1827 führte der Franzose Mengaud die Lederspitze am Queue ein, wodurch die Effetstöße ermöglicht wurden. In Deutschland war das B. anfänglich auf die französierenden Kreise des Adels beschränkt und wurde erst nach den Befreiungskriegen in Kaffee- und Gasthäusern allgemein. Es verdient solche Beachtung, da es eine der Gesundheit entschieden zuträgliche, die Gewandtheit befördernde und nicht zu anstrengende Bewegung bietet. In Frankreich kamen die neuen beutellosen Billards früher auf als bei uns, weshalb man sich gewöhnt hat, von deutschen und französischen Billards zu sprechen; ein spezifisch deutsches B. gibt es aber nicht. Das in den Billardzimmern ausgehängte Billardreglement enthält die Regeln, nach denen die einzelnen Partien gespielt werden. Vgl. Bogumil, Das Billardbuch. Vollständige Theorie und Praxis des Billardspiels (Leipz. 1875).

Billardieren, vom Pferde, die Vorderfüße auswärts werfen.

Billaud-Varennes (spr. bijo-warenn), Jean Nicolas, franz. Revolutionsmann, geb. 23. April 1756 zu La Rochelle, Sohn eines Advokaten, trat nach einer wüsten Jugend in den Orden der Oratorianer, wurde Studienpräfekt zu Juilly, heuchelte eine Zeitlang Demut und Frömmigkeit, mußte aber doch die Anstalt (1783) verlassen. 1785 wurde er in Paris Advokat, heiratete die natürliche Tochter des Ge-^[folgende Seite]