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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Buchdruckerkunst

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Buchdruckerkunst (Ausbreitung der Erfindung).

überall die Buchdruckereien gründeten und zuerst betrieben, am sprechendsten die Erfindung selbst als eine deutsche bezeichnet. Die erste vollständige arabische Druckerei in Italien wurde auf Kosten des Papstes Julius II. von Gregor Gregorio aus Venedig zu Fano errichtet.

Frankreich, das schon 1458 auf Gutenbergs Erfindung aufmerksam geworden war und Jenson nach Mainz gesandt hatte, damit er die B. erlerne, auch Fust schon im J. 1462 mit seinen Erzeugnissen auf dem Markt von Paris sah, erhielt seine ersten Pressen doch erst 1470 durch Deutsche, resp. Schweizer. Hans Heynlin, genannt von Stein (Jean de la Pierre, Lapidarius) nach seinem Geburtsort in der Nähe von Konstanz, und Guill. Fichet, Lehrer der Sorbonne, beriefen die Typographen Ulrich Gering, Martin Crantz und Michael Friburger (von Kolmar) nach Paris, wo sie in der Sorbonne eine Werkstätte errichteten und 1470 mit "Gasparini Pergamensis epistolarum opus" den ersten Pariser Druck lieferten. Diesem folgte eine lateinische Bibel, doch scheint bald eine Trennung der drei Drucker stattgefunden zu haben, denn 1478 druckte Gering allein und hatte später als Gesellschafter Wilhelm Maynyal und Bartholomäus Remboldt. Die zweite Buchdruckerei in Paris errichtete Petrus Caesaris (Kaiser), zur Zeit von Gerings Tod (1510) aber gab es deren daselbst schon mehr als 20. Gilles Gourmont war der erste, welcher griechische und hebräische Werke druckte (1507-1508). Die namhaftesten Buchdrucker von Paris und Frankreich gingen im Lauf der Jahrhunderte hervor aus den Familien Badius, Stephanus (Etienne), Wechel und Didot, letztere noch heute blühend. Die Staatsbuchdruckerei in Paris, 1640 unter Ludwig XIII. gegründet, hat viel beigetragen zur Entwickelung der B. in Frankreich; doch nahm diese keinen so raschen Flug bei ihrer Verbreitung über das Land, wie es in Deutschland und Italien der Fall gewesen. Guillaume le Roy und Buyer waren 1473 die ersten Drucker in Lyon; es folgten dann Angers (1477), Chablis (1478), Toulouse und Poitiers (1479), Caen (1480), Vienne (1481), Troyes (1483), Rennes (1484), Abbéville (1486), Rouen und Besançon (1487), Orléans (1490), Dijon und Angoulême (1491), Nantes (1493), Limoges (1495), Tours (1496), Avignon (1497) und Perpignan (1500), abgesehen von einer geringen Zahl minder namhafter Städte.

Holland und Belgien haben aller Wahrscheinlichkeit nach die B. von Köln aus erhalten, und zwar ist der erste durch vorhandene Drucke mit Jahreszahl und Druckername nachgewiesene Druckort Aalst in Ostflandern, wo Dierick Martens (Theoderich Maertens) von 1473 bis 1476 thätig war, sich zuerst einer eigentümlichen holländisch-gotischen Type mit vielen Ecken und scharfen Kanten bedienend und diese erst später durch eine von abgerundeten Formen ersetzend. Zwar soll schon vor ihm Johann von Westphalen, der 1474 als erster Drucker in Löwen erscheint, zu Aalst gedruckt haben; doch fehlen hierfür authentische Beweise. Utrecht aber hat unstreitig die gegründetsten Ansprüche, als erster Druckort in Holland betrachtet zu werden, da, wie neuere Forschungen ergeben haben, angenommen werden darf, daß hier alle die Drucke entstanden sind, auf welche bisher die Holländer ihre Ansprüche für Coster gründeten. Zwar trägt keiner derselben Namen und Jahr, doch weisen gewichtige Momente auf 1471, und der Umstand, daß die Holzschnitte des "Speculum salutis", des Hauptwerks des unbekannten Druckers, von dem 1478 zu Utrecht arbeitenden Drucker Johannes Veldener (von 1473 bis 1474 druckten daselbst bereits Nicolas Kettelaer und Gerard de Leempt) ebenfalls benutzt worden sind, nach ihm aber verschwinden, scheint auch dafür zu sprechen. Bezüglich dieses unbekannt gebliebenen Druckers ist zu bemerken, daß seine Drucke weniger Vorläufer der B. als vielmehr Erzeugnisse eines ungeübten Buchdruckers zu sein scheinen, der allem Anschein nach von Haus aus nur Formschneider und Holztafeldrucker war und die geringe Kenntnis von der Buchdruckerei, die er erlangt haben mochte, praktisch zu verwerten suchte, so gut er konnte, ein Umstand, der auch das Fehlen von Druckernamen und Druckort auf allen seinen Arbeiten erklärlich erscheinen läßt. - Von den namhaften Städten der Niederlande erhielten die ersten Buchdrucke: 1475 Brügge, Colard Mansion; 1476 Brüssel (Brüderschaft vom gemeinsamen Leben); 1477 Gouda, Gerard Leeu; Deventer, Richard Paffroad, und Delft, Jacob Jacobzoon; 1482 Antwerpen, Matt. van der Goes; Haarlem erscheint 1483 erst als 21. Stadt der Niederlande, welche in Jacob Bellaert einen Buchdrucker erhielt. In Antwerpen gelangte die B. im 16. Jahrh. zu hoher Blüte durch Christoph Plantin (s. d.), dessen Druckerei als "achtes Weltwunder" die Augen der ganzen gelehrten Welt auf sich zog; sie ist durch drei Jahrhunderte in den Händen seiner Familie und Nachfolger geblieben und bildet heute, nachdem sie in das Eigentum der Stadt Antwerpen übergegangen, daselbst das ganz eigenartige Musée Plantin. Amsterdam, das erst 1500 die erste Druckerei erhielt, hat später nebst Leiden als Druckplatz Berühmtheit erlangt durch die an beiden Orten von 1592 bis 1680 blühende Druckerfamilie Elzevir (s. d.).

Nach England wurde die B. aus Köln und Brügge gebracht durch William Caxton (s. d.), ein hervorragendes Mitglied der Kaufmannsgilde von London. Sein Beruf hatte ihn nach Brügge geführt, ob er aber hier oder in Köln oder im Kloster Weidenbach bei Köln die B. erlernte, ist eine ebenso offene Frage wie die, wo das erste Buch in englischer Sprache, die von Caxton übersetzte Sagensammlung "Recueil des histoires de Troyes", von ihm um 1471 gedruckt worden ist. Im J. 1477 aber war er bereits nach London zurückgekehrt und druckte hier als erstes Buch "The dictes and sayings of the philosophers" innerhalb, d. h. im Bezirk, der Abtei von Westminster. Mit ihm gleichzeitig (1480 und 1481) druckten in London John Lettou, William Machlinia (Wilhelm von Mecheln, 1481-83) und als Caxtons Nachfolger der Lothringer Wynkyn de Worde. In Oxford druckte zuerst 1478 der Kölner Theoderich Rood oder Rudt; in der Abtei von St. Albans arbeitete 1480-86 ein unbekannt gebliebener Drucker, der sich selbst nur als "Schulmeister von St. Albans" bezeichnet hat; alle übrigen namhaften Städte Englands erhielten erst im 16. Jahrh. oder später Buchdruckereien. - In Schottland hielt die B. 1507 ihren Einzug; Walter Chepman und Andrew Millar waren die ersten Drucker der schottischen Residenz. - In Irland druckte 100 Jahre nach der Erfindung, 1551, zuerst Humphrey Powell.

Als erster Druckort der Schweiz galt bisher der Flecken Beromünster im Aargau (1470) und als erster Drucker Helias Helye, Kanonikus des Stifts daselbst. Das erste, 10. Nov. 1470 von ihm vollendete Buch war der "Mammotrectus" des Marchesino da Reggio, eine Art Wörterbuch zur Erläuterung der Bibel. In neuester Zeit ist indes nachgewiesen worden, daß der erste Druck von Basel vor das Jahr