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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Eisen

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Eisen (Eigenschaften des Roheisens).

und gegenwärtig bildet dasselbe fast ganz allgemein das Ausgangsprodukt für die gesamte Eisenindustrie. Nur dadurch, daß man zunächst alles Erz auf Roheisen verschmelzt und daraus je nach Bedarf Stahl oder Schmiedeeisen herstellt, ist die gegenwärtige großartige Massenproduktion in der Eisenindustrie ermöglicht. Man ist dadurch auch weit besser als früher im stande, ein gleichmäßiges Produkt von bestimmter Qualität herzustellen. Nur noch ganz vereinzelt wird aus den Erzen direkt ein schmiedbares E. hergestellt, z. B. von den unzivilisierten Völkern Afrikas, den Eingebornen Indiens (Wootzstahl), in den Pyrenäen (Katalanschmieden) und in Siebenbürgen. Das Roheisen wird aus den Erzen dargestellt, indem man denselben bei allmählich steigender Temperatur in Gebläseschachtöfen (Hochöfen) durch Reduktionsmittel (Kohle, Kohlenoxydgas) ihren Sauerstoff entzieht, worauf das entstandene fein zerteilte metallische E. (Eisenschwamm) in höherer Temperatur durch Aufnahme von Kohlenstoff aus kohlenden Agenzien in Roheisen übergeht, welches dann bei einer noch höhern Temperatur schmilzt, während sich die beigemengten erdigen Bestandteile zu einer flüssigen, glasartigen Verbindung (Schlacke) vereinigen.

Auf die Eigenschaften des dabei entstehenden Roheisens influieren hauptsächlich die Temperaturverhältnisse und die Anwesenheit fremder Stoffe, welche Faktoren nicht nur die Qualität und Quantität des vom reduzierten E. aufgenommenen Kohlenstoffs beeinflussen, sondern auch in das gekohlte Metall fremdartige, bald schädlich, bald günstig wirkende Bestandteile einführen. Schon nach dem äußern Ansehen lassen sich weißes und graues Roheisen unterscheiden. Das Weißeisen entsteht im allgemeinen aus leicht reduzier- und kohlbaren und leichtschmelzigen Erzen, welche im heißesten Teil des Ofens, vor den Formen, keiner viel höhern Temperatur ausgesetzt werden, als die Schmelztemperatur des erzeugten und nach der Entfernung aus dem Ofen rasch abgekühlten Kohleneisens beträgt. Dasselbe enthält seinen Kohlenstoff im chemisch gebundenen Zustand. Wurden reine Eisensteine angewandt, erhielt die Schmelzmasse durch einen Mangangehalt den hinreichenden Grad der Leichtschmelzigkeit, und war die Temperatur in den Teilen über dem Schmelzraum so hoch, daß das E. sich vollständig kohlen konnte, so entsteht ein stark glänzendes, weißes, sehr hartes, sprödes, kristallinisch-blätteriges, in Kristallrudimenten auftretendes Produkt mit dem höchsten Kohlenstoffgehalt bis zu 6 Proz., das Spiegeleisen, wegen seiner Reinheit und seines Mangangehalts sehr zur Stahlfabrikation geeignet. Weiße Roheisensorten mit geringerm Kohlenstoffgehalt können bei reinen, leichtschmelzigen Erzen der angegebenen Art entstehen, wenn es an der zur vollständigen Kohlung des Eisens erforderlichen Temperatur im Ofen fehlt, und zwar in Gestalt von strahligen oder blumigen Flossen mit 3,5-4 Proz. Kohlenstoff, groß- und kleinluckigen (löcherigen) Flossen mit 3,5-2,7 Proz. Kohlenstoff und porösen, gekrausten Flossen mit bis unter 2 Proz. Kohlenstoff, welche schon Stahlnatur, unter anderm Anlauffarben in ihren Blasenräumen, zeigen. Mit abnehmendem Kohlenstoffgehalt erhöhen sich Weichheit und Dickflüssigkeit, so daß Spiegeleisen am härtesten ist und einen gewissen Grad Dünnflüssigkeit zeigt, gekrauste Flossen aber weich sind und teigartig einschmelzen. Während blumige und strahlige Flossen sich im Hochofen kontinuierlich erzeugen lassen, kann dieses bei luckigen Flossen nur periodisch geschehen, weil sonst die Temperatur leicht zu sehr sinkt, und gekrauste Flossen werden absichtlich nicht erzeugt, sondern entstehen nur bei Versetzungen im Ofen infolge zu niedriger Temperatur. Kohlenstoffärmere Weißeisensorten als Spiegeleisen können aber auch noch entstehen aus unreinen, phosphor- und schwefelhaltigen Erzen, bei deren Verschmelzung Phosphor und Schwefel ins E. gehen und dessen vollständige Kohlung verhindern. War die Temperatur hoch genug, so daß sich das Eisenoxyd vollständig reduzieren konnte, und die Verunreinigung nicht zu stark, so entsteht phosphor- und schwefelärmeres Weißeisen von garem Gang, bei größerm Schwefel- und Phosphorgehalt, welcher um so mehr ins Roheisen geht, je weniger dasselbe gekohlt ist, grelles Weißeisen und bei mangelnder Temperatur zur Reduktion des oxydierten Eisens Weißeisen vom Rohgang, welches meist kohlenstoffarm ist, aber größere Mengen von Verunreinigungen enthält. Die weißen Roheisensorten, deren Schmelzpunkt bei 1050-1200° liegt, und deren spezifisches Gewicht von 7,056-7,889 schwankt, eignen sich wegen ihrer Härte und Dickflüssigkeit nicht für die Gießerei, wohl aber in ihren reinern Varietäten (Spiegeleisen, blumige und luckige Flossen) zur Stahl- und Stabeisenfabrikation; die unreinern Sorten (weißes E. vom Gargang) liefern ordinäre Stabeisensorten, während grelles E. oder Weißeisen vom Rohgang kaum verwendbar ist. Ein Mangangehalt in der Beschickung befördert die Aufnahme von Kohlenstoff, somit die Bildung von Weiß- und namentlich Spiegeleisen, trägt zur Entfernung von Schwefel bei und macht die Schlacke leichtschmelzig. Bei der Stahldarstellung wirkt das Mangan insofern günstig, als dasselbe die im E. vorhandenen Oxyde reduziert und ferner die Schweißbarkeit und Festigkeit eines Silicium enthaltenden Stahls erhöht. Silicium wird bei der niedrigen Erzeugungstemperatur des Weißeisens nur in geringerer Menge aus Kieselsäure abgeschieden. Graueisen bildet sich, wenn mit Kohlenstoff gesättigtes E. im Schmelzraum stark über seinen Schmelzpunkt erhitzt und dann langsam abgekühlt wird. Das Roheisen ist durch den ausgeschiedenen Graphit um so dunkler gefärbt, je höher die Temperatur gestiegen war (schwarz bis hellgraue Roheisensorten). Die Übergänge des Graueisens in Weißeisen werden durch die halbierten Roheisensorten vermittelt, welche entweder in grauer Grundmasse lichtere Partien (schwach halbiert) oder umgekehrt (stark halbiert) zeigen. Bei der hohen Erzeugungstemperatur des grauen Roheisens, welches bei 1100-1300° schmilzt, reduziert sich auch aus der in der Schmelzmasse nie fehlenden Kieselsäure Silicium, welches ins Roheisen geht und die Abscheidung des Kohlenstoffs als Graphit begünstigt. Schwefel und Phosphor wirken der Graphitbildung entgegen, begünstigen somit die Entstehung von Weißeisen, können aber in geringen Mengen ins Graueisen eingehen und dasselbe leichtschmelziger machen. Das Graueisen, welches ein spezifisches Gewicht von 6,635-7,572 besitzt, wird hauptsächlich zur Gießerei verwandt, weil dasselbe bei dünnem Fluß die Formen gut ausfüllt und weiche, bearbeitbare Güsse gibt. Ein Schwefelgehalt macht das E. dickflüssiger, ein Phosphorgehalt dünnflüssiger, weshalb man phosphorhaltiges E. gern zu dünnen Gegenständen (Geschirren, Ofenrohren etc.) anwendet, die indes spröde sind und starke Stöße nicht vertragen. Ein zu großer Graphitgehalt macht das E. für die Gießerei wegen Dickflüssigkeit unbrauchbar. Außer zur Gießerei dient das Graueisen auch zur Stabeisen-, zuweilen zur Stahlfabrikation. Zwar kommt die Erzeugung von Weißeisen für diesen Zweck wegen mindern Aufwandes von