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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Erótik; Erotiker; Erotisch; Erotomanie; Erpel; Erpenius; Erpfingen; Erpressung

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Erotik - Erpressung.

Erótik (griech.), Lehre von der Liebe (Eros), Kunst zu lieben, Liebesdichtung.

Erotiker, Schriftsteller, welche sich mit poetischer Darstellung der Liebe beschäftigen, besonders aber diejenigen spätern griechischen Autoren, welche erdichtete Erzählungen, deren Hauptinhalt die Liebe bildet, in Prosa geschrieben haben. Diese Erzählungen, welche man mit unsern Romanen und Novellen verglichen hat, sind in einer phrasenhaften, nach Antithesen jagenden Sprache abgefaßt, meist reich an glänzenden Naturschilderungen und weit entfernt von der Einfachheit der klassischen Zeit. Weil aber in ihnen das sentimentale Moment zu seiner Geltung kommt im Gegensatz zu der klassischen Naivität, so stehen sie in gewisser Weise der modernen Empfindungs- und Anschauungsweise näher als die eigentlich antiken Dichter. Als Begründer der Gattung, welche in den erotischen Dichtungen der Alexandriner wurzelt, gilt Aristides von Milet (um 150 v. Chr.), der Verfasser der "Milesischen Märchen". Zur vollständigen Ausbildung kam der Roman durch den Einfluß der Sophisten seit dem 2. Jahrh. n. Chr. Erhalten sind die Romane von Xenophon von Ephesos, Heliodoros, Longos, Achilleus Tatios, Chariton und Eustathios. Ausgaben derselben besorgten Mitscherlich (Zweibr. 1792-94, 3 Bde.), Passow (Leipz. 1824-34, 2 Bde.), Hirschig (Par. 1856) und Hercher (Leipz. 1858-59, 2 Bde.). Vgl. Rohde, Der griechische Roman und seine Vorläufer (Leipz. 1876).

Erotisch (v. griech. Eros), was sich auf die Liebe bezieht, davon handelt. Daher erotische Poesie, Liebespoesie, besonders das lyrische Liebeslied (s. Lyrik); auch s. v. w. obscöne Poesie, welche Werke zu Tage förderte wie die "Erotopaegnia s. Priapeja ^[richtig: Priapeia.] veterum et rec. Veneri jocosae sacrum" (Par. 1798). Dergleichen Produkte erschienen besonders in den frivolen Zeiten Ludwigs XIV. und Ludwigs XV., und namentlich sind Crébillon und de Sade unter den hierher gehörigen Autoren zu nennen.

Erotomanie (griech., "Liebeswahnsinn"), eine Gemütskrankheit, welche sich durch exzessive Liebe bald zu einem in Wirklichkeit, bald nur in der Einbildung des Kranken vorhandenen Gegenstand charakterisiert. Die E. stellt keineswegs eine selbständige psychische Erkrankungsform dar, sondern ist nur ein Symptom, welches in manchen Fällen von Wahnsinn beobachtet wird. Die E. steht in naher Beziehung zu dem sogen. Sexualwahnsinn (der Nymphomanie und Satyriasis), welcher seine nächste Quelle in einem krankhaften Erregungszustand der Geschlechtswerkzeuge hat. Ob der Wahnsinn mit dem Symptom der E. auftritt, hängt teils von körperlichen Zuständen, namentlich in der Sphäre der Genitalorgane, teils von den gesamten sozialen Verhältnissen ab, in welchen der Kranke bisher lebte, und welche das Zustandekommen der Geisteskrankheit herbeigeführt haben.

Erpel, s. v. w. Enterich, das Männchen der Ente.

Erpel, Flecken im preuß. Regierungsbezirk Koblenz, Kreis Neuwied, am Rhein und an der Linie Friedrich-Wilhelmshütte-Niederlahnstein der Preußischen Staatsbahn, mit Pfarrkirche und (1885) 1009 kath. Einwohnern. Dabei der 200 m hohe Basaltberg Erpeler Lei, an dessen Abhängen der vortreffliche Leiwein wächst.

Erpenius (van Erpen), Thomas, berühmter Orientalist, geb. 11. Sept. 1584 zu Gorkum in Holland, studierte zu Leiden Theologie, widmete sich sodann dem Studium der morgenländischen Sprachen, bereiste England, Frankreich, Italien und Deutschland, kehrte 1612 in sein Vaterland zurück und ward zu Leiden Professor der orientalischen Sprachen und Dolmetsch bei den Generalstaaten. Er errichtete eine arabische Druckerei, die nach seinem Tod von seiner Witwe Jacomine Buyes an die Brüder Bonaventura und Abraham Elzevir (s. d.) verkauft wurde, und deren Geschäft unter dem Namen der "orientalischen Druckerei" einverleibt blieb. E. starb. 13. Nov. 1624. Seine Werke: "Grammatica arabica" (2. Aufl. von Deusing, Leid. 1636; wieder abgedruckt u. d. T.: "Linguae arabicae tirocinium", das. 1656 u. öfter), "Proverbiorum arabicorum centuriae duae" (2. Aufl. 1623 u. öfter), "Rudimenta linguae arabicae" (das. 1620 u. öfter) u. a. haben selbst noch lange nach seinem Tod sehr viel zur Einbürgerung der arabischen Studien in ganz Europa beigetragen.

Erpfingen, Pfarrdorf im württemberg. Schwarzwaldkreis, Oberamt Reutlingen, an der Erpf, einem Quellbach der Lauchart, hat (1885) 898 evang. Einwohner. Dabei der Schloßberg mit der Ruine Hohenerpfingen und die Erpfinger Höhle (Karlshöhle) im Jurakalkgebirge, 1834 entdeckt, 178 m lang, aus sieben größern und kleinern Kammern bestehend, mit einer Menge glänzend weißer Tropfsteingebilde.

Erpressung (Konkussion, Concussio), das Vergehen, dessen sich derjenige schuldig macht, der, um sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, einen andern durch Gewalt oder Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt (deutsches Reichsstrafgesetzbuch, § 253). Die dermaligen Grundsätze über dies Verbrechen haben sich aus der römisch-rechtlichen Theorie des Verbrechens der Concussio entwickelt, das darin bestand, daß jemand einen andern vorsätzlich unter dem betrügerischen Vorwand oder durch wissentlichen Mißbrauch einer ihm zustehenden Gewalt zu dem Zugeständnis eines rechtswidrigen Vermögensvorteils für sich oder einen andern nötigte. Die moderne Strafgesetzgebung und insbesondere das deutsche Reichsstrafgesetzbuch stellt die E. mit dem Raub zusammen. Sie unterscheidet sich vom Raub durch das Mittel, welches zur Begehung des Verbrechens angewendet wird und welches beim Raub in persönlicher Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben besteht, während bei der E. jeder Zwang, sei es unmittelbar physischer oder psychischer Zwang, d. h. irgend eine Drohung, durch welche ein wirksamer Zwang auf den andern ausgeübt wird, genügt, z. B. Drohung mit einer Denunziation, mit Veröffentlichung eines Geheimnisses u. dgl. Die E. unterscheidet sich aber auch ferner hinsichtlich des Zweckes von dem Raub, indem durch letztern die widerrechtliche Zueignung einer fremden beweglichen Sache bezweckt wird, während bei der E. irgend ein Thun, Handeln oder Unterlassen erzwungen werden soll, z. B. die Ausstellung einer Quittung, die Unterlassung einer Klagerhebung u. dgl. Dagegen muß bei der E., wie beim Raub, die Absicht des Thäters auf die Erlangung eines Vermögensvorteils gerichtet und dieser letztere ein widerrechtlicher sein. Hierdurch unterscheidet sich die E. von der Selbsthilfe und von der sogen. Nötigung (s. d.). Übrigens ist das Vergehen der E., deren Versuch nach dem deutschen Strafgesetzbuch ebenfalls strafbar ist, vollendet, sobald die Abnötigung des Thuns, Duldens oder Unterlassens vollzogen worden ist, mag nun der beabsichtigte vermögensrechtliche Vorteil vereitelt oder wirklich erlangt worden sein. Nach dem Reichsstrafgesetzbuch ist zwischen einfacher E., welche mit Gefängnis von 1 Monat bis zu 5 Jahren, und schwerer E., welche mit Zuchthaus von 1-5 Jahren bestraft wird, zu unterscheiden. Letztere (§ 254) liegt