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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Feste

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Feste (Altertum, jüdische Feste).

Zorn der Götter zu beschwichtigen, meinte aber auch durch Gesang und Tanz, durch Schmaus und Schauspiel sie heiterer und sich günstiger zu stimmen. Selbst bei entschieden traurigen Gedächtnisfesten mischten sich in das Leid und in die Wehklage zuweilen Freude und Mutwille, so bei dem Isisfest zu Busiris, bei den Adonien in Ägypten, Phönikien, Griechenland und Italien.

Bei den Griechen und Römern wurden die F., welche ihre Veranlassung im Privat- oder öffentlichen Leben hatten, wie bei der Wiederkehr des Geburts-, Hochzeits- oder eines andern frohen Tags, bei dem Eintritt der Kinder in die Jahre der Mannbarkeit etc., gefeiert, ohne daß man gerade gottesdienstliche Handlungen dabei vorzunehmen pflegte, die eigentlich religiösen F. aber mit Opfern und Opfermahlzeiten, mit Schauspielen und Prozessionen, Gesang, Musik und Tanz begangen. Die Schauspiele, mittels deren man die zu feiernden Thaten oder Begebenheiten veranschaulichte, waren entweder geheime oder öffentliche und wurden von Schauspielern oder von ganzen Gemeinden aufgeführt, wie in Ägypten bei den Festen des Osiris, der Isis, des Mars, in Griechenland bei den Demeter- und Bacchusfesten. In Prozession holte man die Götterbilder aus ihren Tempeln hervor und führte sie auf Wagen durch die Straßen. Die öffentlichen F. hielten ihrer Zahl und der Pracht ihrer Feier nach mit dem wachsenden Reichtum, aber auch mit der um sich greifenden Sittenverderbnis der Völker gleichen Schritt. So hatten die Athener doppelt soviel und weit pomphaftere F. als die übrigen Griechen, und in Rom feierte man die meisten und prachtvollsten F. in der Kaiserzeit. Die Zahl der griechischen F. mag sich auf tausend, die der römischen auf mehrere Hundert belaufen haben. Aber nur wenige derselben waren allgemeine; die meisten wurden nur in einzelnen Provinzen, Städten oder Ortschaften, andere bloß nach Verlauf mehrerer Jahre, noch andre nur von einzelnen Klassen der Bürger oder von einem der beiden Geschlechter gefeiert. Die meisten der griechischen F. waren zwar, wie die der Ägypter und besonders der Phrygier, enthusiastischer Art; doch hielten sie sich mit geringen Ausnahmen innerhalb der Schranken anständiger Fröhlichkeit, besonders seitdem sich die Mythologie zu jener Anmut ausgebildet hatte, in welcher sie uns bei den klassischen Dichtern entgegentritt. Auch bei den Römern veredelten sich der anfangs noch rohe und wilde Festtanz allmählich zum ästhetischern Chorreigen, das regellose Jubelgeschrei zum feierlichen Hymnus, die nachahmende Mimik und Possenreißerei zum künstlerischen Drama, welches auch noch im satirischen Scherz seine Würde behauptete. Da indes der Charakter der Römer seine angestammte Rauheit nie ganz verlor, so finden sich bei ihnen auch in der spätern Zeit noch Spuren barbarischer Festlichkeiten, die an die phrygischen Orgien erinnern.

Die jüdischen F. (3. Mos. 23, 4 "F. des Ewigen oder des Herrn" genannt) sind vom mosaischen Gesetz bestimmte Zeiten der religiösen Erhebung, welche die von Gott verordnete Heiligung des Israeliten durch körperliche Ruhe und geistiges Leben, durch Versammlung und Gottesdienst in den Synagogen bewirken sollen. Der Festcyklus bewegt sich mit geringen Abweichungen nach der symbolischen Zahl "Sieben" vom Tag durch Woche, Monat, Jahr bis zur Epoche. So bestimmt der Pentateuch den 7. Wochentag als Ruhetag, siebentägige F., setzt 7 Wochen nach dem Frühlingsfest das Erntefest an, legt die wichtigsten F. in den 7. Monat des Jahrs und verordnet die Beobachtung des 7. Jahrs als Brach- oder Sabbatjahr, nach 7 × 7 Jahren die Feier des 50. als Jobeljahr. - Der Bedeutung nach zerfallen die jüdischen F. in drei Klassen: 1) in solche, welche nur der Pflege der Ruhe und Heiligkeit gelten, als Sabbat, Sabbat- und Jobeljahr; 2) in solche, welche neben diesem Zweck auch den der Versöhnung enthalten: Neujahrsfest und Versöhnungstag, und 3) in solche, deren Bedeutung aus der Natur und Geschichte hervorgegangen ist: die drei durch die frühern Pilgerfahrten aus Palästina nach Jerusalem ausgezeichneten Wallfahrtsfeste (Schalosch r'galim: Passah, Schabuoth, Sukkoth). Das Festjahr der Juden beginnt im Frühling, im Monat Nissan, wogegen die bürgerliche Zeitrechnung im Herbst, mit dem Monat Tischri anhebt. Nach den sechs Wochentagen beginnt, wie alle jüdischen Festtage mit dem Vorabend beginnen, der Sabbat oder Ruhetag am Freitag Abend ungefähr eine Stunde vor Nachtbeginn und soll bis Sonnabend Abend in strenger Ruhe und Heiligung ohne jegliche Arbeit gefeiert werden. Das Sabbatjahr (s. d.) und Jobeljahr (s. d.) beruhten vorwiegend auf den sozialen Interessen des selbständigen jüdischen Volkes und werden von den jetzigen Juden nicht mehr beobachtet. Die fünf im Pentateuch gebotenen F. sind ihrer Zeitfolge nach: 1) Passah (s. d.), am 14. Nissan abends beginnend, das Frühlingsfest, welches gleichzeitig an den um diese Zeit erfolgten Auszug aus Ägypten erinnert (auch das "Fest der ungesäuerten Brote" genannt); 2) das Wochenfest, hebr. Schabuoth (3. Mos. 23, 15), am 6. und 7. Siwan gefeiert, einst in Palästina das Fest der Weizenernte, an welchem Weizenerstlinge (daher auch "Tag der Erstlinge" genannt) im Tempel dargebracht wurden, jetzt der Erinnerung an die Gesetzgebung auf Sinai geweiht; 3) das Neujahrsfest, hebr. Roschhaschana (3. Mos. 23, 24), am 1. und 2. Tischri gefeiert, ein Gedenktag der Vergangenheit, der Tag des Gottes- und Selbstgerichts (Jom haddin), welcher zur Prüfung und Besserung des Lebenswandels als Tag des Posaunenblasens (Jom terua) mahnen soll; 4) der Versöhnungstag (s. d.), hebr. Jom hakkippurim, am 10. Tischri gefeiert, der heiligste und strengste Ruhetag, mit dem Neujahrsfest durch Bußtage verbunden; 5) das Hütten- oder Laubhüttenfest (s. d.), hebr. Szukkoth, vom 15.-23. Tischri gefeiert, das Dankfest für den göttlichen Schutz während der Wüstenwanderung der Israeliten, zugleich Erntefest. Diesen Hauptfesten schließen sich noch zwei Halbfeste an: das achttägige Weihe- oder Lichterfest (Chanukka), am 25. Kislev, zum Andenken an den Sieg der Makkabäer über die Syrer und die Wiedereinweihung des entweihten Tempels (164 v. Chr.) gefeiert, und das Losfest (Purim), am 14. Adar (in einem Schaltjahr im eingeschalteten 13. Monat, Adar II), zur Erinnerung an die im Buch Esther erzählte Rettung der Juden von dem ihnen durch Haman gedrohten Untergang. Durch besondern Gottesdienst werden noch die Neumondstage, dann der 18. Ijar, 15. Ab und 15. Sch'wat ausgezeichnet; von den Fasttagen des Jahrs ist neben dem Versöhnungstag der Tag der Zerstörung Jerusalems (9. Ab) der wichtigste, der auch von der Mehrzahl der Juden als Trauertag festlich begangen wird.

Bei den alten Germanen standen die F., wie die Götterverehrung überhaupt, in engem Zusammenhang mit dem Wechsel der Jahreszeiten; die Hauptfeste (Dult, später Hochzît genannt) fallen daher auf die Sonnenwenden und die Nachtgleichen. Das bedeutendste derselben war das Fest der Wintersonnenwende oder das Julfest, welches mit der Nacht zum