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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Flachs

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Flachs (Eigenschaften der Flachsfaser; Handelssorten; Geschichtliches).

allzu trocknen Raum liegen, woselbst er in drei Schichten aufeinander gelegt wird. Der F. gewinnt so ungemein an Milde und Griff. Auch das Werg, welches beim Hecheln gewonnen wird, gewinnt wesentlich, wenn es bis zum Verspinnen, in starke leinene Tücher fest eingeschlagen, an einem kühlen und trocknen Ort aufbewahrt wird.

Zum direkten Verspinnen kann der Schwungflachs nicht benutzt werden, der Bast ist noch mehr oder weniger bandartig vereinigt, und es ist daher vorerst die einzelne Faser darzustellen, wozu die Hechel dient. Dieselbe ist eine Anwendung von Zinken nach der Fläche, wie der Kamm nach der Linie. Die Zinken oder Zähne der Hechel sind von Stahl, rund oder vierkantig, am besten rautenförmig, laufen in eine gerade, glatte, schlanke und scharfe Spitze aus und haben gleiche Länge (7,5 cm). Sie werden genau senkrecht auf ein rundes oder viereckiges Brett und zwar reihenweise so befestigt, daß jeder einzelne Zahn gerade eine Lücke der vor und hinter ihm laufenden Reihe deckt. Die Entfernung der Zähne wird verschieden groß gegeben, und man beginnt die Arbeit mit der größten und weitständigsten Hechel (Abzugshechel) und schließt sie mit der feinsten Ausmachehechel. Während durch die Hechelzähne die einzelnen Fasern getrennt und die längern von den kürzern geschieden werden, behandelt man den F. auch zu wiederholten Malen mit einer Bürste aus Schweinsborsten, wodurch alle noch anhaftenden feinen Holzteilchen von der Faser getrennt werden, der Staub entfernt wird und viele gröbere Fasern in feinere Härchen gespalten werden, infolgedessen der F. einen seidenartigen Glanz, vorzügliche Feinheit und Weichheit erhält und in seinem Ansehen und Wert wesentlich gewinnt. Da bei forciertem Hecheln die langen Fasern reißen und viel Werg geben, bei gelinder Behandlung aber unrein bleiben, so wird das Handhecheln entweder ganz ersetzt durch Anwendung von Hechelmaschinen, oder es wird nur die unvollkommene Arbeit des Handhechelns durch die nachfolgende Maschinenarbeit vervollständigt. Eine der vielfach gebrauchten Hechelmaschinen ist die von Rowan, die, wie alle andern, eine äußerst komplizierte Konstruktion besitzt. Bei dieser letzten Bearbeitung des Flachses werden, wie beim Schwingen und Brechen, neben dem Hauptprodukt noch verschiedene Abfälle erhalten, die meist in verknoteten und verworrenen Faserstückchen, Werg (Wereg, Hede), bestehen. Je nachdem das Werg beim Vor- oder Nachschwingen, beim Grob- oder Feinhecheln erhalten wird, läßt es auch nach der Hand eine verschiedene Verwendung zu. So ist das Vorschwingwerg zum Verspinnen ungeeignet, während Feinschwing- und Grobhechelwerg zum Verspinnen für Nummer 22 und Feinhechelwerg für Nummer 24 geeignet ist.

Eigenschaften der Flachsfaser. Handelssorten.

Die vollkommen ausgehechelte Flachsfaser zeigt eine Länge von 0,2-1,4 m; guter und rein ausgearbeiteter F. soll Fasern von weniger als 0,3 m Länge nicht zahlreich aufweisen. Je länger die Faser ist bei gleicher Feinheit, um so wertvoller ist sie; jedoch wird ihre Länge nicht durch ihre Feinheit bedingt. Die Breite oder Feinheit der Faser schwankt von 0,045-0,620 mm, je nachdem durch das Röstverfahren die Zerlegung des Bastes in kleine Bastbündelchen mehr oder weniger vollkommen erfolgt war. Eine vollkommene Isolierung der Bastzellen trifft man selbst bei dem feinsten belgischen F. selten. Die Farbe der Faser wird vorzüglich beeinflußt von der Aufarbeitungsmethode. Der beste F. zeigt sich lichtblond, während die Tauröste graue und eine unvollständige Röste grünliche Fasern liefert. Aus der Schlammröste erhält man die stahlgrauen Fasern. Erscheint der F. stark gelb gefärbt, so enthält er noch viele außen anhaftende Parenchymzellen oder auch Oberhautreste. Der beste F. zeigt einen schönen Seidenglanz. Lufttrocken enthält die Flachsfaser 5,70-7,22 Proz. Wasser, jedoch steigt, in einen mit Wasserdampf gesättigten Raum gebracht, ihr Wassergehalt auf 13,9-23,36 Proz. Der Aschengehalt der völlig getrockneten Faser schwankt von 1,18-5,93 Proz. Die Asche der Faser enthält nach E. Wolf vorwiegend Kalk (mehr als 50 Proz.). Das spezifische Gewicht der Faser beträgt 1,5. Die Bastzellen, aus welchen ausgezeichneter Hechelflachs nur besteht, zeigen eine sehr regelmäßige, cylindrische, nach den Enden kegelförmige Gestalt mit konisch-spitzen oder stumpfen Enden. Der Innenraum der Zellen ist sehr klein und erscheint nur als eine dunkle Linie.

Im Handel erscheint meist geschwungener F., welcher immer mehr den früher viel im Handel vorkommenden Hechelflachs verdrängt. Die Fasern müssen stark, zart und fein anzufühlen sein, keine Knoten und schwachen Stellen besitzen, auf ihrer ganzen Länge wie feine Fäden herabhängen, ohne aneinander zu kleben, und besonders ohne gespalten oder wellig zu sein. Den größten Flachshandel treiben Rußland und die preußischen Ostseeprovinzen, doch erscheinen auch große Quantitäten aus Belgien, Holland und Irland im Handel. Die russischen Flachse kommen hauptsächlich auf die Markte Riga, St. Petersburg und Archangel sowie Königsberg und Danzig. Sie erscheinen in sechs Hauptsorten (Kron-, Wrack-, Dreiband-, Livländer, Dreibandwrackflachs und Flachshede), welche von beeideten "Wrackern" sortiert und signalisiert werden. Jede Sorte hat ihre Unterklasse mit entsprechender Signatur. Im allgemeinen sind die russischen Flachse zwar lang, gehören aber nicht zu den feinsten. Letztere werden in erster Linie geliefert von Irland, dessen Flachse außerordentlich fein, zart und doch mittelfest sind und eine lichtblonde Farbe haben. Die belgischen Flachse sind ziemlich oder ganz so fein wie die irischen, bedeutend länger als jene und blond oder stahlgrau gefärbt. Italien liefert ungemein glänzende, Ägypten dagegen ungemein lange Flachse, die ziemlich grob, matt graugelb, ins Rötliche spielend sind. Die französischen und holländischen Flachse gehören zum Teil zu den besten, während die böhmischen, schlesischen, Kärntener und Tiroler zwar stark sind, aber sonst geringern Wert haben.

Geschichtliches. Produktion.

Die Flachskultur reicht über die Anfänge der geschichtlichen Zeit hinaus, denn in den Pfahlbauten am Oberrhein und in den angrenzenden Distrikten wurden vielfach Überreste der Flachskultur und -Manufaktur vorgefunden. Mit Beginn der Kulturgeschichte findet man den F. angebaut in den fruchtbaren Ebenen des Nildelta und in den Flußthälern Vorderasiens, und bei den Ägyptern sowie bei den Phönikern und Juden wurden Kleider, Zelte, Segel etc. aus F. angefertigt. Nach Herodot trugen die Babylonier leinene Kittel, und nach Strabon war die babylonische Stadt Borsippa der Sitz bedeutender Leinenindustrie. Von Asien wurde die Flachskultur nach Griechenland eingeführt. Homer erwähnt mehrfach den F., und nach Herodot galt die Leinwandkleidung als üppige, weibische, der Prunksucht dienende Tracht. Im römischen Reich wurde nach Livius schon im 5. Jahrh. v. Chr. der F. zur Darstellung von Kleidungsstücken verwendet, und im 4. Jahrh. erschienen die Samniter in weißen leinenen Tuniken. Nach Cicero stammte