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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Frankreich

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Frankreich (Finanzen, Heerwesen).

halt spielen die indirekten Steuern. Zu denselben sind zu rechnen: die Akten- und Besitzwechselabgaben und zwar die Einregistrierungsabgabe, deren Grundlage 1790 geschaffen wurde, die Steuer auf Wertpapiere, die Erbschaftssteuer, die Gerichtssporteln und Hypothekengebühren und die Stempelabgaben, für welch letztere 1798 die Basis gelegt wurde; ferner die Konsumtionssteuer, umfassend die innern Verbrauchssteuern, unter welchen die Getränkesteuer (auf Branntwein, Wein und Bier) mit ihrem hohen Steuerfuß nebst der Zuckersteuer (1880 ermäßigt) und Salzsteuer (1806 wieder eingeführt), die Transportsteuern (1797 für Personenbeförderung, 1803 für Warentransport, seither auch für Eisenbahnbeförderung eingeführt), die Abgabe für Gold- und Silberkontrolle, die Steuer für Wachs- und Stearinkerzen (seit 1873), auf Öl (1873), Essig und Dynamit (seit 1875), die Papiersteuer (seit 1871), die Spielkartensteuer (von 1812, seitdem erhöht) eine wichtige Rolle spielen. Aufgehoben wurden inzwischen die Steuern auf Seife, auf Zichorien, die Schiffahrtsgebühr auf Flüssen und Kanälen, die Brücken- und Wegegelder. Zu den indirekten Steuern gehören ferner die Zölle, welche seit 1881 nach einem erhöhten Tarif erhoben werden, zum Teil ausgesprochene Finanzzölle; die Monopole auf Tabak (schon frühzeitig ins Leben gerufen, 1790 aufgehoben, 1810 wieder eingeführt), auf Schießpulver (seit 1796) und Streichhölzer (seit 1872); die Gebühren der Post und des Telegraphen. Die Domanialeinnahmen weisen verhältnismäßig geringe Erträge auf; der Kapitalswert der französischen Staatsgüter wird auf 38,6 Mill. Fr. geschätzt. Die französischen Staatsausgaben sind in neuerer Zeit gewaltig angewachsen. Einen erheblichen Prozentsatz machen die Zinsen der Staatsschuld aus, die meist in der Form ewiger Renten aufgenommen ist. Die Revolution hatte mit den vorgefundenen Schulden ziemlich aufgeräumt; nur ein Drittel der ehemaligen Schulden wurde mit 38,6 Mill. Fr. in das "große Buch der öffentlichen Schuld" eingetragen und bildet die Grundlage der heutigen Schuld, deren Zinsenerfordernis 1886 aus 706,1 Mill. Fr. konsolidierter Rente, 429,5 Mill. Fr. Interessen rückzahlbarer Kapitalien, 198,1 Mill. Fr. als Schuld auf Lebenszeit (Pensionen) besteht, zusammen also einen Jahresbetrag von 1333,7 Mill. Fr. umfaßt. Außer der öffentlichen Schuld weisen die höchsten Beträge die Ausgaben für das Kriegswesen, die Marine und die Kolonien, die Verkehrsmittel, die Erhebungskosten und das Unterrichtswesen auf. In den letzten Jahren haben sich die Schulden Frankreichs nicht vermehrt; dagegen wurden seit 1877 Steuererleichterungen im Betrag von 260 Mill. Fr. vorgenommen. Das Budget für 1886 belief sich in den Einnahmen und in den Ausgaben auf folgende Beträge:

Staatseinnahmen: .

Direkte Steuern 400118100 Frank

Assimilierte Taxen 27449680 -

Direkte Steuern u. Taxen von Algerien 8631166 -

Ertrag der Domänen und Forsten 53412494 -

Einregistrierung 523605200 -

Stempel 160091700 -

Zölle 340881300 -

Indirekte Abgaben 1184694100 -

Posten und Telegraphen 165575200 -

Mobliareinkommensteuer 47887000 -

Einnahme der Universitäten 4635778 -

Strafgelder 9265032 -

Gehaltsabzüge 32757920 -

Verschiedene Erträge 57082390 -

Summe der ordentl. Staatseinnahmen: 3016087060 Frank

Staatsausgaben: .

öffentliche Schuld 1333750653 Frank

Bezüge des Präsidenten 1200000 -

Ehrenlegion 10247061 -

Gesetzgebender Körper 12003260 -

Ministerium der Finanzen 19035000 -

Ministerium der Justiz 38102800 -

Ministerium des Äußern 14163900 -

Ministerium des Innern 66850339 -

Posten und Telegraphen 136236115 -

Kriegswesen 574758438 -

Marine und Kolonien 237687262 -

Unterricht, schöne Künste und Kulte 192157273 -

Handelsministerium 20753582 -

Ackerbauministerium 23686470 -

öffentliche Arbeiten 113893867 -

Regie-, Betriebs- und Erhebungskosten 201148676 -

Ausfälle und Rückzahlungen 19799340 -

Summa der ordentl. Staatsausgaben: 3015474036 Frank

Übrigens zeigt weder das Staatsbudget noch die Staatsschuld den vollen Umfang der öffentlichen Lasten; es kommen noch das Spezial- (Departements-) Budget mit 472 Mill. Einnahmen und dem gleichen Betrag von Ausgaben, dann die Budgets der einzelnen Gemeinden in Betracht. Vgl. v. Kaufmann, Die Finanzen Frankreichs (Leipz. 1882).

Heerwesen.

Die andauernden Kriege unter Ludwig XIV. führten zur Errichtung einer stehenden Armee durch Louvois, welche im J. 1670, außer den Garden, bereits 60 Regimenter Infanterie und 82 Regimenter Kavallerie, zusammen 138,000 Mann, zählte. 1752 war die Infanterie auf 114 Regimenter angewachsen, welche sich durch Werbung ergänzten. Die höhern Kommandostellen wurden fast ausschließlich vom Hofadel besetzt, alle übrigen Offizierstellen vom Landadel. Diese Armee ging in der Revolution unter. Nach mehreren erfolglosen Reorganisationsversuchen wurde im Sommer 1791 die Aufbringung einer Armee durch Konskription angeordnet. Ihr folgte 1793 die Bildung einer Armee von 300,000 Mann durch Aushebung und 23. Aug. d. J. ein Gesetz, welches das Prinzip der allgemeinen Wehrpflicht, ohne Stellvertretung, aussprach ("levée en masse"). Dieses Prinzip wurde von Napoleon durch Gesetz vom 7. März 1800, welches die Stellvertretung bedingungsweise gestattete, durchbrochen. Er begünstigte außerdem die Kapitulanten und Freiwilligen. Die Restauration von 1814 hob die allgemeine Wehrpflicht unter Einführung der Werbung wieder auf, doch wurde diese noch im Werden begriffene Organisation durch den rückkehrenden Napoleon wieder beseitigt. Nach der Niederwerfung des letztern und wechselnden Verhältnissen regelte das Gesetz vom 21. März 1832 das Ersatzwesen in der Weise, wie es in seinen Grundzügen bis nach dem Krieg von 1870-71 Geltung behielt. Die Dienstzeit wurde auf 7 Jahre festgesetzt, Stellvertretung blieb in Kraft. Ein Gesetz von 1838 bestimmte die Altersgrenzen in den Chargen aktiver Offiziere. Höhere Truppenverbände bestanden, ausgenommen bei der Garde, im Frieden nicht. Die Armee war territorial in sieben Marschallate, welche die Aufsicht über die in ihrem Bereich dislozierten Truppen führten, geteilt. Das Kriegsministerium verkehrte direkt mit den Regimentern. Die Erfolge Preußens im Feldzug 1866 ließen die Schwächen dieser Organisation erkennen. Bevor jedoch die Reorganisation nach dem Gesetz vom 1. Febr. 1868 durch Marschall Niel durchgeführt werden konnte, brach der Krieg von 1870 aus. Die in demselben gemachten Erfahrungen ließen die Notwendigkeit einer durch-^[folgende Seite]