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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Gefälligkeitsaccepte - Gefängniswesen.

würdigendes Bemühen, andern (insbesondere Mächtigern) "zu Gefallen zu leben", um sich bei diesen einzuschmeicheln, eine Tugend.

Gefälligkeitsaccepte, die acceptierten Wechsel, welche insbesondere zur Wechselreiterei benutzt werden.

Gefällsteuer, s. Grundgefällsteuer.

Gefangenenbefreiung. Im Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich erscheint die Befreiung von Gefangenen einmal unter den Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt und dann als Verbrechen im Amt. Letzteres verübt der Beamte, welcher einen Gefangenen, dessen Beaufsichtigung oder Bewachung ihm anvertraut ist, vorsätzlich entweichen läßt oder dessen Befreiung vorsätzlich bewirkt oder befördert; die Beförderung oder Erleichterung durch Fahrlässigkeit wird dagegen nur als Vergehen bestraft (§ 347). Als Widerstand gegen die Staatsgewalt ist es mit Strafe bedroht, wenn jemand einen Gefangenen aus der Gefangenanstalt oder aus der Gewalt der bewaffneten Macht vorsätzlich befreit oder ihm zur Selbstbefreiung vorsätzlich behilflich ist, oder wenn jemand (Nichtbeamter) vorsätzlich oder fahrlässig einen Gefangenen, mit dessen Beaufsichtigung oder Begleitung er beauftragt ist, entweichen läßt oder dessen Befreiung befördert (§ 120, 121). Die Selbstbefreiung eines Gefangenen wird strafrechtlich nicht geahndet. Rotten sich aber Gefangene zu einem gemeinsamen Ausbruch zusammen, so tritt die Strafe der Meuterei (s. d.) ein. Für diejenigen Personen, welche dem Militärstrafgesetzbuch unterworfen sind, ist die Selbstbefreiung aus der Gefangenschaft unter allen Umständen strafbar. Vgl. Deutsches Militärstrafgesetzbuch, § 79 f.

Gefangenhaltung eines Menschen, d. h. die vorübergehende oder dauernde Entziehung der persönlichen Freiheit, kann nur dann als gerechtfertigt erscheinen, wenn der Gefangene das Recht auf die persönliche Freiheit irgendwie verwirkt und der ihn gefangen Haltende hierzu ein Recht hat. Eine derartige Befugnis kann auf verschiedene Weise, sei es in einer amtlichen Stellung, sei es in einem Züchtigungsrecht, sei es durch die Fürsorge für einen Geisteskranken oder durch die Ergreifung und vorläufige Festnahme eines Verbrechers, begründet sein. Fehlt es an einer solchen Befugnis, so erscheint die G. als ein widerrechtlicher Eingriff in die persönliche Freiheit und, wofern sie sich nicht etwa als das Verübungsmittel eines anderweiten Verbrechens darstellt, schon an und für sich als strafbares Vergehen. Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch (§ 239) straft denjenigen, welcher vorsätzlich und widerrechtlich einen Menschen einsperrt oder auf andre Weise des Gebrauchs der persönlichen Freiheit beraubt, mit Gefängnis bis zu fünf Jahren. Hat aber die Freiheitsentziehung über eine Woche gedauert, oder ward dadurch eine schwere Körperverletzung des der Freiheit Beraubten verursacht, so tritt Zuchthausstrafe bis zu zehn Jahren und bei mildernden Umständen Gefängnisstrafe nicht unter einem Monat ein. Besonders strafbar erscheint es, wenn die widerrechtliche G. von einem Beamten ausgeht. Es soll dann die Bestrafung zwar nach Maßgabe des § 239 erfolgen, aber mindestens eine Gefängnisstrafe von drei Monaten eintreten (§ 341). Auch kann in letzterm Fall neben der Gefängnisstrafe auf Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter auf die Dauer von einem bis zu fünf Jahren erkannt werden.

Gefängnisarbeit, s. Gefängniswesen.

Gefängnisstrafe, im weitesten Sinn s. v. w. Freiheitsstrafe (s. d.); im engern und eigentlichen Sinn im Strafensystem des deutschen Strafgesetzbuchs eine minder schwere Art der Freiheitsstrafe von an und für sich nicht entehrendem Charakter. Die G., welche leichter als die Zuchthausstrafe und schwerer als die Festungshaft und die einfache Haft ist, wenn auch die Dauer der Festungshaft zumeist eine längere sein wird, kann in einem Minimum von einem Tag und in einem Maximum von fünf Jahren erkannt werden. Acht Monate Zuchthaus werden einer einjährigen G. und acht Monate G. einer einjährigen Festungshaft gleich erachtet. Die G. unterscheidet sich von der Zuchthausstrafe hauptsächlich durch die Art und Weise der Beschäftigung. Letztere ist bei der Zuchthausstrafe eine zwangsweise, auch können die Zuchthaussträflinge zu Arbeiten außerhalb der Anstalt verwendet werden. Die Zuchthaussträflinge müssen, die Gefängnissträflinge können beschäftigt werden und zudem nur auf eine ihren Fähigkeiten und Verhältnissen angemessene Weise und außerhalb der Anstalt nur mit ihrer Zustimmung. Auf Verlangen sind die zu G. Verurteilten in der angegebenen Weise zu beschäftigen. Die G. kann ganz oder teilweise in Einzelhaft vollzogen werden. Ein zu längerer G. Verurteilter kann, nachdem er drei Vierteile der Strafe, mindestens aber ein Jahr verbüßt und sich während dieser Zeit gut geführt hat, mit seiner Zustimmung durch die Justizaufsichtsbehörde auf Widerruf vorläufig entlassen werden (sogen. Beurlaubungssystem). Von Militärpersonen wird die G. nach dem deutschen Militärstrafgesetzbuch bis zur Dauer von sechs Wochen seitens der Offiziere, Ärzte und obern Militärbeamten in den für den geschärften Stubenarrest, seitens der Mannschaften vom Feldwebel abwärts in den für gelinden Arrest bestimmten Lokalen und nach Maßgabe dieser Strafarten verbüßt. Beschäftigung der Gefangenen zu militärischen Zwecken und unter militärischer Aufsicht kann bei den Militärpersonen vom Feldwebel abwärts jederzeit eintreten und muß auf Verlangen bei Offizieren wie Mannschaft erfolgen. Gefängnis von mehr als sechs Wochen wird in den Festungsgefängnissen ähnlich dem frühern Festungsarrest, resp. der Festungsstrafe verbüßt, für die Beschäftigung der Gefangenen gilt das oben Gesagte. Unteroffiziere, die ihre Uniform wie bei der Truppe behalten, und untere Militärbeamte, die auch Zivilkleidung tragen können, werden von den Gemeinen stets gesondert gehalten und zu bloßen Handleistungen nur mit ihrem Einverständnis und nur in geschlossenen Räumen verwendet. Die Erlöse eigner Beschäftigung außer der dienstlich angeordneten verbleiben den Gefangenen und werden bis nach verbüßter Strafe für sie verwaltet. Bei Strafen bis zu sechs Wochen Dauer behalten Militärs ihren Gehalt unverkürzt. Bei G. von mehr als fünfjähriger Dauer kann auch auf Entfernung aus dem Heer oder der Marine erkannt werden, womit die Strafvollstreckung an die bürgerlichen Behörden übergeht. Vgl. Deutsches Strafgesetzbuch, § 16, 21 ff.; Militärstrafgesetzbuch, § 16 ff.; Preußisches Reglement vom 16. März 1881 über den Vollzug der Untersuchungshaft, Gefängnis- und Haftstrafen.

Gefängnisvereine, s. Gefängniswesen.

Gefängniswesen, der Inbegriff aller auf die Freiheitsentziehung bezüglichen staatlichen Anstalten und Einrichtungen. Die Hauptgestaltungen desselben ergeben sich daher in Gemäßheit der Gründe, aus welchen von Staats wegen die Freiheit eines Menschen aufgehoben werden kann. Die wichtigsten unter diesen Gründen sind: 1) Die Verhinderung des Feindes an der fernern Teilnahme am Krieg, so daß man auch