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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gelenkentzündung der Kinder; Gelenkkörper; Gelenkkrankheiten; Gelenkmäuse

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Gelenkentzündung der Kinder - Gelenkmäuse.

Blut stattfindet. Enthält das Gelenk nur wenig Eiter, wie bei der Mehrzahl der rheumatischen Fälle, so erweist sich die von Stricker eingeführte Darreichung großer Gaben von Salicylsäure oft von überraschender Wirkung, welche örtlich nur durch ruhige Lagerung unterstützt zu werden braucht. Ist das Gelenk prall mit Eiter gefüllt (pyarthros), so muß hier wie überall, wo durch die Aufnahme zersetzter Stoffe ins Blut eine allgemeine Septichämie (Faulfieber) droht, durch Einstich für Abfluß des Eiters gesorgt werden, und die weitere Behandlung entspricht dann dem Verfahren bei großen Höhlenwunden. Liegt der G. schon ein Wundfieber oder Kindbettfieber als Ursache zu Grunde, so ist die Aussicht auf Heilung gering, der Tod tritt infolge der Gesamterkrankung beinahe unausbleiblich ein. Wird der Eiter mit oder ohne Eröffnung des Gelenks aufgesogen, ohne daß die Schwellung der Synovialhaut zurückgeht, so kann sich eine chronische G. ausbilden, welche nach Monaten mit Verwachsung und Gelenksteifigkeit (s. d.) endigt. Bei diesen langwierigen Fällen sind die warmen Bäder von Teplitz, Wildbad, Gastein, Wiesbaden und Öynhausen oft von vortrefflicher Wirkung. 4) Die chronisch beginnende fungöse G. (weiße Gelenkgeschwulst, Gliedschwamm, Tumor albus). Auch diese Form nimmt ihren Ausgang von der weichen Synovialhaut; diese erfährt eine langsame Verdickung durch Bildung eines schwammigen Granulationsgewebes ohne reichlichere Eiterabsonderung, ohne Fieber und entzündliche Rötung, aber mit weißer, teigiger Schwellung der ganzen Umgebung. Der Tumor albus ist eine Krankheit jüngerer skrofulöser Personen und wird jetzt allgemein als echt tuberkulöse G. betrachtet. Anatomisch wird das Bild bald recht verwickelt, da sich nach einigem Bestehen der wulstigen Verdickung der Gelenkmembran der knorpelige Überzug der Gelenkenden beteiligt; er geht zu Grunde, aus dem bloßgelegten Knochen schießen neue Fleischwärzchen auf, welche mit den Ausfüllungsmassen der Gelenkhöhle verwachsen und Steifigkeit bedingen können oder zur tiefer greifenden Knocheneiterung (Karies) mit Knochenauftreibung, Nekrose und Fistelbildung (Arthrocace) führen. Der Kräftezustand leidet unter dem Übel beträchtlich, und nicht selten gehen die Kranken an Abzehrung, Lungenschwindsucht, allgemeiner Tuberkulose oder Speckentartung der Unterleibsdrüsen zu Grunde. Demnach ist bei der Behandlung das Augenmerk vorwiegend auf die Erhaltung und Besserung des Ernährungszustandes zu richten, Solbäder und Waldluft sind bei Kindern besonders von Nutzen. Das Gelenk selbst ist frühzeitig durch Operation von den tuberkulös erkrankten Weichteilen zu befreien, bei beginnendem Knochenfraß (Karies) ist die Resektion vorzunehmen. Gegen die tuberkulösen Fistelbildungen ist auf dem Chirurgenkongreß 1881 eindringlich die Wundbehandlung mit Jodoform empfohlen worden. 5) Die deformierende G. (Arthritis deformans oder nodosa) beginnt gleich von Anfang an in dem Knorpelüberzug und den knöchernen Gelenkenden und ist dadurch von allen vorgenannten Arten der G. unterschieden. Sie ist ein Leiden des Greisenalters und heißt, da ihr gewöhnlichster Sitz im Hüftgelenk ist, auch wohl Malum senile coxae. Ohne Eiterung, ohne Gelenkschwellung und Fieber verläuft die Krankheit schleichend Jahre hindurch und gibt sich nur durch Gehstörungen kund, welche durch Abschleifung des Gelenkkopfes in seiner Pfanne bedingt werden. Die Gestaltveränderungen der knöchernen Gelenkteile erreichen dabei oft hohe Grade, an Stelle der schwammigen Textur tritt ein Knochengewebe von elfenbeinerner Härte, aber die Synovialmembran wird nur sekundär in einen chronischen Entzündungsprozeß einbezogen. Gerade hier ist es nicht so selten, daß sich verdickte Zotten der Membran oder gewucherte knorpelige Gewebsstücke beim Bewegen ablösen und dann als freie Körper, sogen. Gelenkmäuse (s. d.), in der Höhle liegen bleiben. Sie bewirken oft durch ihr Hineingeraten zwischen die gleitenden Flächen plötzliche schmerzhafte Störungen beim Gehen und müssen durch Einschnitt entfernt werden. Jede der früher erwähnten Formen kann später in das Krankheitsbild dieser schleichenden G. übergehen, so daß die aufgezählten Übel zuweilen nach überstandenen Gelenkleiden auch vor dem Greisenalter zur Erscheinung kommen. Die Behandlung verspricht nur mäßige Erfolge. Das Gelenk muß täglich mäßig gebraucht werden, warme Bäder und passende künstliche Bandagen (Taylors Maschine) erleichtern wesentlich die in ihren Ursachen nicht angreifbaren Funktionsstörungen. Vgl. außer den Handbüchern der Chirurgie von Bardeleben, Pitha und Billroth, König u. a.: Hueter, Klinik der Gelenkkrankheiten (2. Aufl., Leipz. 1876-78); v. Langenbeck, Schußfrakturen der Gelenke und ihre Behandlung (Berl. 1868); Schömann, Das Malum coxae senile (Jena 1851).

Gelenkentzündung der Kinder (griech. Pädarthrocace), die bei Kindern vorkommende Gelenkentzündung, welche namentlich die Gelenke zwischen Finger und Mittelhandknochen befällt und mit Auftreibung der Gelenkenden, Schiefstellung der Finger etc. einhergeht. Von der G. werden meist nur mit skrofulösem Habitus oder mit ererbter Syphilis behaftete Kinder befallen. Der größte Teil dieser Formen ist tuberkulöser Natur und wie der Gliedschwamm (s. Gelenkentzündung 4) zu behandeln.

Gelenkkörper, s. Gelenkmäuse.

Gelenkkrankheiten betreffen entweder das Gelenk selbst, oder die mit dem Gelenk zusammenhängenden Schleimbeutel, oder die weitere Umgebung (periartikuläre Erkrankungen). Die wesentlichsten G. der ersten Art sind die Gelenkentzündung (s. d.) mit ihren verschiedenen Unterarten und Ausgängen, die Gelenkwunden (s. d.), Gelenkneurose (s. d.), Verrenkungen (s. d.), Gelenksteifigkeit (s. d.). Die Krankheiten der zweiten Gruppe kommen selten selbständig vor, meist sind die Verletzungen und Entzündungen der Schleimbeutel nur Komplikationen von ähnlichen Prozessen des eigentlichen Gelenks. Die periartikulären Krankheiten sind Entzündungen, Geschwulstbildungen, Wunden oder Knochenbrüche in der Nähe eines Gelenks, welche nicht selten mit Gelenkentzündung verwechselt werden und eine besondere Gefahr mit sich bringen, weil sie häufig auf das Gelenk wirklich übergreifen. - Über die Gelenkkrankheit der Haustiere s. Lähme.

Gelenkmäuse (freie Gelenkkörper) werden bei gewissen Gelenkkrankheiten bald vereinzelt, bald zu mehreren und selbst vielen in der Höhle der größern Gelenke (Knie-, Schulter-, Ellbogengelenk) als frei bewegliche fibröse oder knorpelige Körper angetroffen. Ihre Größe wechselt vom Umfang eines Reiskorns bis zu dem einer Kirsche und darüber. Gelangen solche G. zwischen die Gelenkflächen, so entstehen die heftigsten Schmerzen; der damit Behaftete sinkt plötzlich zusammen, wird sogar ohnmächtig; das kranke Gelenk kann durchaus nicht gebraucht werden. Wo solche Beschwerden vorhanden sind, wird man sich unter Umständen zur Operation entschließen müssen, denn nur auf operativem Weg, durch Eröffnung des Ge-^[folgende Seite]