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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Genfer See

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Genfer Konvention - Genfer See.

deren Anwesenheit in der betreffenden Armee auf den Erfolg der Waffen von Einfluß sein würde, die in die Hände des Feindes gefallenen Blessierten, selbst wenn sie nicht als unfähig zum Fortdienen erkannt werden, nach erfolgter Herstellung oder noch früher in ihre Heimat zurückzusenden sind (früher 'können') unter der Bedingung, daß dieselben während der Dauer des Kriegs nicht wieder die Waffen führen dürfen": eine Erweiterung, welche die Ausführung dieses Zusatzartikels absolut unmöglich macht. Einflußreicher ist dagegen die im ersten Zusatzartikel enthaltene Neuerung, welche das im Art. 3 der Konvention enthaltene "können" beseitigt und in vorschreibender Weise bestimmt: "Das Hilfspersonal fährt nach der Besetzung durch den Feind fort, den Kranken und Verwundeten des Feldlazaretts etc. seine Sorgfalt zuzuwenden. Sobald dieses Personal sich zurückzuziehen wünscht, hat der Kommandant der Besatzungstruppen den Zeitpunkt des Abzugs zu bestimmen, den er jedoch nur auf eine kurze Zeitdauer und zwar, sobald militärische Notwendigkeiten vorliegen, hinausschieben kann."

Diese Zusatzartikel sind niemals ratifiziert worden. Sie bilden daher kein geltendes Recht; nur während des deutsch-französischen Kriegs haben sie vermöge eines ausdrücklichen Übereinkommens zwischen den kriegführenden Staaten in praktischer Geltung gestanden. Die damals gemachten Erfahrungen werden nicht dazu beitragen, die Abneigung der Mächte gegen eine staatsverbindliche Ausdehnung der Konvention von 1864 zu beseitigen.

1874 beschäftigte sich der in Brüssel tagende völkerrechtliche Kongreß über das gesamte internationale Kriegsrecht auch mit der G. K. Die sieben auf die Verwundeten, das Sanitätsmaterial und -Personal bezüglichen Paragraphen der russischen Vorlage enthielten zwar eine ganz erhebliche Umgestaltung eines Teils des bisher geltenden Rechts; sie wurden aber gestrichen und folgender Beschluß gefaßt: "Die Verpflichtungen der Kriegführenden in Bezug auf die Verwundeten- und Krankenpflege werden durch die G. K. vom 22. Aug. 1864 geregelt, vorbehaltlich der Abänderungen, die in Bezug auf dieselbe in Zukunft etwa vereinbart werden sollten". Die Beratungen und Verhandlungen dagegen über den russischen Entwurf und die von dem deutschen Bevollmächtigten und der belgischen Regierung eingebrachten Gegenentwürfe, bei denen sich sehr weitgehende Meinungsverschiedenheiten ergaben, und deren Resultat in den Kommissionsprotokollen niedergelegt ist, enthalten für die Zukunft hochwichtiges Material. Der von 15 Staaten und von allen europäischen Großmächten beschickte Kongreß verfügte über ein reiches, bereits vielfach durchgearbeitetes Material und konnte eingehende praktische Erfahrungen berücksichtigen. Namentlich trat den früher gemachten Erfahrungen gegenüber die Auffassung der Vertreter Deutschlands maßgebend in den Vordergrund. In vielen schwierigen Punkten ist in der Kommission eine Einigung erzielt worden; die Beschlüsse nehmen gebührend auf das kriegerische Interesse Rücksicht; sie zeigen große Sachkenntnis, Schärfe, Gründlichkeit und praktischen Blick und erstreben nur das wirklich Erreichbare und Ausführbare.

Leider haben diese Kommissionsbeschlüsse praktische Geltung nicht erlangt; thatsächlich steht die Konvention von 1864 allein noch in Kraft. Dieselbe bedarf aber ganz entschieden einer Revision, denn sie enthält unausführbare und übertriebene Bestimmungen, welche auf das oberste Gesetz des Kriegs, die unbedingte militärische Aktionsfreiheit, nicht genügende Rücksicht nehmen und daher notwendigerweise durch die allmächtige Gewalt der Thatsachen durchbrochen werden müssen. Hieraus erklärt sich ein großer Teil der in den letzten Kriegen beklagten sogen. Konventionsverletzungen, wenn auch nicht geleugnet werden soll, daß in vielen Fällen Unkenntnis der betreffenden Konventionsbestimmungen und böser Wille zu wirklichen Verletzungen geführt haben. Bei einer Revision wird, abgesehen von den bereits oben dargelegten Gesichtspunkten, vor allem darauf Rücksicht zu nehmen sein, den vagen und unrichtigen Ausdruck Neutralität durch den Begriff Unverletzlichkeit zu ersetzen und die Hauptbestimmungen des Vertrags in die militärischen Reglements und Sanitätsinstruktionen der kontrahierenden Staaten aufzunehmen. In Deutschland ist dieses Ziel bereits teilweise erreicht, indem, ohne Bezugnahme auf Gegenseitigkeit und internationale Verträge, in § 5 der Kriegssanitätsordnung vom 10. Jan. 1878 bestimmt ist: "Kranke und verwundete Kriegsgefangene nehmen gleich den Soldaten des deutschen Heers und den Angehörigen verbündeter Heere an der Krankenpflege teil". Auch die G. K. nebst den Zusatzartikeln vom 20. Okt. 1868 ist der Sanitätsinstruktion als Beilage D beigefügt. Vgl. Gurlt, Der internationale Schutz der im Felde verwundeten und erkrankten Krieger (Berl. 1869); Palasiano ^[richtig: Palasciano = Ferdinando Palasciano (1815-1891)], La neutralità dei feriti in tempo di guerra (Neap. 1861); Moynier, Étude sur la convention de Genève (Par. 1870); "Verhandlungen der internationalen Konferenz zu Berlin v. 22.-27. April 1869"; Schmidt-Ernsthausen, Das Prinzip der G. K. (Berl. 1874); v. Corval, Die G. K. (Karlsr. 1874); Lueder, Die G. K. (Erlang. 1876); v. Criegern, Ein Kreuzzug nach Stambul (Dresd. 1879).

Genfer See (bei den Römern Lacus Lemanus, franz. Lac de Genève, Lac Léman, im Mittelalter Lac Losannete oder Mer du Rhône), der größte See der Schweiz, hat die Gestalt eines gegen S. gekrümmten Halbmondes, dessen östliche Spitze jedoch im Lauf der Jahrtausende von dem hier mündenden Rhône durch Schuttablagerungen allmählich ausgefüllt wurde. Die Länge beträgt 90 km, die größte Breite, zwischen Evian und St.-Sulpice, 15 km, der Flächeninhalt 573 qkm (10,4 QM.). Er liegt 375 m ü. M. Der Hauptteil hat (bei Vevey-Meillerie) bis 309 m Tiefe; der westliche, kleinere, stromähnliche Arm bis Genf heißt der Kleine See und ist höchstens 75 m tief. Zwischen Versoix und Collonge streicht eine Sandbank von Ufer zu Ufer (banc de travers), welche bei niedrigem Wasserstand den Dampfbooten hinderlich war und ausgebaggert werden mußte. Die Uferlandschaften sind wegen ihrer Schönheit berühmt. Im westlichen Teil sieht man den Montblanc. Fast das ganze Nordufer hat nur Hügelform. Der Jorat, als höchster Punkt, erhebt sich nur 553 m über den See. Der Jura hält sich in ziemlicher Ferne; selbst seine Vorstufen, die Weinhalden von La Côte, senden höchstens einen Hügelvorsprung an den See heran. Auch auf der Südseite sind die zwei westlichen Dritteile von Genf bis Evian eben, und erst 7 km südlich von Yvoire steigt waldbewachsen der Hügel Boissy etwa 300 m über den See empor; dahinter, weit nach S., die Voirons (1456 m ü. M.), das erste bedeutende Gebirgsglied. Weiterhin folgen großartige Gebirgsmassen, höher und höher bis zur majestätischen Firnwelt. Während aber das schweizerische Ufer das Bild eines reichen, üppigen, dicht belebten Geländes darbietet, geschmückt mit zahllosen saubern Häusern,