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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Giftlilien; Giftmehl; Giftmord; Giftpapier; Giftpflanzen

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Giftlilien - Giftpflanzen.

ment u. dgl. erhielt, um ihren Dampf tötend zu machen, sind nicht mehr im Gebrauch. Noch 1845 wurden auf der Reede von Havre Versuche mit G. gemacht.

Giftlilien, s. v. w. Kolchikaceen, s. Melanthaceen.

Giftmehl, s. v. w. arsenige Säure.

Giftmord, s. Vergiftung.

Giftpapier, mit arseniger Säure getränktes Papier zum Vertilgen der Fliegen.

Giftpflanzen (hierzu die Tafeln "Giftpflanzen I u. II"), diejenigen Gewächse, welche in irgend einem ihrer Teile eine für den Menschen giftige Substanz enthalten. Zwischen G. und nicht giftigen Gewächsen läßt sich keine feste Grenze ziehen. Denn manche Pflanzen enthalten zwar Stoffe, welche, rein dargestellt, eine ungemein schädliche Wirkung ausüben, in den Pflanzen aber in so geringer Menge vorhanden sind, daß beim Genuß dieser die giftige Wirkung sich abschwächt zu einem unschädlichen, angenehmen Reiz oder zur wohlthätigen arzneilichen Wirkung. So könnten manche Pflanzen, welche Genuß- und sogar wichtige Nahrungsmittel liefern, in diesem weitesten Sinn zu den G. gezählt werden, wie z. B. der Tabak, der Mohn und selbst die Kartoffel, welche in ihren Knollen Spuren von Solanin enthält. Meist aber beschränkt man den Begriff auf diejenigen Pflanzen, welche von einem Gift so viel enthalten, daß ihr Genuß selbst schon schädlich ist. Wie aber die Gifte in der Heftigkeit und in der Art ihrer Wirkungen alle Abstufungen zeigen, so gibt es auch unter diesen eigentlichen G. hinsichtlich der Gefährlichkeit Übergänge, und man pflegt daher die zahlreichen Pflanzen von unbedeutender Wirkung, wie z. B. die durch ihre Wurzelstöcke Erbrechen und Durchfall erregenden Veilchen und die Ackerwinde, nicht als G. aufzuführen. Der gewöhnliche Sprachgebrauch zählt dazu auch diejenigen Gewächse nicht, welche genießbare Produkte liefern und nur in einem einzigen Teil, der nicht mit genossen wird, giftige Bestandteile enthalten, wie z. B. die Kerne vieler Steinobstbäume und besonders die bittern Mandeln. Die giftigen Teile mancher Pflanzen lassen sich durch Waschen und Trocknen, Kochen oder Rösten von dem Gift, weil dieses hier ein flüchtiger Stoff ist, befreien, sind dann unschädlich und können nach dieser Behandlung sogar wichtige Nahrungsmittel gewähren; so z. B. die sehr giftigen, aber stärkemehlreichen Wurzeln des Kassawastrauchs, welche in Südamerika eins der wichtigsten Nahrungsmittel liefern. Ähnliches gilt von den stärkemehlreichen Wurzelstöcken unsers gefleckten Aron, welche durch Kochen und Trocknen ihre sehr giftige Schärfe verlieren und dann in manchen Gegenden zum Brotmehl gemischt werden. Aus den meisten G. aber läßt sich das Gift nicht auf so einfache Weise abscheiden. Die meisten G. sind zugleich wichtige Arzneigewächse, weil viele vegetabilische Gifte in richtigen Gaben wertvolle Heilmittel darstellen. Nach den Wirkungen unterscheidet man die G. in gleicher Weise wie die Gifte selbst in narkotische, scharfe etc. (vgl. Gift). Vielfach haben G. von naher systematischer Verwandtschaft gleiche oder ähnliche Wirkung; so wirken z. B. purgierend alle G. aus der Familie der Euphorbiaceen, mehr oder weniger scharf sind alle Arten von Ranunculus, mehr oder weniger narkotisch alle Solaneen. Diejenigen Gewächse, von denen mit Bestimmtheit eine giftige Wirkung nicht erwiesen ist, welche aber zur Vorsicht mahnen, werden verdächtige genannt. Von den meisten G. ist der giftig wirkende Bestandteil genau oder doch wenigstens so weit bekannt, daß er sich chemisch benennen und vielfach auch aus der Pflanze rein darstellen läßt. Derselbe ist bei zahlreichen G. ein meist jeder Gattung eigentümliches Alkaloid welches sich aufgelöst in dem Safte der Zellen bestimmter Gewebe oder im Milchsaft findet. In andern Fällen ist es ein flüchtiges Öl, in noch andern ein indifferenter Stoff. Der giftige Bestandteil ist entweder in allen Teilen der Pflanze enthalten, dann freilich oft nicht in allen in gleicher Menge; gewisse Teile sind daran am reichsten und daher am giftigsten. Dies gilt besonders von den Wurzeln, bez. Knollen und von den Früchten und Samen, bei Bäumen auch von der Rinde. Wieder andre G. bilden den giftigen Bestandteil nur in einem einzigen ihrer Organe, während die übrigen Teile unschädlich oder doch wenigstens nicht eigentlich giftig sind. G. gibt es auf der ganzen Erde, und wie jede Flora überhaupt ihre eigentümlichen Gewächse hat, so hat sie auch ihre eignen G. In fernen Ländern finden sich daher im allgemeinen auch andre G. als in Europa. Die bei uns vorkommenden sind meistens wildwachsend, doch gibt es auch unter den Zierpflanzen der Gärten einige giftige (Fingerhut, Sturmhut). Die wild wachsenden sind teils echte Unkräuter auf Acker- und Gartenland (Taumellolch, Schierling, Wolfsmilch, Nachtschatten), teils wachsen sie auf Wiesen (Herbstzeitlose, Hahnenfuß) oder in Wäldern (Einbeere, Tollkirsche und die meisten giftigen Schwämme); einige sind Gebirgspflanzen (Sturmhut, Seidelbast), andre wachsen auf Schutt, Dünger etc. in der Nähe menschlicher Wohnungen (Stechapfel, Bilsenkraut), wenige sind Sumpfpflanzen (Wasserschierling, Wasserlobelie). Giftige Kryptogamen gibt es nur unter den Pilzen; phanerogame G. finden sich in 32 Familien. Vgl. Brandt, Phöbus und Ratzeburg, Deutschlands Giftgewächse, Phanerogamen und Kryptogamen (Berl. 1834-38, 2 Bde. mit 56 kolorierten Tafeln).

Übersicht der Giftpflanzen.

Die einheimischen Giftpflanzen sind mit * bezeichnet.

I. Pilze.

A. Hymenomyceten. Hierher gehören fast alle eigentlichen Giftschwämme, unter denen von einheimischen als entschieden giftige folgende zu nennen sind:

1) * Fliegenschwamm (Agaricus muscarius L., Amanita muscaria Fr.). S. Tafel "Pilze".

2) * Knollenblätterschwamm (A. Phalloïdes Fr.)

3) * Frühlingsblätterschwamm (A. vernus Fr.).

4) * Pantherschwamm (A. pantherinus Dec.).

5) * Gift- oder Birkenreizker (A. torminosus Schäff.).

6) * Speiteufel, giftiger Täubling (A. emeticus Schäff., Russula emetica Fr.).

7) * Rissiger Blätterschwamm (A. rimosus Bull.).

8) * Orangefarbener Faltenschwamm (Cantharellus aurantiacus Fr.).

9) * Satanspilz (Boletus Satanas Lenz, B. sanguineus Krombh.).

B. Pyrenomyceten. 10) * Mutterkorn (Claviceps purpurea Tul., Sclerotium Clavus Dec., Spermoedia Clavus Fr.).

II. Koniferen.

11) * Eibenbaum (Taxus baccata L.), Zweige und Blätter, früher fälschlich auch die Frucht für giftig gehalten.

12) * Sadebaum (Juniperus Sabina L.), besonders Zweige und Blätter.

III. Gramineen.

13) * Taumellolch (Lolium temulentum L., Abbildung s. Lolium), nur der Same, jedoch neuerdings zweifelhaft.

IV. Aroideen.

14) * Gefleckter Aron (Aron maculatum L., Tafel I), alle Teile, vorzüglich die Wurzel.

15) * Sumpf-, Schlangenkraut (Calla palustris L.), alle Teile, vorzüglich der Wurzelstock.

V. Smilaceen.

16) * Vierblätterige Einbeere (Paris quadrifolia L., Tafel I), alle Teile, besonders der Wurzelstock und die Frucht.