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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gips

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Gips (Gipsofen; Verwendung des gebrannten Gipses).

nach abermaligem Brennen wieder wie frischer verwendbar. Kleinere Quantitäten G. brennt man als Pulver durch Erhitzen in einem Kessel oder auf einer Platte, bis die durch die entweichenden Wasserdämpfe hervorgebrachte wallende Bewegung aufgehört hat und eine kalte Glasplatte über dem G. nicht mehr beschlägt. Im großen brennt man den G. bisweilen noch in Meilern oder in Haufen mit Holz, indem man die größten Stücke Gipsstein zu einer Feuergasse zusammenstellt, die kleinern aber daneben- und darüberschüttet und mit Holz feuert. An andern Orten baut man die Gipsgrubenöfen in einen Bergabhang. Sie haben daher außen nur drei Mauern, sind ca. 3,75 m hoch, 9 m breit und 6 m tief, nach oben offen und sich etwas erweiternd. An der Vordermauer sind zwei oder drei Schürlöcher, und von jedem derselben werden gegen die Rückwand hin überwölbte Gänge, die Schürgassen, angelegt, indem man große Gipssteine locker und mit erforderlichen Zwischenräumen aufstellt. Darüber werden kleinere Gipssteine mit Tannenholz geschichtet und oben mit Gipsschutt oder Gerölle gedeckt. Diese Methode verursacht bedeutende Holzverschwendung, und durch die Berührung der Kohle mit dem G. wird viel Schwefelcalcium gebildet; ein bedeutender Teil des Gipses wird tot-, ein andrer nicht gar gebrannt. Rationellere Gipsöfen sind mit einem flachen Gewölbe überspannt (s. Figur), welches durch mehrfache Zugöffnungen a durchbrochen ist; an der Sohle des Ofens befinden sich, an zwei Seiten zugänglich, die von rohen Gipssteinen hergestellten Schürgassen c, über welche der zu brennende G. durch die Beschickungsöffnung b aufgeschüttet wird. Letztere ist während des Brandes vermauert. Für feinere Gipssorten benutzt man beim Brennen einen Flach- oder Backofen von der Form, wie er zum Brotbacken dient. Man heizt den Ofen an, zieht die Kohlen heraus und beschickt ihn mit dem in kleine Stücke zerschlagenen G. Man kann auch die Backöfen selbst nach dem Entleeren von Brot noch vorteilhaft zum Brennen des Gipses benutzen. Wesentlich verbessert wurden diese Flachöfen durch Anbringung einer eignen Rostfeuerung, wobei dann der Ofen nicht jedesmal vor dem Einbringen des Gipses gereinigt zu werden braucht. Die Feuerungsgase leitet man unter dem Boden des Ofens durch gußeiserne Röhren oder gemauerte Kanäle nochmals teils an den Seiten, teils über der Decke des Ofenraums hin und zurück.

Ein vorzügliches Produkt liefert der Ofen von Dumesnil. Aus dem unter der Ofensohle befindlichen Feuerraum, zu welchem ein gebogener Kanal herabführt, steigen die Verbrennungsgase durch gebogene Kanäle zu dem Brennraum empor und münden hier unter einem kleinen Gewölbe, aus welchem sie durch Seitenöffnungen ausströmen. Die Beschickung des Ofens erfolgt durch eine untere und eine obere im Gewölbe befindliche Öffnung. Die größern Gipsstücke werden auf der Ofensohle so aufgestellt, daß sich die Feuerungsgase gleichmäßig durch den ganzen Ofenraum verbreiten können. Dann läßt man eine Lage kleinerer Stücke folgen, und schließlich schüttet man die kleinsten Stücke auf. Die durch eine Klappe verschließbare Esse dient zur Regulierung des Zugs, außerdem sind im Gewölbe vier kleinere Zugröhren angebracht, durch deren Öffnen oder Schließen die Hitze in den verschiedenen Teilen des Ofens gleichmäßig gemacht werden kann. Man feuert zuerst vier Stunden gelind und während der folgenden acht Stunden stärker, schließt dann alle Öffnungen und breitet auf dem gebrannten G. 5-6 cbm grobes Gipspulver aus, welches noch durch die vorhandene Hitze gebrannt wird. Nach weitern zwölf Stunden wird der Ofen entleert. Bisweilen benutzt man die aus Kalköfen entweichende Hitze zum Brennen von G., und wo letzterer in kleinern Stücken oder Körnern vorkommt, wendet man eiserne Cylinder an, die in einem Kanal, durch welchen die Feuerungsgase streichen, der Feuerung entgegengeführt werden. Auch Gipshochöfen zum kontinuierlichen Brennen hat man konstruiert und sie namentlich in unmittelbarer Nähe der Gipsbrüche und an einem Abhang errichtet. Sie stimmen im Prinzip mit den Rüdersdorfer Kalköfen überein, sind aber viel kleiner.

[Gebrannter Gips, Gipsabgüsse etc.] Der gebrannte G. ist sehr weich und wird auf Stampfmühlen zerkleinert und zwischen Walzen oder Mühlsteinen, auch in rotierenden Trommeln mit Kugeln gemahlen. Er bildet dann ein weißes Pulver, welches, nachdem es für gewisse Zwecke gesiebt worden ist, in Fässern, vor Feuchtigkeit geschützt, aufbewahrt werden muß. Zum Zerkleinern des Gipses nach dem Brennen benutzt man Stampfmühlen.

Aus gebranntem G. gegossene Platten sind nach dem Trocknen sehr porös und saugen mit großer Begierde Flüssigkeiten ein; man benutzt sie deshalb zum Entwässern von Farbenbrei, Kristallen, Stärkemehl, Hefe etc. Formen von G. dienen ihrer Porosität halber zum Gießen von Porzellanretorten, Röhren u. dgl., namentlich auch der Lithophanien. Die Formen saugen das Wasser ein und machen die Porzellanmasse dadurch fest. Ebenso kann man auch Flüssigkeiten, wie Benzin, Chloroform, ätherische Öle, Äther, Essigäther, mit gebranntem G. entwässern. Die Lösung der Harze in Alkohol und Terpentinöl, selbst viele fette Firnisse können durch gelindes Erwärmen mit gebranntem G. mit Leichtigkeit wasserhell erhalten werden. Trübe gewordene Weine, Parfüme, Liköre klären sich beim Schütteln mit etwas gebranntem G. sehr bald ab, ebenso die Lösung der Guttapercha. Der Wein wird durch den G. klarer, stärker und, wenn er einen übeln Geschmack angenommen hatte, zugleich wieder wohlschmeckend; außerdem verlangsamt der G. die Gärung, verwandelt die löslichen Kalisalze des Weins in unlösliche Kalksalze und bewirkt zugleich die Abscheidung eiweißartiger Stoffe. Raffiniertes Rüböl klärt man durch Anrühren mit gebranntem G. und Kochsalz. Am häufigsten wird die Eigenschaft des gebrannten Gipses, mit Wasser zu erhärten, verwertet. So benutzt man G. zum Bekleiden der Böden der Ölfässer, zum Befestigen von Eisen in Stein und Mauerwerk, zur Herstellung unbeweglicher Verbände bei Knochenbrüchen, zur Darstellung von

^[Abb.: Gipsofen.]