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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Gravelure - Gravisca.

Gravelure (franz., spr. graw'lühr), verblümte Zote.

Gravenhage, s. Haag.

Gravensteen Noer (Groasteen Noer), der innerste, jetzt eingedämmte Teil eines Fjords der Insel Aeroe.

Gravenstein, Flecken in der preuß. Provinz Schleswig-Holstein, Kreis Apenrade, unweit des Nübeler Noor, einer Bucht des Flensburger Busens, hat eine Pfarrkirche, ein Schloß (1758 erbaut) mit großem Gut, berühmten Obstbau (Gravensteiner Äpfel), Seebad, Dampfschiffsverbindung mit Flensburg und (1880) 800 Einw.

Graveolént (lat.), stark übelriechend.

Graves (sc. voces, lat., die "tiefen") nannte schon Hucbald (und später Guido u. a.) die tiefsten Töne des damaligen Umfangs des Tonsystems, unser (groß) G bis (klein) c, d. h. die unterhalb der vier Finaltöne (finales) der Kirchentöne (d-g) gelegenen Töne.

Graves (spr. grāw'), weiße und rote Bordeauxweine des Departements Gironde. Sie sind körperreich und dauerhaft; die roten werden meist als Médoc verkauft.

Gravesande, Wilhelm Jakob van 's, Philosoph und Mathematiker, geb. 27. Sept. 1688 zu Herzogenbusch, studierte in Leiden die Rechte, wandte sich aber sodann der Mathematik und Physik zu. Schon in seinem 19. Jahr verfaßte er die Schrift "Versuch über die Perspektive", die Aufsehen erregte. Im Verein mit mehreren Gelehrten gab er seit 1713 das "Journal littéraire" heraus, das von 1722 an in Leiden unter dem Titel: "Journal de la république des lettres" bis 1736 fortgesetzt wurde. Nachdem er 1715 als Sekretär die Gesandtschaft der Generalstaaten nach London begleitet hatte, ward er 1717 Professor der Mathematik und Astronomie und 1734 auch der Philosophie in Leiden, wo er 28. Febr. 1742 starb. Er war der erste außerhalb Englands, der sich öffentlich zu Newtons Lehre bekannte. Er schrieb noch: "Physices elementa mathematica experimentis confirmata" (Leiden 1720-21, 2 Bde.; 2. Aufl. 1743); "Philosophiae Newtonianiae institutiones" (das. 1723, 2 Bde.; 2. Aufl. 1744). Eine Sammlung seiner "Œuvres philosophiques et mathématiques" erschien zu Amsterdam 1774 in 2 Bänden.

Gravesend (spr. grehws'end), alte Stadt in der engl. Grafschaft Kent, am südlichen Ufer der Themse, unterhalb London, mit zahlreichen Belustigungsorten (Rosherville Gardens und Windmill Hill, letzterer mit der ältesten Windmühle Englands), welche von den Londonern an Sonn- und Festtagen stark besucht werden, ansehnlichem Fischfang und Gemüsebau (namentlich Spargel, für London) und (1881) 23,375 Einw. Unterhalb der Stadt liegt New Tavern Fort, gegenüber Tilbury Fort (s. d.). Noch weiter unten verteidigen zwei Forts den Eingang der Themse.

Graveur (franz., spr. -wör), einer, der mit dem Grabstichel arbeitet, Stempelschneider, Kupfer-, Stahlstecher etc.; s. Gravieren.

Gravidīn, s. Kiesteïn.

Gravidität (lat.), Schwangerschaft; Gravida, eine Schwangere; gravidieren, schwängern.

Gravieren (v. lat. gravāre), beschweren, drücken, belasten, zur Last fallen; Gravantia, beschwerende, verschlimmernde (gravierende) Umstände; Gravation, Beschwerung, Belastung.

Gravieren (franz. graver, v. deutschen "graben"), das Verfahren, durch welches man auf metallenen und andern Flächen Schriftzüge oder Zeichnungen bald erhaben, bald vertieft anbringt, um sie entweder als Bezeichnung oder Verzierung, oder zum Abdruck mit Farbe, oder zum Abdruck in weichern Massen, wohl auch zu Abgüssen zu gebrauchen. Hauptsache ist dabei das Einritzen der Platte mit einer Spitze und das Herausschneiden von kleinern oder größern Teilen (Spänen) vermittelst schneidender Instrumente (Grabstichel), während das Eindrücken oder Einschlagen von Vertiefungen mittels Bunzen, die Anwendung von Meißeln statt der Grabstichel sowie die Benutzung der Feile zwar nur als Nebenmittel dienen, indessen ebenfalls von Wichtigkeit sind. Die Gravierkunst im ausgedehnten Sinn umfaßt viele Zweige, wie das Steinschneiden, die Stempelschneidekunst, das Schriftschneiden, das Siegelstechen, das Formschneiden oder Formstechen, die Holzschneidekunst, die Kupferstecherkunst, die Radierung, den Notenstich, den Steinstich. G. nennt man auch das Einschleifen von Ornamenten in Glasgefäße und -Geräte. Das G. ist meist reine Handarbeit, doch werden oft auch Maschinen (Graviermaschinen) angewendet, um Linien in Metall zu reißen, insbesondere Parallellinien, deren richtige und gleiche Entfernung und Stärke aus freier Hand mittels des Grabstichels oder der Radiernadel nicht zu erreichen wäre. Hierher gehören auch die Teilmaschinen, womit Einteilungen von Kreisen und geraden Linien auf Metall gezeichnet werden, sowie die Guillochiermaschinen. Ferner sind hierher zu zählen die Liniier- oder Schraffiermaschinen, womit durch Einreißen der Linien teils in das blanke Kupfer, teils in den auf der Platte befindlichen Ätzgrund in Kupferstichen die verschiedenartigsten Schraffierungen erzeugt werden.

Gravigrăda (neulat., "schwerfällig Einherschreitende", Riesenfaultiere), Familie der zahnarmen Säugetiere, s. Zahnlücker.

Gravimēter (lat.-griech., "Schweremesser"), s. v. w. Aräometer.

Gravīna in Puglia, Stadt in der ital. Provinz Bari, Kreis Altamura, in einem tiefen Thal am südlichen Fuß des Monte Franco schön gelegen, hat eine Kathedrale (aus dem 15. Jahrh.), (1881) 15,612 Einw., ein Gymnasium und eine technische Schule und ist Bischofsitz. Auf einem Hügel über der Stadt liegt das berühmte Schloß Kaiser Friedrichs II., mit weiter Aussicht. Der Graben (gravina), der nördlich in den dichten Kalkstein der Murgiehügel eingetieft ist und nach S. in den darüberliegenden Tuff übergeht, gab der Stadt ihren Namen; man sieht eine Menge alter verlassener Wohnungen und eine Kirche in diesem Tuff.

Gravīna, Domenico Benedetto, ital. Kunstschriftsteller, geb. 28. Sept. 1807 zu Palermo, trat 1818 in das Benediktinerkloster zu Monreale, wurde dort Lehrer der Philosophie und Physik und wirkte seit 1839 in gleicher Eigenschaft mehrere Jahre lang in Monte Cassino. Nachdem er mehreren Klöstern als Abt vorgestanden, kam er zuletzt nach Monreale, wo er die gleiche Würde innehat. Unter seinen kunstwissenschaftlichen Publikationen sind bemerkenswert: "Alcune ore sulle antichità di Sicilia" (Neap. 1839); "Su l'origine e ristauri della chiesa di Santa Maria del Monte presso Cesena" (Monte Cassino 1847); "Illustrazione del duomo di Monreale" (Palermo 1859); "Il duomo di Monreale illustrato e riportato in tavole cromolitografiche" (das. 1859-67).

Gravis (lat.), schwer, gewichtig; von Tönen s. v. w. tief (vgl. Graves). S. auch Accent.

Gravísca, etrusk. Stadt im Gebiet von Tarquinii, seit 181 v. Chr. römische Kolonie, bekannt durch ihren vortrefflichen Wein wie durch ihre ungesunde Luft. Wahrscheinlichste Lage beim heutigen