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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Großbritannien

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Großbritannien (Schiffahrt, Eisenbahnen, Kanäle, Post etc.).

Schiffahrt.

Die wichtigsten Seehandelsplätze, nach ihrem Schiffsverkehr mit dem Ausland geordnet, sind: London, Liverpool, Cardiff, Newcastle, Hull, Glasgow und Newport. In Liverpool und London allein werden 71 Proz. aller Zölle erhoben.

Die britische Handelsflotte nimmt den vornehmsten Rang unter den Handelsflotten aller Länder ein. Ihr Wachstum seit dem Jahr 1800 erhellt aus folgender Zusammenstellung:

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Jahr Segelschiffe Tonnen Dampfschiffe Tonnen

1800 15724 1698515 - -

1850 24797 3396659 1187 168474

1870 23189 4577855 3178 1112034

1880 19938 3851045 5247 2723468

1885 17018 3456562 6644 3973483

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Dazu kommen nun noch für die britischen Kolonien (mit Indien) 14,673 Schiffe von 1,893,570 Ton. Gehalt, so daß die britische Flagge auf den Weltmeeren durch 38,335 Schiffe von 9,323,615 T. vertreten ist. Sie behauptet im Küstenhandel wie im ausländischen Verkehr den ersten Rang, obgleich ihr den ausländischen Schiffen gegenüber durch Differentialzölle keine Vorteile eingeräumt sind. Im J. 1885 war der Tonnengehalt der im ausländischen Verkehr eingelaufenen Schiffe 31,862,420 (davon 22,980,464 britisch), derjenige der ausgelaufenen Schiffe 32,419,222 (davon 23,408,591 britisch). Im Küstenhandel liefen Schiffe mit einem Gehalt von 44,560,900 T. ein und von 37,902,292 T. aus, davon im Verkehr zwischen G. und Irland bez. 11,813,770 und 11,344,485 T. Die Küsten Großbritanniens werden durch 360 Leuchttürme und 50 Leuchtschiffe erleuchtet, und 290 von einer Privatgesellschaft unterhaltene Rettungsboote sind an ihnen stationiert. Trotzdem ist die Zahl der Unglücksfälle ziemlich bedeutend, denn 1883-84 sanken an den britischen Küsten 473 Schiffe, und 3174 wurden mehr oder weniger beschädigt; 581 Menschenleben gingen dabei zu Grunde, 3293 Schiffbrüchige wurden gerettet. Von der gesamten Handelsflotte des Vereinigten Königreichs gingen in vier Jahren (1880-83) 3316 Schiffe von 1,081,094 T. Gehalt verloren, und 9344 Matrosen und 489 Fahrgäste kamen ums Leben.

Verkehrswesen, Geldinstitute etc.

Den Binnenhandel befördern Landstraßen, Kanäle und Eisenbahnen in ergiebigster Weise. England kennt zwar die Eisenbahnen schon seit 1760 in Verbindung mit Bergwerken, und seit 1801 sind auch Eisenbahnen für die Beförderung von Reisenden in verschiedenen Teilen des Landes gebaut worden; aber die erste Eisenbahn im modernen Sinn, auf welcher die Wagen durch eine Dampflokomotive gezogen wurden, war die von Stockton nach Darlington. Sie wurde 27. Sept. 1825 eröffnet. Sämtliche Eisenbahnen des Vereinigten Königreichs sind auf Kosten von Privatunternehmern gebaut worden, die anfangs nicht wenig mit dem Vorurteilen des Publikums und der Habgier der Landbesitzer, die hohe Entschädigung für Grund und Boden beanspruchten, zu kämpfen hatten. Die Interessen des Publikums sind insofern gewahrt, als jede Gesellschaft täglich einen Zug in jeder Richtung zu 1 Penny pro engl. Meile (5,4 Pf. pro Kilometer) laufen lassen muß (wogegen Billets zu diesem Fahrpreis keine Billetsteuer zahlen). Auch suchte die jüngste Gesetzgebung zu verhindern, daß gewisse Gegenden oder Artikel durch die Frachtsätze der Eisenbahngesellschaften ungebührlich bevorzugt werden. Namentlich hatten englische Fabrikanten sich beklagt, weil ausländische Produkte (und namentlich Eisen) geringere Frachtsätze zahlten als einheimische Produkte. Im J. 1862 waren 17,493 km Eisenbahnen im Betrieb, 1885 aber 30,842 km. Bau und Ausrüstung dieser Bahnen hatten bis Ende 1885: 816 Mill. Pfd. Sterl. gekostet; die Betriebskosten beliefen sich 1885 auf 36,787,200 Pfd. Sterl., die Gesamteinnahmen auf 69,466,495 Pfd. Sterl., so daß sich das Kapital mit 4,02 Proz. verzinste. Ausgerüstet waren die Bahnen mit 15,196 Lokomotiven, 33,558 Personenwagen und 464,153 Güterwagen. Befördert wurden 1885: 697,213,000 Reisende (ohne die Inhaber von Saisonbillets), 184 Mill. Ton. Mineralien und 73½ Mill. T. Güter, und die Züge legten 443 Mill. km zurück; die Zahl der Beamten war 370,000. Der schnellste Zug legt 86 km in der Stunde zurück und fährt 169 km weit, ohne anzuhalten. Die Zahl der Unglücksfälle ist etwas größer als in Deutschland, hat aber neuerdings abgenommen. Getötet wurden 1884: 1134 Personen (135 Passagiere, 546 Beamte, 453 Nichtfahrende), verwundet 4100 (1491 Passagiere, 2319 Beamte, 290 Nichtfahrende), und an Entschädigungen wurden 183,657 Pfd. Sterl. gezahlt. Straßenbahnen (Tramways) bestanden 1885 in einer Länge von 1305 km. Ihre Anlage hatte 12 Mill. Pfd. Sterl. gekostet, und sie waren mit 3168 Wagen ausgerüstet, die von 23,308 Pferden und 327 Lokomotiven bedient wurden; 365 Mill. Passagiere wurden befördert. Vgl. Cohn, Untersuchungen über englische Eisenbahnpolitik (Leipz. 1875).

Die Kanäle, sämtlich seit 1755 gebaut, haben eine Länge von 4712 km. Auf ihre Nützlichkeit ist in jüngster Zeit die öffentliche Aufmerksamkeit durch den Versuch der Eisenbahngesellschaften, den Verkehr auf den Kanälen zu monopolisieren, gelenkt worden. Auch baut man einen Schiffahrtskanal von Liverpool nach Manchester, der letztere Stadt zum Seehafen machen wird. Post- und Telegraphenwesen sind Monopol der Regierung und stehen wie in Deutschland unter Leitung derselben Behörde. Im J. 1886 gab es 16,810 Postämter, und der Postdienst beschädigte 48,000 Beamte. Befördert wurden 1884-85: 1404 Mill. Briefe, 171 Mill. Postkarten, 320 Mill. Bücherpakete, 144 Mill. Zeitungen und 23 Mill. Pakete. Ausgestellt wurden 12,864,736 Geldanweisungen im Betrag von 26,230,676 Pfd. Sterl., und außerdem wurden Postal orders (Cheques) im Wert von 7,885,347 Pfd. Sterl. verkauft. Die elektrischen Telegraphen hat der Staat 1870 erworben; sie hatten im Januar 1886 eine Länge von 45,865 km. Im J. 1885 wurden von 6035 Telegraphenämtern 33,278,459 Depeschen befördert. Auch das Telephon ist Regierungsmonopol, doch ist dessen Ausnutzung in London Privatgesellschaften überlassen, und 1885 hatte das Postamt Fernsprechbüreaus (telephone-exchanges) nur in 27 Provinzialstädten. Die gesamten Einnahmen des Post- und Telegraphenamtes beliefen sich 1885-86 auf 9,720,000 Pfd. Sterl., die Ausgaben auf 7,448,256 Pfd. Sterl., so daß ein Überschuß von 2,371,744 Pfd. Sterl. erzielt wurde. Von den Ausgaben entfallen 753,781 Pfd. Sterl. auf Postdampfschiffe.

Zu den wesentlichern Erleichterungsmitteln des Handels von G. gehören die Banken, an deren Spitze für den Umfang des britischen Reichs die "Bank von England" steht, die ihre Geschäfte über die ganze zivilisierte Erde ausdehnt (s. Banken, S. 335). Das Bankwesen wurde 1845 u. 1846 geregelt. Eine Anzahl von Privat- und Aktienbanken wurde ermächtigt, Bank-^[folgende Seite]