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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Halberstadt

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Halberstadt (Bistum und Stadt).

sen gehörigen Herrschaften Lora und Klettenberg, die vier Kreise Aschersleben, Oschersleben, H. und Osterwieck des preußischen Regierungsbezirks Magdeburg.

Das Bistum H. soll schon von Karl d. Gr. zunächst in Seligenstadt (Osterwieck) gestiftet sein. Hildegrim I., früher Bischof von Châlons, der 809 jenes Bistum erhielt, verlegte 820 den Sitz nach Halberstadt. Von 840 bis 853 war der gelehrte Schüler Alkuins, Haimo, Bischof. Von Hildegrim II. (853-888) ward der Dom St. Stephan eingeweiht. Unter Siegmund I. (894-923) erlangte der bischöfliche Sprengel, der unter dem Erzbistum Mainz stand, schon eine bedeutende Ausdehnung. Unter seinem Nachfolger Bernhard (924-968) wurden 936 die Eisenwerke von Groningen und die Harzbergwerke entdeckt und in Betrieb gesetzt. Der Sprengel des Bistums begriff damals in sich die Gaue Nordthüringau, Hartingau, Darlingau, Hassigau und Schwabgau; doch mußte Bischof Hildeward 968 hiervon mehreres zur Stiftung des Bistums Merseburg und des Erzbistums Magdeburg abtreten. Er baute den unter seinem Vorgänger 965 eingestürzten Stephansdom wieder auf, in welchem er 983 eine vom Bischof von Metz geschenkte kostbare Reliquie (Blut vom heil. Stephanus) feierlichst deponierte, und erwarb 996 vom Kaiser das Markt, Zoll und Bannrecht. Sein Nachfolger Arnulf (996-1023) erhielt vom Kaiser Heinrich II. die Gerichtsbarkeit über Halberstadt und Seligenstadt und das Recht des Heerbannes in seinem Sprengel. Unter ihm wurde Halberstadt 998 zur Stadt erhoben und die Liebfrauenkirche erbaut. Burkhard I. (Bukko, 1036-1059) erbaute eine bischöfliche Residenz (den Petershof), 24 Stiftshöfe oder Kurien für die Kapitularen und auf dem Huy, einer Anhöhe, eine Kapelle, woraus später die Huyseburg entstand. Sein Nachfolger Burkhard II. (1059-1088) baute den 1060 samt der Hälfte der Stadt H. abgebrannten Dom wieder auf und erwarb 1063 für sein Stift die Immunität. Ein unermüdlicher Gegner Heinrichs IV., wurde er 1075 von diesem kurze Zeit gefangen gehalten, 1088 aber von den Sachsen in Goslar erschlagen. Bischof Ulrich (seit 1149) rief durch seine feindliche Gesinnung gegen den Kaiser Friedrich I. mannigfache Unruhen in H. hervor, weshalb er 1160 abgesetzt ward. Nach dem Frieden von Venedig (1177) durch Alexander II. in seine Würde restituiert, geriet er mit Heinrich dem Löwen, welchem Bischof Gero inzwischen einen Teil des bischöflichen Kirchenbesitztums geschenkt hatte, in heftigen Streit und reizte denselben so, daß Heinrich 1179 H. eroberte und plünderte und Ulrich gefangen wegführte. Letzterer starb 1181. Um 1200 brannte der Dom wiederum ab, und wenn auch Bischof Friedrich II. (1209-36) den Bau des neuen begann, so verzögerte sich die Vollendung jenes gewaltigen Bauwerkes doch bis 1491. Unter dem Bischof Johann von Hoyne brach 1420 eine Empörung des Volkes aus, die erst 1425 mit Hilfe Braunschweigs und Magdeburgs unterdrückt wurde. Obgleich die Reformation in H. schon 1542 Eingang fand, so herrschten hier doch noch bis 1566 katholische Bischöfe. Um diese Zeit wählte das Kapitel den zweijährigen Herzog Heinrich Julius von Braunschweig zum Bischof, um während der Administration die bedeutenden Schulden des Stifts tilgen zu können. Im J. 1578 zur Regierung gelangt und 1589 auch als Herzog von Braunschweig eingesetzt, schaffte Heinrich Julius 1591 in H. die katholischen Gebräuche ab. Er starb 1613. Nach der Regierung seiner Söhne Heinrich Karl, Rudolf und Christian, des bekannten Parteigängers im Dreißigjährigen Krieg, folgte als letzter Bischof von H. Leopold Wilhelm von Österreich, unter welchem 1641 die Grafschaft Regenstein zum Hochstift kam, was indes einen langen Prozeß mit Braunschweig zur Folge hatte. Durch den Westfälischen Frieden kam das Hochstift 1648 als Fürstentum (s. oben) an Brandenburg, welches jedoch erst nach dem Tod Leopold Wilhelms 1662 von demselben Besitz nahm. Vgl. Lucanus, Historische Bibliothek des Fürstentums H. (Halberst. 1778-84, 2 Bde.); Derselbe, Beitrag zur Geschichte des Fürstentums H. (das. 1784-88, 2 Bde.); Frantz, Geschichte des Bistums, nachmaligen Fürstentums H. (das. 1853); "Urkundenbuch des Hochstifts H. und seiner Bischöfe" (hrsg. von G. Schmidt, Leipz. 1883 ff.); Langenbeck, Geschichte der Reformation des Stifts H. (Götting. 1886).

Halberstadt, ehedem Hauptstadt des Fürstentums (s. oben), jetzt Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk Magdeburg, 123 m ü. M., liegt in fruchtbarer Gegend an der Holzemme und ist Knotenpunkt der Linien Halle-Zellerfeld und Magdeburg-H. der Preußischen Staatsbahn und der Eisenbahn H.-Blankenburg. Die Bauart der Stadt ist wie die andrer Harzstädte altertümlich, der sogen. Holz- oder Überbau, der darin besteht, daß auf hervorragenden Balken jedesmal das höhere Stockwerk über das untere heraustritt, im allgemeinen vorherrschend. Viele Hauser sind durch altes Holzschnitzwerk künstlerisch interessant (namentlich der Schuhhof, der Ratskeller, die Ratswage etc.). Das sehenswerteste Gebäude ist der Dom, an der Ostseite des länglich viereckigen Domplatzes. Er hat die Form eines lateinischen Kreuzes, ist 135 m lang, 23 m breit, 30 m hoch u. enthält außen 24 zum Teil sehr reich gestaltete Strebepfeiler. Das Innere mit den schlank aufragenden Säulen und den schmalen, hohen Seitenschiffen macht in seinem durch treffliche Glasmalereien gedämpft einfallenden Licht einen majestätischen Eindruck. Das Chor, durch einen prachtvollen, in den üppigen Formen spätester Gotik ausgeführten Lettner vom Schiff getrennt, bildet einen Dom im Dom. Der trefflich geordnete Domschatz, größtenteils im ehemaligen Kapitelsaal untergebracht, enthält eine seltene Fülle von Reliquien und Kunstgegenständen. Von 1850 bis 1871 ist das Gebäude vollständig restauriert worden. Nichtsdestoweniger mußte der nördliche der beiden schlanken Türme, um dem Einsturz vorzubeugen, 1883-84 abgetragen werden. Nahe dem Haupteingang liegt der sogen. Teufels-, Leggen- oder Lügenstein, eins der Wahrzeichen Halberstadts, wahrscheinlich ein heidnischer Opferaltar. Das Westende des Domplatzes nimmt die in ihrem Hauptbau 1146 geweihte viertürmige Liebfrauenkirche ein, eine Pfeilerbasilika mit merkwürdigen alten Relieffiguren und Wandmalereien, 1848 restauriert. Die Mitte des Domplatzes ziert ein 1874 errichtetes Kriegerdenkmal. Unter den übrigen Kirchen (im ganzen 8, 6 evangelische und 2 katholische), verdient noch Erwähnung die Martinikirche im Spitzbogenstil, mit guten Glasmalereien und zwei ungleichen Türmen; unter den sonstigen Gebäuden sind bemerkenswert: das altertümliche Rathaus (1360-81 erbaut), vor dem eine riesige Rolandssäule steht, der Ratskeller (von 1461), der Petershof (ehemals Residenz der Bischöfe), das Gymnasialgebäude (von 1875) etc. Die Zahl der

^[Abb.: Wappen von Halberstadt.]