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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Handfeuerwaffen

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Handfeuerwaffen (Magazin- oder Repetiergewehre).

Gendarmerie ein Repetiergewehr nach der Konstruktion des Wiener Gewehrfabrikanten Fruhwirth eingeführt worden (Tafel II, Fig. 25 u. 26). Der Kolbenverschluß dieses Gewehrs hat viel Ähnlichkeit mit dem des Chassepot-Gewehrs. Es wird mit acht Patronen geladen, von denen sechs im Magazin, eine auf dem Zubringer und eine im Lauf liegen, und erfordert zwei Griffe.

Auf Grund der Kriegserfahrungen gewann nach und nach die Ansicht an Geltung, daß das Repetiergewehr seiner Feuergeschwindigkeit wegen das Gewehr der Zukunft sei. Ihm wandten sich daher die Erfinder zu, und zahllose Systeme wurden bekannt, die meist vorhandene Einlader zur Grundlage hatten, so das französische Marinegewehr Gras-Kropatschek; ebenso ist das deutsche Gewehr M/71 durch Mauser, Bornmüller, Simson u. Luck u. a. umgewandelt worden. Die Nachteile des Vorderschaftmagazins (zeitraubende Einzelfüllung des Magazins, ungünstige Verschiebung des Schwerpunktes des Gewehrs nach vorn, Gefahr einer Explosion, bedingt durch die Berührung des Zündhütchens durch die Geschoßspitze der hinterliegenden Patrone, etc.) führten zum Kolbenmagazin zurück. Da die Länge des Kolbens aber nur ein kurzes Röhrenmagazin für wenige Patronen zuließ, so suchte man deren Zahl durch eine andre Form des Magazins zu erhöhen. Werndl und Mannlicher vereinigten drei und vier Rohre zu einem um eine gemeinschaftliche Achse drehbaren Bündel, welches 20 Patronen aufnimmt, die durch Spiralfedern dem Verschluß zugeführt werden. Die Spiralfedern bezeichnet Evans mit Recht als einen Nachteil. Er lagerte in einem Magazinrohr im Kolben eine Welle von kreuzförmigem Querschnitt, deren Winkel als Magazinröhren dienten. Um das Bündel ist ein Stahlband spiralförmig gewunden, welches eine eigentümliche Einrichtung hat, so daß bei jeder Vierteldrehung der Welle eine Patrone in den Verschluß (Fallblock) befördert wird. Das Magazin faßt 27 Patronen. Für den Feldgebrauch sind diese Gewehre durch ihre Magazinfüllung viel zu schwer. Eine andre Konstruktion Mannlichers zeigt Tafel III, Fig. 27, 28, und in der Folge ist eine ganze Anzahl Gewehre mit mehreren Magazinröhren bekannt geworden, so von Kullen, Elliot etc. Unter den Gewehren mit einfachem Magazinrohr im Kolben haben die von Hotchkiß, Chaffee-Reece (in Nordamerika angenommenen) Anerkennung gefunden. Die zeitraubende und darum sehr nachteilige Einzelfüllung dieser wie der Vorderschaftmagazine führte zu neuen Systemen. Man höhlte den Kolben zur Aufnahme eines Patronenreservoirs aus und leitete aus ihm die Patronen durch ein Rohr zum Verschluß. Hierbei war die Spiralfeder zum Vorschieben der Patronen nicht verwendbar, man brachte statt ihrer die Zugstangen in Anwendung, die durch den Verschlußmechanismus selbstthätig vor- und zurückgeschoben werden und hierbei mit ihren Ansätzen, die hinter den Böden der Patronen liegen, diese vorwärts und die vorderste auf den Zubringer ziehen (Tafel III, Fig. 29, 30). Das Füllen erfolgt durch Einschütten der Patronen durch die Klappe (Fig. 30). Ähnlich sind die Systeme von Schulhof und dem spanischen Hauptmann Mata. Ein andres System Schulhofs hat ein sehr großes Kolbenmagazin für 15 Patronen, welches mit einemmal aus einem Karton gefüllt werden kann. Spitalski übertrug das System der Revolver auf das Gewehr (Tafel III, Fig. 31, 32).

Die mancherlei Unbequemlichkeiten, die den Gewehren mit festem Magazin anhaften, führten zum Gelegenheitsrepetierer, zum anhängbaren Magazin, dessen man sich sogleich im Augenblick des Bedarfs bedienen kann, während sonst das Gewehr als Einlader konstruiert ist und gebraucht wird. Diese anhängbaren Magazine sind entweder Schnelllader (chargeurs rapides), d. h. Patronenbehälter, die neben der Ladeöffnung am Gewehr befestigt werden, ohne daß dieses hierzu einer besondern Einrichtung bedarf, und die dem Schützen die Patronen zum schnellen Laden nur bequem zur Hand halten sollen, oder die Magazine haben selbstthätige Patronenzuführung und setzen gewisse Einrichtungen hierfür am Gewehr voraus. Zu den erstern gehören der 1878 in Rußland eingeführte Schnelllader von Krnka (Tafel III, Fig. 33) und ähnliche andre anhängbare Schachteln oder Kartons. Anhängbare Magazine mit selbstthätiger Patronenzuführung wurden 1879 von Löwe in Berlin, U-förmig den Gewehrschaft umgebend, sowie von Vitali u. Schurda und dem Amerikaner Lee bekannt. Letzteres (Tafel III, Fig. 34, 35) ist eine Stahlblechkapsel mit fünf Patronen, welche in kurzem Griff in das Gewehr eingesteckt und ebenso leicht aus demselben entfernt werden kann. Die Öffnung im Gewehrschaft ist durch einen Schieber verschließbar, wenn man mit Einzelladung schießen will. Ein andres System ist vom Obersten Forsbery (Tafel III, Fig. 36), und noch andre sind von Jarmann, Mannlicher, Schurda, Winkler, Matkow-Patkin, Erzherzog Johann, Leutnant Krnka u. a. angegeben worden. Die an die Magazine gestellte Bedingung der leichten, griffartigen Anbringung schließt meist auch den Nachteil ein, daß sich das Magazin ebenso leicht und oft zur unrechten Zeit vom Gewehr ablöst. Man hat sich deshalb wieder mehr den festen Magazinen zugewendet und bemüht, auf sie den Hauptvorteil der anhängbaren Magazine, Vermeidung der Einzelfüllung, zu übertragen. Dies ist bei den Kolbenmagazinen nicht ohne Erfolg geblieben.

Inzwischen hat sich mehr und mehr die Überzeugung Bahn gebrochen, daß das Kaliber unsrer Kriegsgewehre zu groß ist. Professor Hebler und Major Rubin in der Schweiz haben durch verdienstvolle Versuche bewiesen, daß man bis auf 7,5 mm heruntergehen kann. Durch Verlängerung der Geschosse auf 3,8 Kaliber haben sie eine außerordentlich rasante Flugbahn und durch Umhüllung der Geschosse mit einem angelöteten Kupfer- oder Stahlmantel (nach Vorschlägen des preußischen Artillerieoberstleutnants Bode von Lorenz in Karlsruhe angefertigt) eine ebenso ausgezeichnete Durchschlagskraft derselben und eine Anfangsgeschwindigkeit bis zu 660 m erzielt. Solche Umhüllung ist notwendig, um dem übermäßigen Stauchen so langer und dünner Geschosse zu begegnen. Norwegen hat seinem 1882 angenommenen Magazingewehr von Jarmann ein Kaliber von 10,15 mm gegeben. Das gleiche Kaliber hat das in Serbien 1880 eingeführte System Mauser-Milowanowic; diese Gewehre verfeuern Hartbleigeschosse.

Von der Annahme des kleinen Kalibers wäre die Progressivpatrone (Thiel), die am Boden ein langsam und vorn ein schnell verbrennendes Pulver, also etwa Schießpulver und Schießbaumwolle, enthält, oder eine Patrone mit gepreßter und mit einem Längskanal versehener Füllung (Rubin) unzertrennlich gewesen. Major Thiel machte ferner den Vorschlag, dessen Ausführung Maxim in London mehrfach versuchte, den Rückstoß zum selbstthätigen Öffnen, Laden und Schließen des Gewehrs zu verwerten. Durch solche und in Rücksicht auf die Entwertung der vorhandenen großen Munitionsbestände mit außerordent-^[folgende Seite]