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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hannover

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Hannover (Bodengestaltung, Gewässer, Klima, Bevölkerung, Landwirtschaft etc.).

Das Hügelland (Sandgeest) nimmt einen Raum von 21,500 qkm (391 QM.) ein und besteht größtenteils aus sandigen, wenig fruchtbaren Flächen. Bekannt ist die Lüneburger Heide (s. d.), im Hohen Mechtin 188 m hoch, die sich zwischen der Aller und Elbe ausbreitet, an der Aller ausgedehnte Sumpfstriche enthält, auf der Höhe weithin nur Heidekraut trägt und nur in den Einsenkungen der Flüsse und Bäche und in dem östlichen Hang zur Elbe (wo der schöne Wald "die Göhrde") bessern Boden zeigt. Der Kultur der Heide widersteht ein unterhalb der Oberfläche liegender, vorzugsweise aus Quarzsand bestehender fester Stein, Ortstein genannt. Von ähnlicher Beschaffenheit ist der Hümmling (s. d.) im Kreis Meppen, auf der rechten Seite der Ems.

[Gewässer, Klima.] Die drei Hauptflüsse (Elbe, Weser, Ems) erweitern sich an der Mündung zu Meerbusen, unter denen der Dollart (s. d.) an der Ems der bemerkenswerteste ist. Die Elbe bildet im NO. größtenteils die Grenze und nimmt als schiffbare Nebenflüsse die Jeetze, Ilmenau, Seve, Este, Lühe, Schwinge, Oste und Medem auf. Die Weser durchströmt H. etwa in der Mitte in einer Länge von 220 km. Ihr wichtigster Nebenfluß ist die von Celle ab schiffbare Aller, der wiederum die Oker, Fuhse und Leine zufließen. Weiterhin empfängt die Weser rechts die Lesum und Geeste, links die Hunte. Die Ems, im westlichen Teil, durchströmt die Provinz auf mehr als 150 km Länge, ist in dieser ganzen Ausdehnung schiffbar und verstärkt sich (rechts) durch die Aa, Hase und Leda. Noch weiter westlich fließt die Vechte. An Seen ist H. nicht reich. Zu erwähnen sind: das Steinhuder Meer (41 m tief) auf der Grenze gegen Schaumburg-Lippe, der Dümmersee auf der Grenze gegen Oldenburg, der See von Bederkesa und einige andre in den nördlichen Mooren, der Seeburger See unweit Duderstadt und der 724 m hoch liegende Oderteich auf dem Harz. Die Kanäle, sowohl zur Entwässerung der Moore als zur Schiffahrt dienend, sind zahlreich; hervorzuheben sind: der Bremische Kanal zwischen Oste und Hamme, der Kanal von Bremervörde zwischen Oste und Schwinge, der Hadelnsche Kanal, der aus dem See von Bederkesa nach S. zur Geeste (Ringsteder Kanal) und nach N. zur Medem geht, der Emskanal auf der rechten Seite der Ems bei Lingen und Meppen, der Ems-Vechtekanal zwischen Ems und Vechte, der Nord-Südkanal durch das Bourtanger Moor, der Treckschuitenkanal zwischen Aurich und Emden und andre in Ostfriesland etc.

Das Klima ist nach der Lage der Gegenden verschieden: auf dem Harz rauh und großen Schwankungen unterworfen, in der Ebene ziemlich mild, an der Küste, in den Marschen und Mooren feucht. Die durchschnittliche Jahrestemperatur beträgt nur in der Stadt Hannover über 9° C., sonst etwas darunter, zu Otterndorf und Wilhelmshaven 8,12° C., zu Göttingen 8,20°, zu Emden, Norderney, Lingen und Lüneburg 8,35-8,75°, zu Klausthal auf dem Oberharz in der Höhe von 568 m nur 6° C. Die Regenmenge beträgt in den ebenen innern Landschaften und zwischen den niedern Bergzügen 50-60 cm, an der Küste 70-75 cm, zu Klausthal auf dem Oberharz aber beinahe 150 cm. Die vorherrschenden Winde sind die nordwestlichen, welche besonders im Herbst in heftige Stürme übergehen. Der sogen. Herauch, eine Folge des Ausbrennens der Moore, gereicht den westlichen Teilen nicht selten zur Plage.

[Bevölkerung.] Die Zahl der Einwohner belief sich 1885 auf 2,172,294 Seelen und ist seit 1880 nur um 2,46 Proz. gewachsen. Unter 2,120,168 Einw. im J. 1880 befanden sich 1,842,045 Evangelische, 258,824 Katholiken und 14,790 Juden. Die deutsche Sprache, freilich in vielen Dialekten, wird nur allein gesprochen; im W., namentlich in Ostfriesland, zeigen sich bereits niederländische Klänge; im O., bei Wustrow, findet man noch Spuren aus der Wendenzeit. Die Evangelischen (meist Lutheraner, Reformierte im W.) sind im allgemeinen vorherrschend; die Katholiken sind in den ehemaligen reichsunmittelbaren Bistümern Hildesheim und Osnabrück am zahlreichsten und auf dem Eichsfeld, in Arenberg-Meppen (ehemals zum Bistum Münster gehörig) und in der Niedergrafschaft Lingen fast allein herrschend. An Lehranstalten sind (1886) vorhanden: eine Universität (Göttingen), 23 Gymnasien, 7 Progymnasien, 12 Realgymnasien, 12 Realprogymnasien, 3 höhere Bürgerschulen, 11 Schullehrerseminare, eine technische Hochschule, eine Forstakademie (Münden), eine Bergakademie (Klausthal), eine Kriegsschule (Hannover), mehrere Navigations-, Gewerbeschulen, 4 Taubstummen-, ein Blindeninstitut etc.

[Landwirtschaft, Bodenprodukte.] Die Hauptbeschäftigungen der Einwohner sind: Landwirtschaft in der ganzen Provinz, Viehzucht ganz besonders in den Marschen, Bergbau im südlichen Bergland, Schiffahrt in den Küsten- und Hafenstädten. Von der Gesamtfläche kommen 12,504,68 qkm auf Acker- und Gartenland, 3989,56 qkm auf Wiesen, 13,470,90 qkm auf Weiden, 6050,27 qkm auf Holzungen, 147,55 qkm auf Öd- und Unland. Für den Acker- und Gartenbau kommen in erster Linie die Marschen, in zweiter das südliche Bergland in Betracht. Hier findet man alle norddeutschen Getreidearten, auch Weizen, unter den Handelsgewächsen Raps und im S. auch Zuckerrüben, ferner allerlei Gemüse und Obstarten (Kirschen im Alten Land). Flachs wird überall auf großen Flächen gebaut, jedoch im Bremischen mehr Hanf; Buchweizen ist die Hauptfrucht in den Heidegegenden; der Kartoffelbau findet am wenigsten in den Marschen statt. Allgemein verbreitet ist der Kleebau, und auch die Lupine hat in neuester Zeit auf wenig fruchtbaren Ländereien Verbreitung gefunden. Die Preißelbeeren des Harzes und die Heidelbeeren der Lüneburger Heide bilden wichtige Handelsartikel. Zu den Weiden werden die großen Heideflächen der Lüneburger Heide und des Hümmling gerechnet. Die Waldungen sind am bedeutendsten in dem südlichen Bergland, wo die Buche auf den niedrigen Berglandschaften und die Fichte auf dem Oberharz vorherrschen. Weite Landschaften des Tieflandes, so die Marschen, Moore und große Gebiete des sandigen Hügellandes, sind dagegen ohne jeglichen Waldwuchs. Nach der Zählung von 1883 gab es in H. 198,075 Pferde, 79 Maultiere, 218 Esel, 863,050 Stück Rindvieh, 1,495,698 Schafe, 760,930 Schweine, 195,427 Ziegen und 172,154 Bienenstöcke. Die Pferdezucht, vorzugsweise blühend in den Regierungsbezirken Aurich und Stade (in den Marschen), Hildesheim und Hannover, wird durch das Landgestüt zu Celle unterstützt. Für die Rindviehzucht ist der Regierungsbezirk Aurich (Ostfriesland) von großer Wichtigkeit, nicht allein durch die Zahl, sondern auch durch die vortreffliche Beschaffenheit der Tiere. Die Schafzucht ist am blühendsten in der Landschaft zwischen der Hauptstadt und dem Harz, woselbst auch die meisten feinen Schafe vorkommen; auf der Heide werden die schwarzen Heidschnucken gezogen. Federvieh gibt es überall, während in den Marschen die Gänsezucht besonders stark ist. Jagdbares Wild (auch Hirsche) findet sich vorzüglich in der Göhrde und auf dem