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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Heilbrunn; Heilbuth; Heilbutt; Heil dir im Siegerkranz; Heildistel; Heilgehilfe; Heilgymnastik

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Heilbrunn - Heilgymnastik.

haus, ein Zellengefängnis und ist Sitz eines Generalsuperintendenten, eines Landgerichts (für die 9 Amtsgerichte zu Backnang, Besigheim, Brackenheim, H., Marbach, Maulbronn, Neckarsulm, Vaihingen und Weinsberg), einer Eisenbahnbetriebsinspektion und eines Hauptsteueramtes. Der städtische Gemeinderat und der Bürgerausschuß bestehen je aus 18 Mitgliedern. Die Umgebung der Stadt gleicht einem großen Garten von Obst- und Zierbäumen, unter denen bei dem überaus milden Klima des Heilbronner Thalkessels und dem fruchtbaren Boden sogar exotische Bäume, wie Paulownia imperialis, Bignonien (bis 20 m Höhe), mehrere Arten von Magnolien, Rhododendren, Azalien, Tulpenbäume etc. gedeihen und blühen. Den schönsten Blick auf Stadt und Umgegend gewährt der Wartberg (worauf der Wartturm), der zur Zeit der Weinlese ("des Herbstes") Mittelpunkt des heitersten Treibens ist. In der Nähe sind wichtige Gipsgruben und großartige Sandsteinbrüche.

H., unter den Karolingern eine königliche Pfalz, wird 741 zuerst erwähnt und war 1073 bereits ein ansehnlicher Ort, welcher von Kaiser Heinrich IV. Stadtrechte erhielt. Dann wurde H. dem Bischof von Würzburg übertragen, welcher es 1225 den Hohenstaufen überließ. Rudolf von Habsburg verlieh der Stadt ausgedehnte Freiheiten, doch wurde dieselbe erst 1360 nach Erwerbung des Schultheißenamtes Reichsstadt. Ihr Gebiet betrug damals mehr als 55 qkm (1 QM.). H. trat 1331 dem Schwäbischen Städtebund und später dem Schwäbischen Bund bei, der 1519 hier Götz von Berlichingen gefangen hielt. Die Reformation fand 1525 allgemeinen Eingang in H. Im Bauernkrieg fiel die Stadt infolge innerer Zwistigkeiten in die Hände der Bauern, die daselbst im Mai 1525 einen Konvent abhielten, auf dem eine Reform des Reichs beraten wurde. Später trat sie zum Schmalkaldischen Bund und mußte für ihre Teilnahme am Schmalkaldischen Krieg dem Kaiser 1547 hohe Geldbuße zahlen. Im März 1594 fand hier ein Fürstentag der Protestanten behufs einer Beratung gegenüber den katholischen Ständen, auch 1633 ein Konvent zwischen Oxenstierna, den Ständen des schwäbischen, fränkischen, ober- und niederrheinischen Kreises und den französischen, englischen und holländischen Botschaftern statt, infolge dessen der Heilbronner Vertrag zur Fortsetzung des Kriegs zu stande kam. 1802 wurde H. von Württemberg besetzt und diese Erwerbung 1803 durch den Reichsdeputationshauptschluß bestätigt. Vgl. Jäger, Geschichte von H. (Heilbr. 1828); Kuttler, H., seine Umgebungen und Geschichte (das. 1859); Küsel, Der Heilbronner Konvent (Halle 1878).

Heilbrunn, Dorf und Badeort im bayr. Regierungsbezirk Oberbayern, Bezirksamt Tölz, 7 km vom Bahnhof Penzberg, am Fuß der Alpen 780 m ü. M. gelegen, mit 98 Einw. und einer Kochsalzquelle (Adelheidsquelle), deren Hauptbestandteile außer Kochsalz (in 1 Lit. 4,758 g) kohlensaures Natron (0,777), kohlensaurer Kalk (0,073), kohlensaure Magnesia (0,018), Jodnatrium (0,027) und Bromnatrium (0,046) sind. Das Wasser (10° C.) ist klar und farblos, entwickelt zahlreiche Gasperlen und wird besonders gegen Drüsenskrofeln, Leberhypertrophie, untergeordnete Syphilis, Bleichsucht, chronische Katarrhe der Luftwege und des Unterleibs, Hautausschläge etc. gebraucht. Der jährliche Versand davon beträgt über 50,000 Flaschen. Vgl. Öttinger, Die Adelheidsquelle (Münch. 1854).

Heilbuth, Ferdinand, Maler, geb. 1830 zu Hamburg, bildete sich anfangs in Paris, dann in Italien aus und widmete sich dem historischen Genrebild, wobei er den Schwerpunkt auf elegante Auffassung und glatte Kostümmalerei legt. Er wählt seine Motive mit Vorliebe aus der vornehmen Gesellschaftsklasse. Seine hervorragendsten Bilder sind: Palestrinas Musikprobe (1857) und das Autodafee (1861, beide in Privatbesitz in Hamburg), Tasso (1860), das Leihhaus (1861, Museum des Luxembourg), die Absolution in St. Peter, das Vorzimmer eines Kardinals, ein Spaziergang auf dem Monte Pincio, das Geständnis, der Frühling, an den Ufern der Seine, der Herbst der Liebe, an der Themse. Auch seine teils in der Weise Tizians, teils in der Rembrandts gemalten Porträte werden sehr geschätzt. 1861 wurde er Ritter der Ehrenlegion. Obwohl er seine deutsche Gesinnung nie verleugnet hat, ließ er sich nach dem Krieg aus Opportunitätsrücksichten, weil er Paris nicht verlassen wollte, naturalisieren.

Heilbutt, s. Schollen.

Heil dir im Siegerkranz, Anfangsworte der preuß. Volkshymne, als deren eigentlicher Verfasser H. Harries (s. d.) zu betrachten ist. Letzterer veröffentlichte im "Flensburger Wochenblatt" vom 27. Jan. 1790 ein "Lied für den dänischen Unterthan, an seines Königs Geburtstag zu singen in der Melodie des englischen Volksliedes: God save great George the King" (auch in Harries' "Gedichten", Altona 1804, 2. Bde.), das mit den Worten beginnt: "Heil dir, dem liebenden Herrscher des Vaterlands! Heil, Christian dir!" Dies Lied wurde dann von B. G. Schumacher auf fünf Strophen verkürzt und entsprechend umgearbeitet und erschien in dieser Gestalt zuerst in der Spenerschen Zeitung vom 17. Dez. 1793 als "Berliner Volksgesang", der bald zur Nationalhymne werden sollte.

Heildistel, s. v. w. Cnicus.

Heilgehilfe, eine für die Ausübung der niedern Chirurgie geprüfte Medizinalperson, gewöhnlich ein Barbier (s. d.).

Heilgymnastik (Kinesiatrik, Kinesitherapie), im Gegensatz zu dem Turnen gesunder Personen Leibesübungen, welche zur Heilung von Krankheiten ausgeführt werden. Die H. in diesem Sinn ist eins der wirksamsten therapeutischen Mittel auf dem Gebiet der Orthopädie. Sie hat es zu thun mit der Beseitigung krankhafter Zustände des Bewegungsapparats, der Muskeln, Knochen und Gelenke, und zwar richtet sie sich nicht sowohl gegen den ursprünglichen Krankheitsprozeß in diesen Teilen selbst als vielmehr gegen die übeln Folgen, welche derselbe in Gestalt von Verkrümmungen, fehlerhafter Haltung etc. des Rumpfes und einzelner Glieder zurückgelassen hat. Das Prinzip der H. ist wissenschaftlich wohl begründet. Da nämlich jede Körperstellung, die beabsichtigte normale wie die fehlerhafte Haltung, welche der Kranke auch gegen seinen Willen einnimmt, aus dem Zug meist mehrerer Muskeln und dem Gegenzug ihrer Antagonisten resultiert, so wird das Resultat, d. h. die Körperhaltung, sich ändern, wenn die Stärke des Zugs von seiten des einen und andern Muskels geändert wird. Sind einzelne Muskeln zu schwach, um die von ihnen geforderte Leistung auszuüben, so müssen sie gekräftigt werden, und das geschieht durch methodische, fortschreitend gesteigerte Übung, d. h. Bethätigung der Muskeln. Ein Muskel, welcher arbeitet, wird auch entsprechend ernährt, wird also um so kräftiger werden, je mehr er arbeitet, und umgekehrt wird die Ernährung und Kraft eines Muskels, welcher sich nicht bethätigt, mit der Zeit vermindert werden. Die Art, wie wir unsre Muskeln