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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Hexamiton - Hexe.

jetzt freilich nicht dafür gelten können und auch nur vereinzelt auftreten; z. B. das Vaterunser von K. Gesner (gest. 1565):

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["O Vater unser, der du dein' ewige Wohnung",]

oder schon früher bei Johannes Klaj mit leoninischem Reim:

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["Ein Vogel hoch schwebet, der nicht als andere lebet"]

Bessere Verse als Proben lieferte Gottsched. Eigentlichen Gebrauch von Hexametern aber machte zuerst Klopstock im "Messias" (1748), und nachdem einmal die Bahn gebrochen war, folgten die Dichter bald nach. Unter ihnen war es Voß, welcher durch ein tieferes Studium dessen, was dem H. Vollkommenheit, Schönheit und Würde verleiht, zuerst den Gipfel der Rhythmik in der deutschen Sprache erklomm und einen Kanon für die Bildung des Hexameters aufstellte. Goethe in "Hermann und Dorothea", im "Reineke Fuchs" und in kleinern Dichtungen, Schiller in einzelnen Gedichten gebrauchten ihn mit größerer Freiheit; am reinsten haben A. W. Schlegel und Platen den Vers durchgeführt. Über die Zulässigkeit des Hexameters überhaupt in der deutschen Poesie sind die Stimmen geteilt. Jedenfalls hat er für uns durchaus nicht die Bedeutung, welche er für die streng quantitierende Sprache der Griechen und Römer hatte, und für den epischen Vers der Neuzeit kann er in keiner Weise gelten. Die letzten glücklichern Versuche, ihn wieder einzuführen, wie die Erzählung "Richard" von V. Strauß, das idyllische Epos "Adam und Eva" von M. Hartmann, "Mutter und Kind" von Hebbel, "Thekla" von P. Heyse, "Euphorion" von Gregorovius u. a., haben ihm keine Popularität zu verschaffen vermocht. Das moderne Epos verlangt die Strophe und den Reim, und die rhythmische Malerei des Hexameters, die vorzugsweise aus dem Wechsel der Spondeen und Daktylen entspringt, läßt sich auch in andern Versmaßen erreichen. So bleibt sein Wirkungskreis in der Neuzeit auf das kürzere Idyll und vorzugsweise auf das Distichon beschränkt. In Italien und Frankreich ging man den Deutschen zum Teil um 100 Jahre früher mit der Einführung von Hexametern voran. Noch im 16. Jahrh. raten Annib. Caro mit italienischen, Baif mit französischen Hexametern auf; aber so sehr sie auch allen Forderungen der Rhythmik entsprachen, so vermochten sich diese Versuche doch nicht den allgemeinen Beifall der Nation zu erringen. Nicht glücklicher waren der Engländer Abr. Fraunce, der um 1670 Heliodors "Aethiopica" in englische H. übersetzte, und der Schwede Stjernhjelm, der um eben diese Zeit die alten Silbenmaße in seiner Muttersprache versuchte, in welcher sie zuerst Adlerbeth in seinem Vergil heimisch gemacht hat. Im Spanischen finden sich H. von 1617.

Hexamiton (griech., mittellat. Examitum, Xamitum), im Mittelalter Name eines "sechsdrähtigen" Seidenstoffs, aus welchem das Wort Samt entstand, welches jedoch später jene ursprüngliche Bedeutung verlor und auf den uns noch jetzt unter diesem Namen bekannten Stoff angewendet wurde.

Hexandrus (griech.), sechsmännig, von Blüten mit sechs gleich langen Staubgefäßen; Hexandria, die 6. Klasse des Linnéschen Systems, Pflanzen mit sechs gleich langen Staubgefäßen.

Hexangulär (griech.), sechswinkelig.

Hexapla (griech., das "Sechsfache"), Titel eines Bibelwerkes von Origenes (s. d.), welches den Text des Alten Testaments in sechs nebeneinander befindlichen Kolumnen, zuerst hebräisch mit hebräischen Buchstaben, dann hebräisch mit griechischen Lettern, endlich in vier verschiedenen griechischen Übersetzungen enthält. Nachdem es noch von Hieronymus benutzt worden, kam dieses zum Zweck der Revision der Septuaginta (s. d.) unternommene Riesenwerk in Vergessenheit; s. Montfaucon.

Hexapoda (griech.), s. v. w. Sechsfüßer, Insekten.

Hexapolis ("Sechsstadt"), der Bund der sechs Hauptstädte der Landschaft Doris (s. d.) in Kleinasien.

Hexaptoton (griech.), Nomen mit sechs Kasus.

Hexastichon (griech.), ein sechszeiliges Gedicht.

Hexastylos (griech.), Bau (Tempel, Halle) mit sechs Säulen in der Fronte.

Hexateuch (griech.), Gesamtname der fünf Bücher Mosis oder des Pentateuchs (s. d.) nebst dem dazu gehörigen Buch Josua.

Hexe, richtiger Hägsche, da das Wort altniederdeutsch hagedisse oder hagetisse, althochdeutsch hagezisse oder hagezusa lautet, nach Grimm von hage, gewandt, kunstgeübt, nach Simrock wahrscheinlicher von hag (Hain), dem fanum der göttlichem Jungfrauen oder Idisen (s. d.), so daß wir uns in ihnen ursprünglich entweder Hainpriesterinnen oder den Walküren verwandte Waldgöttinnen zu denken haben. Noch deutlicher bezeichnet sie als solche der Name Wålrîderske, den sie in niederdeutschen Gegenden führen, und dadurch erklärt es sich auch, warum sie durch die Lüfte reiten, Wetter machen, an Gelagen teilnehmen, welche der in den Teufel verkehrte Wuotan abhält, und sich vorzugsweise in Katzen verwandeln, die der Freyja heilig waren. Allmählich haben sich jedoch nicht nur manche Züge von den alten deutschen Priesterinnen auf sie vererbt, sondern es ist auch vieles von den Zauberinnen andrer Völker, namentlich den griechischen und römischen (lat. lamia, saga, striga, ital. strega, engl. hag oder witch, span. hechicera, franz. sorcière), auf sie übertragen worden. Der Glaube an Hexen war, wie wir aus Theokrit, Horaz und Lukianos ersehen, im Altertum vollkommen ausgebildet; aber die Voraussetzung eines besondern dazu erforderlichen Bündnisses mit dem Teufel entstand erst nach der Christianisierung der germanischen Welt, als die heidnischen Feste und Versammlungen bei Todesstrafe verboten waren und die treu gebliebenen Anhänger des frühern Glaubens heimlich des Nachts zusammenkamen, um die abgesetzten Götter zu verehren und die gewohnten Festlichkeiten zu begehen. Da es vornehmlich die alten Frauen waren, welche die althergebrachten Bräuche bewahrten und ausübten, kamen sie in den Verdacht der Zauberei, und da die Teilnehmer an den nächtlichen Zusammenkünften selbst die meisten Märchen von gefahrvollem Teufelsspuk aussprengten, um ihre ebenso abergläubischen Verfolger zurückzuschrecken, entstand sehr bald die Meinung, daß die Hexen im Bund mit dem leibhaftigen Teufel ständen und in seinem Dienst alles Unheil, welches über Ortschaften, Familien und Personen hereinbrach, verursachten. Einzelne hell denkende Männer, wie Agobert, Erzbischof von Lyon (gest. 840), und Burkhard, Bischof von Worms (gestorben um 1025), traten zwar schon damals gegen diesen Glauben auf; aber ihre Stimme verhallte in dem Zetergeschrei des unwissenden und fanatischen Priesterheers. Wie schon in den alten römischen Gesetzen, so wurden auch später wiederholt Gesetze gegen Hexen und Zauberer erlassen; aber das Unheil wurde erst vollständig, als die Kirche den Aberglauben des Volkes autorisierte, indem sie die Inquisition gegen die Hexen und Zauberer zu Hilfe rief. Die Vermischung von Zauberei und Ketzerei war eine ebenso bequeme wie