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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hugenotten

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Hugenotten (erster und zweiter Hugenottenkrieg).

standen sogar, besonders unter dem Schutz der Königin Margarete von Navarra, der Schwester des Königs Franz I., insgeheim lutherische Gemeinden. Noch größern Anklang und Verbreitung fand die Lehre Calvins; seine Auffassung des Protestantismus erwarb sich besonders unter dem Adel und dem Mittelstand zahlreiche Anhänger. Franz I. befahl zwar die Konfiskation aller reformatorischen Schriften und bedrohte die Teilnehmer an protestantischem Gottesdienst mit Todesstrafe, vermochte jedoch der Ausbreitung der reformierten Lehre nicht Einhalt zu thun. Heinrich II. ahmte dem Vater mit verwandten Edikten nach trotz seiner Verbindung mit den deutschen Protestanten; er erließ 1555 ein Edikt, welches die H. mit der Strafe des Feuertodes bedrohte; nach dem Friedensschluß von Cateau-Cambrésis 1559 stellte er sich mit besonderm Eifer die Ausrottung der Ketzerei in seinem Land zur Aufgabe. Dennoch vermehrten sich die Anhänger der Lehre Calvins in Frankreich so, daß sie bei Heinrichs II. Tod 2000 Gemeinden zählten, welche sich zu einem gemeinschaftlichen Glaubensbekenntnis und Gottesdienst vereinigten.

Der ganz unter der Leitung der streng katholischen Guisen stehende junge König Franz II. errichtete 1559 bei jedem Parlament eine besondere Kommission, Chambre ardente genannt, welche die Vollziehung der Ketzeredikte überwachen sollte. Indes die allgemeine Opposition gegen die Guisen ermutigte die H. zum Widerstand. Ja, ein Teil des calvinistischen Adels unter La Renaudie plante 1560 einen Anschlag gegen das Regiment der Brüder Guise; er beschloß, dem König ein Gesuch um freie Religionsübung und Entfernung der Guisen vom Hof zu überreichen; sollte beides verweigert werden, so beabsichtigte man, die Guisen festzunehmen und den König zu zwingen, den calvinistisch gesinnten Brüdern Bourbon, dem König Anton von Navarra und dem Prinzen Ludwig von Condé, die Regierung zu überlassen. Der Plan ward jedoch verraten, der König entfloh mit dem Hofe von Blois nach Amboise und ernannte den Herzog Franz von Guise zum Generalstatthalter des Reichs. Die Verschwornen wurden beim Angriff auf Amboise zurückgeschlagen und fielen teils im Kampf, teils wurden sie hingerichtet. Dennoch hob im Mai 1560 das Edikt von Romorantin die Chambres ardentes auf und verbot bloß religiöse Versammlungen und öffentlichen evangelischen Gottesdienst. Im August 1560 stellte der Admiral Coligny in der Versammlung der Notabeln den Antrag, den Reformierten Religionsfreiheit zu gewähren. Der Beschluß der Versammlung aber verschob diese Angelegenheit ebenso wie die andern kirchlichen Fragen auf den Reichstag, der im Dezember in Orléans stattfinden sollte. Um Beschlüsse desselben, welche die Reformierten begünstigen konnten, zu verhindern, wurden die schon Ende Oktober in Orléans erscheinenden Bourbonen auf Antrieb der Guisen verhaftet und Condé wegen Anteils an der Verschwörung zum Tod verurteilt. Der Tod Franz' II. (5. Dez.), nach welchem Katharina von Medicis für ihren unmündigen Sohn Karl IX. die Leitung des Staats erhielt, verhinderte die Vollstreckung des Urteils.

Katharina zeigte sich, den allzu großen Einfluß der Guisen fürchtend, den H. scheinbar geneigter; sie erhob Anton von Navarra zum Generalstatthalter des Königreichs, ließ Condé wieder frei und zog die gemäßigten Politiker beider Parteien in die Regierung. Im Juli 1561 erschien ein Edikt, welches die Todesstrafe für Ketzerei abschaffte, und um die Streitigkeiten zwischen Katholiken und Reformierten völlig beizulegen, wurde zu Poissy im September 1561 ein Religionsgespräch zwischen beiden Parteien gehalten. Der Hauptverfechter der katholischen Lehre war der Kardinal von Lothringen, der der Reformierten Theodor Beza. Das Gespräch führte aber nicht die angestrebte Einigung herbei. Das sogen. Triumvirat, welches aus dem Herzog von Guise, dem Connetable von Montmorency und dem Marschall v. Saint-André bestand, arbeitete auf die gewaltsame Unterdrückung der Reformation hin und wußte auch Anton von Navarra den H. abspenstig zu machen. Als nun auf Anraten des Kanzlers L'Hôpital Katharina durch das Edikt vom 17. Jan. 1562 den Calvinisten freie Ausübung ihres Gottesdienstes, jedoch nur außerhalb der Städte, gestattet hatte, schritten die Guisen zur That. Franz von Guise überfiel 1. März 1562 bei Vassy eine Anzahl von H., die in einer Scheune Gottesdienst abhielten: das Blutbad von Vassy war das Signal zum Krieg (erster Hugenottenkrieg). Die Guisen entführten den König und die Königin-Mutter von Fontainebleau nach Paris, um sie in ihrer Gewalt zu haben. Der Prinz von Condé trat nun an die Spitze der H, und besetzte mit 3000 Edelleuten die größtenteils protestantische Stadt Orléans, um sie zu seinem Waffenplatz zu machen. Aus allen Teilen des Reichs trafen Beitrittserklärungen ein, und in vielen Städten bemächtigten sich die H. des Regiments. Aus Deutschland und England kam ihnen Hilfe, während den Katholiken Schweizer Söldner und spanische Truppen zugesandt wurden. Am 19. Dez. trafen die Katholiken mit den H. bei Dreux zusammen und besiegten Condés Heer. Die Katholiken verloren den Marschall v. Saint-André, der erschossen, und den Connetable von Montmorency, der gefangen genommen wurde, die H. dagegen den Prinzen von Condé, der in Gefangenschaft geriet. Der Herzog von Guise schritt nun zur Belagerung von Orléans, fiel aber 18. Febr. 1563 vor dieser Stadt durch Meuchelmord (s. Guise 3). Katharina von Medicis schloß hierauf 12. März mit den Reformierten einen Vergleich, der durch das Edikt von Amboise vom 19. März bestätigt wurde; es war ein Religionsfriede, in welchem den H., mit Ausnahme von Paris und einigen andern Bezirken, freie Religionsübung gestattet wurde.

Die Königin-Mutter war jedoch nicht gesonnen, die Bestimmungen des Friedens von Amboise gewissenhaft einzuhalten; sie wollte die Macht, welche die Guisen besessen, nicht an die Führer der H. übergehen lassen: durch Erläuterungen des Edikts von Amboise, wie z. B. schon in dem Edikt von Roussillon (4. Aug. 1564), wurden die gemachten Konzessionen meistenteils illusorisch gemacht. Der Zug Albas, der 1565 mit Katharina in Bayonne eine Zusammenkunft hatte, nach Flandern und seine Gewaltmaßregeln gegen die niederländischen Protestanten erweckten in den H. die Besorgnis vor gleichem Vorgehen der französischen Gewalthaber. Daher knüpften Condé und der Admiral v. Coligny wieder Verbindungen mit England und den deutschen Protestanten an und beschlossen, den König, der in Monceaux bei Meaux Hof hielt, in ihre Gewalt zu bringen. Der Plan ward jedoch verraten, und der Hof entfloh nach Paris. Condé belagerte ihn daselbst sechs Wochen lang und lieferte dann gegen Montmorency 10. Nov. 1567 die Schlacht bei St.-Denis (zweiter Hugenottenkrieg). Condé zog sich darauf durch die Champagne nach Lothringen zurück, wo 10,000 Mann deutsche Hilfstruppen unter dem kurpfälzischen Prinzen Johann Kasimir zu ihm