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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Italienische Litteratur

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Italienische Litteratur (16. Jahrhundert).

daß jedoch, mit geringen Ausnahmen, sehr bedeutende Arbeiten daraus hervorgegangen wären. In der ersten Hälfte des 16. Jahrh. wurden Versuche mit Dramen in lateinischer Sprache gemacht. Die bekanntesten dieser Arbeiten sind: "Ergastus" und "Philotimus", zwei Dramen von dem Jesuiten Francesco Benzi; schön in der Sprache ist auch der "Imber aureus" von Antonio Tilesio aus Cosenza; alle aber werden an Eleganz übertroffen von dem "Christus" des Bischofs Coriolano Martirano (gest. 1551). In italienischer Sprache ist die Tragödie von vielen Dichtern bearbeitet worden, aber von keinem mit durchgreifendem Erfolg. Fast alle suchten sich peinlich den Alten anzuschließen, wodurch ihre Arbeiten kalt, mager und rhetorisch wurden und ohne inneres Leben blieben, weshalb auch das Volk sich gleichgültig von diesen gelehrten Produkten abwandte. Überhaupt ist weder in dieser noch in den folgenden Perioden ein wahrhaft nationales Trauerspiel in Italien geschrieben worden. Das erste italienische Stück, welches den Namen einer Tragödie überhaupt verdient, ist die "Sofonisba" des Trissino, dem sein Freund Ruccellai mit "Rosamunda" und "Oreste" folgte. Einen erstaunlichen, für das vornehme Publikum charakteristischen Erfolg errang Lodovico Dolce (gest. 1568) in Ferrara mit seiner "Marianna"; aber noch besser gelang es Giambattista Giraldi (genannt Cinzio), Rührung hervorzubringen mit seinem berühmten Trauerspiel "Orbecche" (1541). Zu ihrer Zeit sehr in Wert gehalten war auch die "Acripanda" von A. Decio da Orti, in der Wollust und Grausamkeit auf widerliche Weise gemischt sind. Bedeutend höher steht Torquato Tassos "Torrismondo", worin die tragische Idee der antiken Tragödie in die romantische Sphäre hinübergezogen erscheint. Einen eignen Weg versuchte Sperone Speroni (gest. 1588), der mit seiner "Canáce" ebenso großen Beifall wie heftigen Widerspruch fand. Zu den bessern Tragödien dieser Zeit wird auch der "Edipo" des Giov. Andrea dell' Anguillara gerechnet. Endlich darf hier die "Orazia" des schon genannten P. Aretino nicht übergangen werden, die einen ehrenvollen Platz unter den Tragödien jener Zeit einnimmt. Nicht geringer ist die Zahl derer, welche, ebenfalls auf dem Weg der Alten, sich in der Komödie versuchten. Die Ehre, der erste auf diesem Feld gewesen zu sein, ist streitig zwischen dem Kardinal Bibbiena, Ariosto und Machiavelli; jedoch scheinen die Ansprüche der beiden erstern die ältesten und begründetsten. Die hierher gehörigen Produkte Ariosts sind: "Cassaria", "I suppositi" und "Il negromante"; das des Kardinals Bibbiena (Bernardo Dovizi, gest. 1520) ist "Calandra" und die Machiavellis (gest. 1527) sind betitelt: "Mandrágola" und "Clizia", beide in Prosa. Bei weitem weniger bedeuten die ganz verunglückten, nach den "Menächmen" des Plautus gebildeten "Simillimi" des Trissino; großen Beifalls jedoch erfreuten sich zu ihrer Zeit die Komödien des P. Aretino ("Il marescalco", "Ipocrito" etc.), Francesco d'Ambra (gest. 1559), dessen Stücke: "Il furto", "I Bernardi" und "La cofanaria" sich durch reine Sprache und komische Kraft auszeichnen, Lodovico Dolce ("Ragazzo", "Ruffiano"), Ercole Bentivoglio (gest. 1572), Annibale Caro (gest. 1566, "Straccioni") u. a., ganz besonders aber des Grazzini ("Gelosia", "Sivilla", "Arzigogolo"), der den Weg der sklavischen Nachahmung der Alten verließ und alle Lustspieldichter seiner Zeit an Leichtigkeit und Natürlichkeit des Dialogs übertraf. Einer der fruchtbarsten und talentvollsten Komödiendichter war der Florentiner Giammaria Cecchi (gest. 1587), der Verfasser des zügellosen Stücks "L'Assiuolo". Endlich möge hier noch der Seltenheit wegen ein niedrig-komisches Stück, "Il candelajo", in Prosa, von Giordano Bruno (gest. 1600) genannt werden. Alle die bisher erwähnten Stücke wurden nicht in Theatern und von Schauspielern, sondern an fürstlichen Höfen, in Privatgesellschaften, an Akademien und von Gelehrten, Hofleuten, wohl auch zuweilen von fürstlichen Personen aufgeführt. Die Akademie der Rozzi ("Rohen") zu Siena hatte schon im Anfang des Jahrhunderts Stücke, zum Teil im Volksdialekt, geschrieben und in ihrem Lokal, ja selbst in Rom vor Leo X. dargestellt. Ihre Nachfolger, die Intronati, fuhren auf demselben Weg fort. Während die Vornehmern sich an dieser Commedia erudita, wie sie genannt wird, ergötzten, hatte das Volk seine eignen Schauspiele. Wie roh diese meist wohl auf öffentlichen Plätzen, in hölzernen Buden etc. aufgeführten Possen auch gewesen sein mögen, so zeigt doch das wenige, was wir davon wissen, und das, was sich später daraus entwickelt hat, daß es an derber Lust, an kräftigem Volkswitz, an echt komischer Kraft darin nicht fehlte. Schon im 16. Jahrh. waren die wichtigsten jener Masken: Pantalone, der ehrliche venezianische Kaufmann, Brighella und Arlecchino, Bergamasker Bedienten, jener pfiffig, dieser ein Tölpel, beide zusammen Zanni genannt, und noch mehrere andre, wie Scapino, ein spitzbübischer Bedienter, Tartaglia, der Stammler, etc., im allgemeinen Gebrauch. Die Stücke, welche dargestellt werden sollten, waren nicht aufgeschrieben, nur die Folge und der Hauptinhalt der Szenen wurde aufgezeichnet; ein solcher Zettel hieß Scenario, das Stück selbst Commedia a soggetto oder Commedia dell' arte, und den Schauspielern blieb überlassen, die ihnen angewiesenen Personen und Szenen nach eigner Lust auszuführen. Unter den Verfassern solcher meist verloren gegangener Stücke wird Flaminio Scala als der geistreichste und genialste genannt. Andre ebenfalls für wirkliche Schauspieler und also fürs Volk, daher auch in Lokalmundarten geschriebene Stücke sind die des Schauspielers Angelo Beolco, mit dem Zunamen il Ruzzante (der "Possenreißer", gest. 1542), meist im paduanischen Dialekt, und die des Andrea Calmo (gest. 1571) in venezianischer Mundart. Ein andres Gegenstück der Commedia erudita war die von Spanien her eingeführte romantische Tragikomödie, die besonders von Raffaelle Borghini ("La donna costante", 1582) und Sforza degli Oddi aus Perugia (gest. 1610) gepflegt wurde. Wie die Monstrositäten dieser Dichtgattung, so deutete noch eine andre Abart des Dramas auf den beginnenden Verfall der Poesie hin, das sogen. Hirtendrama, das durch die klassische Schäferdichtung "Arcadia" des Neapolitaners Jacopo Sanazzaro (gest. 1530), eine Sammlung von zwölf Eklogen, verknüpft durch einen Schäferroman, hervorgerufen wurde und besonders bei Hoffesten beliebt war. Die ersten Dichtungen dieser Art sind die "Favola di Cefalo" oder "L'Aurora" von Niccolò da Correggio (gest. 1506) und der "Tirsis" des Grafen Castiglione, letzterer eigentlich nur ein Dialog dreier Hirten in Ottaven, mit Chören und Tänzen untermischt; ferner "I due pellegrini" von Luigi Tansillo, die ebenfalls nur ein längerer Dialog zweier Liebenden sind. Auf diese ersten Versuche folgen nun wahrhaft dramatische Pastoralen, so die "Egie" des Giambattista Giraldi (gest. 1573), in Versen, "Il sagrificio" von Agostino